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Interview: Im Gespräch mit dem Filmemacher Jannis Alexander Kiefer, der mit Kurzfilmen wie „Comments“ (2018) und „Meeting“ (2020) begeistern konnte, erzählt er uns mehr über seinen neuesten Film „Kollegen“, der auf dem 42. Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 lief. Dabei spricht er über den Umgang mit der deutschen Geschichte, wie sein Film, vor allem in Polen, als Komödie aufgenommen wurde und warum er dieses Mal auf ein Casting verzichtet hat.
Was war der Ausgangspunkt für Deinen neuen Kurzfilm? Spielen eigene Erfahrungen am Set mit rein?
Wie so häufig kamen da mehrere Aspekte zusammen. Zum einen, ja, arbeite ich als Komparsenbetreuer und ich habe dabei einige absurde Momente mitbekommen, sei es bei Historischen Drehs oder auch Actionfilmen, bei denen ich mit 100 bewaffneten russischen Soldaten Mittag gegessen habe und ich der einzige ‚Zivilist‘ war. Zum anderen beschäftigt mich nach wie vor die Frage, wie ich als ‚junger Mensch‘ mit unserer Geschichte umgehen soll und wie ein angemessener, aber auch nicht verbissener Umgang möglich ist. Ich denke wir Deutsche tun uns generell schwierig, über den zweiten Weltkrieg zu sprechen, abgesehen von Floskeln und schnellen Aussagen, dass wir ‚alles schrecklich finden‘. Man wird ja auch nur selten damit konfrontiert im Alltag, aber ich finde es wichtig, darüber zu sprechen und sich tiefergehend Gedanken zu machen und Worte zu finden. Davon ausgehend, habe ich das Drehbuch geschrieben.
Während Dein Film „Comments“ sehr drastisch war, transportierst Du hier deine Botschaft mit Humor. Was lag Dir am Herzen zu sagen? Besitzt der Film auch eine politische Dimension?
Der Humor kommt insbesondere über die Absurdität der Situationen. Auch in „Comments“ zeigen wir (ich sage wir, weil es fast komplett das selbe Team ist wie bei „Kollegen“) Absurditäten auf, aber natürlich mehr mit unangenehmen Bilder und Momenten. In „Kollegen“ war der klare Ansatz, über die beiden Handwerker und die Stimmung innerhalb ihrer Werkstatt in die Geschichte zu gehen. Mit ihrer Routine und ihrem Alltag, der dann durch das Filmteam gestört wird. Bis zur Fertigstellung des Filmes war ich immer stark dagegen, von einer Komödie zu sprechen. Bei der Weltpremiere in Warschau habe ich erst realisiert, wie die Leute den Film sehen und der Kurzfilmkurator des Festival erzählte mir, wie laut er lachen musste beim Schauen und dass wir mit dem Stil angeblich an einige große, polnische Komödien in den 80/90er anschließen. Keine Ahnung ob das stimmt, aber die polnischen Zuschauer haben mehr gelacht als alle Deutschen, die ich bis jetzt beim Filmschauen beobachten konnte.
Mir war es wieder wichtig, mit dem Kurzfilm den Grundstein für ein Gespräch bzw. eine Auseinandersetzung zu legen, die sehr gerne politisch sein darf.
Kannst Du mir mehr zu den Dreharbeiten, -bedingungen und der Locationwahl erzählen?
Über allem stand, dass wir den Mikrokosmos eines kleinen, verschlafenen Dorfes erzählen wollen. Eine homogene, geschlossene Welt, die nicht klar verortet ist, aber sich beim zuschauen so anfühlt, als sei man kurz durch Brandenburg gefahren.
Letztendlich haben wir an fünf Orten in Berlin und Brandenburg gedreht. Drehen auf dem Dorf ist das Schönste. Ich liebe Berlin, aber nicht zum Drehen. Eine Motivgeberin hat uns einen Kuchen gebacken, generell ist es ein angenehmer Austausch mit den Nachbarn gewesen, man fühlt sich weniger als Störenfried im Gegensatz zu Außendrehs in Berlin.
Was war Dir visuell wichtig?
Um der Atmosphäre unserer Hauptfiguren zu entsprechen war sehr schnell klar, dass wir über eine statische Kamera in die Welt eintauchen. Persönlich habe ich einen starken Faible für klare Linien, streng komponierte Bilder und Symmetrie. In diesem Sinne haben wir sehr viel gestaltet, aber andererseits haben wir in der Szenografie und bei den Farben eine starke Natürlichkeit gesucht. Diese Kombination ist in meinen Augen sehr reizvoll. Grundsätzlich bin ich ein starker Verfechter eines konsequenten Stils, auch wenn es mitunter formalistisch wird.
Deine beiden HauptdarstellerInnen Gisa Flake und Fritz Roth sind großartig – hast Du sie über ein Casting gefunden oder vorher schon im Sinn gehabt?
Das Kompliment gebe ich gerne weiter. Ich bin sehr froh, dass die beiden mit mir drehen wollten, mit Gisa war es die zweite Zusammenarbeit. Fritz war beim ersten Treffen sehr begeistert vom Drehbuch, daher ging das alles recht schnell. Zum ersten Mal habe ich komplett auf Castings verzichtet und mich vorher sehr gut über die SchauspielerInnen informiert und dann im Gespräch kennen gelernt bzw. zueinander gefunden.
Du scheinst Dich in verschiedenen Genren auszuprobieren. Kannst Du schon sagen, welches Dir am meisten zusagt?
Ich studiere ja noch an der Filmuni in Potsdam und ausprobieren ist für mich ein Luxus, den ich aktuell noch sehr genieße. Die Freiheiten des Kurzfilms und dass jedes Projekt für sich steht, ist einer der Hauptgründe, warum ich das kurze Medium so mag. Gerne würde ich noch einmal in eine komplett neue Richtung gehen, aber ganz ohne Humor kann ich es mir gerade nicht vorstellen.
Ich finde der Stoff hätte genug Potential für einen Langfilm – wie siehst Du das?
Genauso, darum schreibe ich gerade daran. :-)
Sind bereits neue Projekte geplant?
Neben der langen „Kollegen“-Version schreibe ich gerade an einer Webserie, für die ich bereits eine großartige Produktion habe, die gerade einen Sender sucht. Durch die Lola letztes Jahr für „Meeting“ (2020) haben sich ein paar Türen aufgemacht, die vorher verschlossen waren bzw. von denen ich gar nichts wusste. Das ist natürlich großartig und ich genieße es total, aber meine Finger jucken auch und wollen wieder einen Kurzfilm schreiben. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir keinen Dreh unter den aktuellen Corona-Bedingungen vorstellen. Als Low- oder No-Budget-Projekt kämpft man eh immer mit hunderten Problemen. Diese Auflagen, das Risiko und auch die Verantwortung gegenüber den Teammitglieder wäre mir aktuell zu viel. Ich vermisse den Kurzfilm jetzt schon und hoffe sehr, dass ich bald wieder was drehen darf und kann.
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Kollegen“