Sechs Fragen an Thùy Trang Nguyễn

Doreen Kaltenecker
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Phuong Tran Minh

Interview: Im Gespräch mit der Regisseurin Thùy Trang Nguyễn konnten wir mehr über ihren 34-minütigen Film „Jackfruit“, der auf dem 42. Filmfestival Max Ophüls Preis seine Premiere feierte, erfahren, wie die Geschichte mit ihrer eigenen Großmutter zusammenhängt, warum sie viele Themen in ihrem Film vereinte und welchen Stellenwert Authentizität bei der Inszenierung einnahm. 

Kannst Du mir mehr zu den Ursprüngen deines Films „Jackfruit“ erzählen? Gibt es wahre Begebenheiten hinter dem Spielfilm?

Jackfruit“ basiert auf meinen vorherigen Film Kurzdokumentarfilm „Roan“. In diesem Portrait geht es nicht nur um meine gleichnamige Großmutter, sondern vor allem um das Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Generationen. Ich hatte das seltene Privileg als deutsch-vietnamesisches Kind mit meiner vietnamesischen Großmutter aufwachsen zu dürfen. Wir waren uns sehr nah. Nach der Veröffentlichung unseres gemeinsamen Kurzfilms, verschlechterte sich ihre Gesundheit stetig. Das war der Anstoß für mich „Jackfruit“ zu schreiben, mit der zentralen Frage – Was passiert, wenn die Geschichten meiner Großmutter in Vergessenheit geraten? Was kann ich meinen Nachfahren weitergeben, wenn ich selbst nie in Vietnam gelebt habe? Welchen Zugang habe ich zu meinen Wurzeln, wenn sie weg ist? 

Du verbindest drei Themenstränge miteinander: Familie, die viet-deutsche Community und die LGBTQI+ Thematik. Wie schwer war es da die richtige Balance zu finden?

Im Entwicklungsprozess hatte ich die Sorge, die Zuschauer*innen mit zu vielen Themen zu konfrontieren. Aber mir wurde schnell klar, dass das Leben selbst komplex ist und eine authentische Repräsentation verschiedener Existenzen und Realitäten neue Ansätze der visuellen Erzählung mit sich bringt. Diese Herausforderungen haben mich ermutigt, den Versuch zu wagen und neue Wege zu gehen. Für mich haben sich die Themen nie ausgeschlossen. Im Schreibprozess habe ich die drei Figuren und den drei Generationen in den Mittelpunkt gerückt. Es geht mir vielmehr um die Spannungen dazwischen. In „Jackfruit“ haben alle ein Coming-of-Age. 

Wie wichtig war Dir auch eine humorvolle Komponente bei der Entwicklung des Stoffes?

Humor ist unglaublich wichtig. Oftmals ist Humor ein wichtiger Bestandteil von Überlebensstrategien in einer feindlichen Umgebung. Mein Interesse liegt darin, die Stärke und die Widerstandskraft von Menschen mit Flucht- und Diskriminierungserfahrungen zu beleuchten, statt nur in Schwere und im Konflikt zu verweilen. Im Schmerz entfaltet Humor die Zärtlichkeit füreinander und die Heilung miteinander. Darin liegt die Schönheit für mich.

Dein visuelles Konzept wirkt beinahe dokumentarisch. Kannst Du mir mehr dazu erzählen?

In der Zusammenarbeit mit Kamerafrau Katharina Hauke haben wir uns nicht gefragt, ob wir einen fiktionalen oder dokumentarischen Stil verfolgen, sondern auf welche Art und Weise wir die Figuren so authentisch und nahbar wie möglich darstellen können. Wie können wir die komplexen Gefühle nachvollziehbar machen? Welche stereotypischen Haltungen wollen wir vermeiden? 

Dementsprechend geht das visuelle Konzept Hand in Hand mit dem Casting. Auch da war mir die authentische Repräsentation der Figuren wichtig. Die Darsteller*innen Dan Boldt, Mai Phuong Kollath und Hong Ngoc Le leben die Figuren bereits. Mit der Ausnahme, dass Mai Phuong bereits Bühnenkenntnisse hat, stand jedoch noch keine*r der drei vor der Kamera in einer fiktionalen Rolle. 

Im Falle der Hauptfigur Mít, habe ich eine*n Darsteller*in gesucht, die nicht nur queere Erfahrungen macht, sondern auch fluide mit Gender umgehen kann. Genau so wie die metaphorische Figur der Gottheit Guanyin ist auch Mít weder Mann, noch Frau und beides zugleich. Hong Ngoc Le hat diese Nuancen wunderbar gespielt. Die drei im Zusammenspiel zu inszenieren hat auch wahnsinnig viel Spaß gemacht. Sie hatten solch eine organische Art und Weise miteinander umzugehen, sodass ich selbst vergaß, dass sie eigentlich gar nicht verwandt sind. 

Sind bereits neue Projekte geplant?

Langsam aber sicher taste ich mich an meinen Debütfilm heran. 

Eine Frage noch zum Schluss: Würdest Du es empfehlen, einmal eine Jackfruit zu probieren?

Auf jeden Fall! 

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Jackfruit

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