Sieben Fragen an Soetkin Verstegen

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Interview: Im Gespräch mit der belgischen Filmemacherin Soetkin Verstegen konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Freeze Frame“, zu sehen auf dem 32. Filmfest Dresden und auf den 30. Bamberger Kurzfilmtagen, wo er den Animations-/Experimentalfilmpreis gewann, erfahren, über die Idee dahinter, warum sie sich entschied mit Eis zu arbeiten und welche Bedeutung die filmischen Anfänge des Kinos für ihre Animationen haben. 

The original english language interview is also available.

Kannst Du mir mehr über die Entstehung Deines Kurzfilms erzählen?

Einer der Ausgangspunkte war, von einem Material auszugehen und zu sehen, welche Geschichten dieses Material erzählt. Dass es für mich schwierig sein musste, genau wie die Figuren im Film, die ihren Eiswürfel ziehen, war von Anfang an klar. Es konnte kein falsches Eis sein, für mich ist der Prozess wichtig, nicht nur das Ergebnis. Ideen über das Verhältnis von Eis und Zeit kombiniert mit verschiedenen kleinen Geschichten und Anekdoten, die ich gelesen oder erlebt habe.

Auch wenn jeder Betrachter natürlich etwas Eigenes aus diesem Film holen kann, magst Du vielleicht trotzdem eine kleine Interpretationshilfe liefern?

Die menschlichen Figuren basieren auf frühen Filmen von einer Tätigkeit, die als Eisernte bezeichnet wird. Wenn man ihre Handlungen destilliert, wird es zu einem surrealen Ritual. Ich begann, sie als Versuch zu sehen, Bilder einzufangen und zu konservieren. Ich hatte eine kleine Sammlung von Tieren, die in Eis, Bernstein und Fossilien eingefroren aufgefunden wurden, als wären sie mitten in ihrer Bewegung eingefangen worden. Ich dachte, die menschlichen Figuren mit ihren sich wiederholenden Handlungen könnten diese Bewegungen reanimieren. Sie wollen erforschen, entdecken und archivieren. In ihrer Liebe zu diesem schönen, glänzenden Material gehen sie vielleicht zu weit. Sie schneiden es unter ihren Füßen weg und wollen in ihren eigenen Körper hineinschauen, das Original beschädigen, um ihm in einem Bild ewiges Leben zu geben.

Lass uns mehr über die Animationen reden: Wie bist Du die Arbeit angegangen – welche Aspekte lagen Dir bei der visuellen Gestaltung am Herzen? Und wie lange hat die Realisation des Films beansprucht?

Ich betrachte gerne bewegtes Licht, Fokusveränderungen, Unschärfe, optische Deformationen durch Bewegung von Dingen vor der Linse. Solche Details sind es, die meiner Meinung nach die Atmosphäre des Films ausmachen. Ich denke, einschließlich der Vorproduktion habe ich zwei Jahre lang intensiv daran gearbeitet.

Warum hast Du Dich für eine reine Soundkulisse entschieden?

Es stimmt, dass ich eine instinktive Vorliebe für Klang und keine für Musik habe. Es sei denn, der Klang wird so verwendet, dass er zu einer Art Musik wird. Ich habe das Gefühl, dass Animation an sich schon sehr dicht und konstruiert ist, und das Hinzufügen von Musik fühlt sich für mich leicht ‚zu viel‘ an. Ich mag es, wenn der Klang sehr subtil und detailliert ist.

Deine Bilder erinnern teilweise an Arbeiten des frühen Kinos. Wie die Fotografien von Eadweard Muybridge. Wie ist Deine Verbindung und die Deines Films zu jener Zeit?

Für einen früheren Film, „Mr. Sand“, habe ich viel über das frühe Kino recherchiert, und es war eine sehr reiche Zeit, die mich nicht mehr losgelassen hat. Vor allem das Bild des zerfallenden Zelluloids zog mich an, und ich nahm Eis als Metapher dafür. Bei „Freeze Frame“ war ich besonders fasziniert von den frühen Filmen, die für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet wurden, und von den poetischen Bildern, die diese Versuche hervorbrachten. Film, um den Körper zu entdecken, die Unterwasserwelt, das Mikroskopische, die arktischen Pole, flüchtige Phänomene. Ich denke, es ist eine faszinierende Zeit mit viel technologischem Optimismus. Dieser Optimismus verliert heute stark an Kraft.

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir und Deiner Arbeit erzählen?

In den vergangenen fünfzehn Jahren bin ich zwischen Orten in Europa hin- und hergezogen, zwischen Gelegenheiten, meine Arbeit zu entwickeln. Es war großartig, aber in den letzten Jahren habe ich in Brüssel den Ort gefunden, an dem ich mich wohl fühle. Ich versuche, eine solidere Basis zu schaffen, um von hier aus zu arbeiten. Ich mag es, verschiedene Techniken in Animationsfilmen zu kombinieren und sie in einer kleinen Schaukasten zusammen zu pressen, aus dem der Zuschauer verschiedene Fäden entwirren kann.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Zurzeit arbeite ich als Stop-Motion-Animatorin bei zwei Fernsehserien im belgischen Stop-Motion-Studio Beast Animation. Es ist schön, eine Zeit lang in einer größeren Produktion zu arbeiten und nicht am Steuer zu sitzen. Ich bin in der Lage, mich auf einen Aspekt des Filmemachens zu konzentrieren. Es erlaubt die Beobachtung von Schauspiel, Timing, Körperhaltung, Bewegung. An den Wochenenden versuche ich, auf einem gezeichneten, animierten Notizbuch weiterzumachen, das ich während eines Aufenthalts über Kunst und Wissenschaft in der Schweiz begonnen habe. Aber es geht sehr langsam, wenn man so arbeitet. In meinem Kopf baue ich Bilder für ein neues persönliches Projekt auf.

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Freeze Frame


Interview:  In our conversation with Belgian filmmaker Soetkin Verstegen, we were able to learn more about her short film “Freeze Frame“, screened at the 32nd Filmfest Dresden and at the 30th Bamberg Short Film Festival, where it won the Animation/Experimental Film Award, about the idea behind it, why she decided to work with ice, and what meaning the beginnings of cinema have for her animations. 

Can you tell me more about the origins of your short film?

One of the starting points was to depart from a material, see what stories that material tells. That it had to be difficult for myself, just like the figures in the film dragging their cube, was clear from the start. It could not be fake ice, the process is important to me, not just the outcome. Ideas around the relation of ice to time combined with different small histories and anecdotes I read or experienced.

Even though every viewer can of course get something of their own out of a film, maybe you can give a little help in interpretation?

The human figures are based on early films from a practice called the ice harvest. When you distill their actions, it becomes a surreal ritual. I started seeing them as trying to capture and preserve images. I had a sordid collection of animals found frozen in ice, amber and fossils, as if they were captured in the midst of their movement. I thought the human figures with their repetitive actions might re-animate these movements. They want to explore, discover and archive. In their love for this beautiful, shiny material, they might go too far. Cutting it from under their feet and wanting to look inside their own bodies, damaging the original to give it eternal life in an image.

Let’s talk more about the animations: How did you approach the work – what aspects of the visual design were important to you? And how long did the realization of the film take?

I like to look at moving light, changes of focus, blur, optical deformations by moving things in front of the lens,… Details like that are what I think make up the film’s atmosphere. I think including pre-production I worked on it for two years intensively.

Why did you decide to use a pure sound backdrop without music?

It’s true that I have an instinctive preference for sound and no music. Unless maybe sound used in such a way that it becomes a kind of music. I feel animation in itself is already very dense and constructed and adding music easily feels ‘too much’ to me. I like the sound to be very subtle and detailed.

Your pictures partly remind us of early cinema. Like the photographs of Eadweard Muybridge. What is your connection and that of your film to that time?

For a previous film, ‘Mr Sand’, I did a lot of research about early cinema and it’s a very rich period that stuck with me. Particularly the decaying celluloid image was something I was drawn to, and I took ice as a metaphor for this. For “Freeze Frame” I was especially intrigued with early film used for scientific exploration and the poetic images these attempts produced. Film to discover the body, the underwater world, the microscopic, the arctic poles, ephemeral phenomena,… I think it’s a fascinating period with a lot of technological optimism. There’s a lot of decay on this optimism now.

Can you tell me a little more about yourself and your work at the end?

I’ve been moving back and forth between places in Europe in the past fifteen years, moving between opportunities to develop work. It was great, but in the last few years I found Brussels the place where I feel good. I’m trying to create a more solid base to work from here. I like to combine different techniques in animated films and press them together into a little viewing box from which the viewer can unravel different threads.

Are there already new projects planned?

At the moment I’m working as a stop motion animator on two television series at the Belgian stop motion studio Beast Animation. It’s nice to work in a bigger production for a while and not be at the wheel. I’m able to focus on one aspect of film making. It allows observing acting, timing, posture, movement. On the weekends I try to continue on a drawn, animated notebook I started during a residency on arts and science in Switzerland. But it’s very slow working this way. In my head I’m building up images for a new personal project.

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm “Freeze Frame

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