Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
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Filmkritik: Der türkische Spielfilm „Brother’s Keeper“ (OT: „Okul Tıraşı“, Türkei, Rumänien, 2021) ist das Portrait einer Jungenfreundschaft in einem harten Schulalltag und damit gleichzeitig eine Kritik am gesellschaftlichen und politischen System. Dafür wurde der Regisseur Ferit Karahan auf der 71. Berlinale 2021 mit dem FIPRESCI-Preis in der Sektion ‚Panorama‘ ausgezeichnet.
Der 12-jährige Yusuf (Samet Yıldız) lebt mit vielen weiteren Jungs auf einem Internat in den Bergen in Anatolien. Dort teilt er sich mit drei anderen Klassenkameraden das Zimmer. Besonders mit Memo (Nurullah Alaca) versteht er sich gut. Als dieser am nächsten Tag erkrankt, kümmert sich Yusuf um ihn und bringt ihn zur Krankenstation. Doch dort wird ihm nicht die Hilfe zuteil, welche er braucht, stattdessen wird es schnell klar, unter welchen Schwächen die Schule und das ganze System leiden.
Der Film, angesiedelt in der Gegenwart, gibt einen Einblick in das Schulsystem von Internaten und unter welchen rauen Bedingungen die Schüler hier lernen müssen. Dabei wird nicht nur sukzessive ihre persönliche Entwicklung unterdrückt, sondern auch kein Wert auf ihr körperliches Wohlbefinden gelegt. Zudem gilt dieses repressive System, was an veralteten Strukturen festhält, als Spiegel der Gesellschaft und des Staatssystems. All dieses explosive Material baut der türkische Regisseur Ferit Karahan (*1983), der zusammen mit Gülistan Acet das Drehbuch geschrieben hat, in eine kleine Geschichte ein. Es beginnt mit einer Jungenfreundschaft, einem verbotenen Wunsch und wird dann immer größer. Mit leisen, zarten Tönen erzählt der Regisseur seine Geschichte, welche die ZuschauerInnen mit der Zeit immer fassungsloser zurück lässt. All das inszeniert er gelungen und mit viel Einfühlungsvermögen in einer kalten, unwirtlichen Umgebung. Das alles einwebende Weiß ist die perfekte Kulisse für das Drama, was sehr souverän und überzeugend mit den Jungdarstellern, allen voran Samet Yıldız als Yusuf, besetzt wurde. So ist der Film „Brother’s Keeper“, der per se eine Story im engen Rahmen erzählt, aber gleichzeitig ein großes Gesamtbild zeichnet, ein gelungenes Drama, das sich der Wahrheit und nicht dem Pathos verpflichtet hat.
Fazit: „Brother’s Keeper“ ist ein Spielfilm aus der Hand des türkischen Regisseurs Ferit Karahan. Er erzählt darin die Geschichte einer Freundschaft zweier Jungen, die in einem abgelegenen Internat unter einem kaputten System leiden. Als Parabel auf die Gesellschaft, mit realen Hintergründen und einem ungeschönten Blick entfaltet sich das Drama nach und nach und involviert die ZuschauerInnen ohne jeglichen Pathos aber mit viel Gefühl und dem Aufruf zur Veränderung.