„Grenzland“ (2020)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Im Jahr 1992 machte sich der Dokumentarfilmer Andreas Voigt, der mit seinem sechsteiligen Leipzig-Zyklus eine Chronik der Wiedervereinigung Deutschlands zeichnete und damit bekannt wurde, auf den Weg, das strukturschwache Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze an der Oder in seinem Film „Grenzland – Eine Reise“ zu erkunden. Mit „Grenzland“ (Deutschland, 2020) kehrt er nach 28 Jahren wieder dorthin zurück und schaut wie es sich inzwischen entwickelt hat.

Die Oder fließt von der Lausitz bis in die Ostsee und trennt Deutschland und Polen. Wie lebt es sich auf beiden Seiten des Flusses? Wie wird Heimat definiert und wie geschieht der Austausch zwischen den beiden Ländern? Der Regisseur Andreas Voigt geht diesen Fragen noch einmal nach, nachdem er die Region bereits 1992 filmisch besucht hat. Diesmal trifft er ein australisches Paar, das sich auf einem polnischen Gut niedergelassen hat, einen jungen Syrer, der hier ein neues Zuhause gefunden, eine Frau mit griechischen Wurzeln und auf Carla, die damals 1992 in den Westen gehen wollte und nun wieder zurückgekommen ist. Wie bestimmt die Region ihr Leben? Was macht Heimat für sie aus? Diesen Fragen spürt er nach und liefert damit ein einfühlsames Portrait einer Region, die oft nur Negativ-Schlagzeilen macht, aufgrund von Arbeitsmangel und dem Wegzug vieler junger Menschen, vor allem auf der deutschen Seite, wie in der Stadt Hoyerswerda.

Die 100-minütige Dokumentation führt uns dabei gleichermaßen auf polnische wie deutsche Seite, lotet die Stimmungen aus, indem der Regisseur Andreas Voigt, Jahrgang 1953, der auch fließend Polnisch spricht, sich mit vielen Menschen unterhält. So fußt der Film vor allem auf Interviews und kleineren Alltagsbeobachtungen. Wir sehen die Menschen in den Orten und Verhältnissen, in denen sie sich eingerichtet haben, und hören wie sie ihre Heimat wahrnehmen und definieren. Dabei zeichnet Voigt ein differenziertes Stimmungsbild, das im kleinen Rahmen auf große strukturelle Probleme verweist. So schafft es der Regisseur mit seiner zweiten Reise in das Grenzgebiet an der Oder wieder ein aktuelles Bild der Lage einzufangen und erzählt dies mit dem Schicksal und dem Leben einzelner Personen. Auf diese Art geht einem der Film nahe, denn er unterhält sich mit Menschen wie Du und ich.

Fazit: Die Dokumentation „Grenzland“ von Andreas Voigt führt ihn wieder in eine Region, über die er schon vor 28 Jahren einen Film drehte. Wieder zurück, beschäftigt er sich mit der Entwicklung des Gebiets, dem Leben und dem Gefühl der dort wohnenden Menschen. Er liefert damit ein stimmiges Portrait dieses Landstrichs und kann ohne moralischen Zeigefinger auf strukturelle Probleme hinweisen.

Bewertung: 7/10

geschrieben von Doreen Matthei

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