Acht Fragen an Sophie Gmeiner

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Interview: Im Gespräch mit der Regisseurin Sophie Gmeiner konnten wir mehr über ihre Kurz-Dokumentation „Frauenfragmente: Gini und Resi“, welche auf den 55. Hofer Filmtagen lief, erfahren, warum sie sich entschied ein Film über Menschen aus ihrer Familie zu machen, in welchem Rahmen sie es realisieren konnte und was ihr bei dem Portrait der zwei Geschwister am Herzen lag.

Warum und zu welchem Zeitpunkt hast Du Dich entschieden, einen Film über Deine Mutter und Tante zu drehen?

Ich hatte schon länger das Bedürfnis, diese einzigartige Dynamik zwischen den beiden festzuhalten. Ende 2018 folgte ich einfach meiner Intuition und filmte mit dem Handy unsere Besuche bei Resi mit. Die Entscheidung einen ganzen Film daraus zu machen fiel erst über ein Jahr später. Klar war mir aber immer: Ich möchte in erster Linie von zwei Schwestern erzählen, die eine im besonderen Maße von Liebe und Vertrauen geprägte Beziehung haben. Und die trotz Schicksalsschlägen und herben Enttäuschungen keine Bitterkeit in sich tragen, sondern erstaunlich viel Leichtigkeit und Humor. 

Obwohl es ein sehr persönlicher Film ist, kommen weitere Themen wie Inklusion und Pflege ganz automatisch mit rein – was lag Dir neben den persönlichen Aspekten am Herzen?

Wir wussten, wenn wir einen Film über diese beiden Frauen machen, werden wir viele große Themenkomplexe aufmachen. Inklusion, Missbrauch, weibliche Pflegearbeit einerseits, aber auch – durch Gini – das Thema der eigenen Verletzlichkeit und was es bedeutet, als junge Mutter mit psychisch krankem Partner überleben und Entscheidungen fällen zu müssen. Es ist der Kampf mit Erwartungen, Wünschen und Enttäuschungen, das Ringen um Dinge, die auf der Strecke bleiben und die Erkenntnis, wer in schwierigen Situationen wirklich für einen da ist. 

Fragen, die wir alle kennen und mit denen wir uns aber oft alleine fühlen. Ich wollte anhand dieser zwei sehr ungeraden Lebensläufen universelle Empfindungen und Herausforderungen verhandeln und ganz einfach sichtbar machen: So haben es diese beiden Frauen gemacht – das ist ihre Geschichte.

In welchem Rahmen konntest Du Deinen Film umsetzen? Über welchen Zeitraum hinweg hast Du gedreht?

Die Handyaufnahmen von 2018 sind in nur vier Tagen entstanden und verschwanden dann erst einmal für eine Weile im Archiv. Erst Anfang 2020 beschloss ich, mich wieder damit zu beschäftigen und mir ein umfassenderes filmisches Konzept zu überlegen, auch um Filmförderung in Österreich zu beantragen. Gemeinsam mit Simon Dallaserra, der für die analoge Kameraarbeit verantwortlich ist, entwickelte ich die Idee für einen Film, der inhaltlich wie bildästhetisch über die bereits existierenden Videos im „Homemovie“-Stil hinausgehen sollte. Deshalb auch die Entscheidung für die zusätzliche Ebene durch den 16mm-Film, der den Heimatort Kössen zu einer Art dritten Protagonisten macht. Diese Aufnahmen drehten wir in zwei Blöcken im Frühsommer und im Herbst 2020. Zur selben Zeit entstanden auch die Tonaufnahmen der Gespräche mit meiner Mutter. Ende letzten Jahres hatten wir dann die finale Schnittversion fertig.

Was war Dir wichtig für die Art der Dokumentation?

In erster Linie war es mir wichtig, mit dem Eindruck, den ich durch meinen Film vermittle, meinen Protagonistinnen gerecht zu werden.

Mit Behutsamkeit und Respekt zwei Frauen zu portraitieren, aber auch den Raum für Rätsel lassen und Fragen stellen, die auch nach dem Film offen bleiben sollen. „Gini und Resi“ ist vielleicht ausführlicher geworden als mein letztes Kurzportrait, dennoch ist es für mich immer noch mehr Fragment als eine abgeschlossene Biografie. 

Wie haben Deine Mutter oder allgemeiner Deine Familie den Film gefunden?

Meine Mutter war die erste Person, der ich den Film gezeigt habe. Sie war sehr berührt. Auch wenn sie bis heute immer wieder Zweifel äußert, was an ihr persönlich denn so interessant sein soll. Darüber lachen wir dann auch gemeinsam. 

Ansonsten haben noch nicht viele Personen aus meiner Familie den Film gesehen. Ich glaube, er wird sehr unterschiedliche Gefühle auslösen.

Dieser Kurzfilm hat den gleichen Titelanfang, wie Dein Film zuvor: ‘Frauenfragmente’. Ist es als Reihe konzipiert? Kannst Du mir mehr davon erzählen?

Mit „Frauenfragmente“ schaffe ich eine Reihe kleiner Portraits, die außergewöhnliche oder eben ganz gewöhnliche, in meinen Augen aber immer faszinierende Frauen in meinem näheren Umfeld skizzieren und sehr momenthaft einfangen sollen. Es geht mir nicht darum, ein vollständiges Bild der Person zu zeichnen, sondern um ein individuelles Fragment.

Der ästhetische Rahmen soll jedes Mal neu verhandelt werden. So unterschiedlich die Protagonistinnen, so unterschiedlich sollen auch die Formen, Herangehensweisen, Bildsprachen und Materialitäten sein.

Mein erstes Fragment „Galila“ erzählt von einer eigenwilligen Berliner Freundin und ihrer prekären Mietsituation, aber auch von anderen Wünschen und Ängsten, die sie umtreiben.  

Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen und wie Du zum (Dokumentar-)Film gekommen bist?

Das war tatsächlich ein längerer Weg. Begonnen hat meine Leidenschaft durch die Besuche auf der Viennale, dem Filmfestival in Wien. In meinem Philosophiestudium vertiefte ich mich dann zunehmend auf Filmtheorie. Als ich für meinen Master nach Berlin zog, begann ich parallel in der Filmproduktion zu arbeiten, traute mich selbst aber noch nicht künstlerisch raus. „Galila“ war dann mein erstes filmisches Experiment, das es überraschenderweise auf ein einige Festivals schaffte. Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen und Mut gegeben, was sicher auch wichtig war für die Entstehung von „Gini und Resi“.

Seit 2021 studiere ich an der  Universität der Künste Berlin in der Klasse von Thomas Arslan. Ich möchte die Zeit dort vor allem nutzen, mit anderen Formaten zu experimentieren und in Richtung Spielfilm zu arbeiten. Auch hybride Formen interessieren mich momentan sehr. 

Sind bereits neue Projekte geplant?

Simon Dallaserra, Nils Schröder und ich haben uns 2020 zum Kollektiv Schiefer Film zusammengeschlossen und neben meinen beiden Filmen seither zahlreiche Musikvideos und Auftragsarbeiten hergestellt. Nächstes Jahr werden wir uns wieder mehr auf eigene Filmprojekte konzentrieren und versuchen, diese schrittweise gemeinsam umzusetzen. Wir haben alle Ideen in unterschiedlichen Stadien und werden uns mit vereinter Kraft dahinter klemmen. Die Arbeit und der Austausch im Kollektiv sind so fruchtbar und entscheidend für den künstlerischen Prozess. Ich habe bereits Überlegungen für ein drittes „Frauenfragment“ und werde auch an vorhandenen fiktionalen Stoffen weiterarbeiten, aus denen ein Drehbuch entstehen soll.

Die Fragen stellte Doreen Matthei

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Frauenfragmente: Gini und Resi

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