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Wie kam es zu der Idee? Wie hat alles angefangen?
Alles begann mit dem Gedanken, dass ich als Schauspielerin immer mehr den Eindruck hatte, dass die Figuren und Stoffe, die mir angeboten wurden, keine wirkliche Bandbreite besitzen. Ich habe darüber nachgedacht, selbst eine Geschichte zu schreiben, aber hatte keine Erfahrungen als Drehbuchautorin.
Damals habe ich mich mit erst einmal mit Stephan Falk zusammengetan, einen erfahrenen Drehbuchautoren. Zusammen haben wir dann einem Stoff erarbeitet, der unter anderem auch eine Figur enthielt, die wie maßgeschneidert für mich als Schauspielerin war. Es war ein schöner fruchtbarer Weg gemeinsam und wir haben für das Drehbuch von „Sayonara Rüdesheim“ dann sogar eine LOLA bekommen. Vor diesem Hintergrund entstand die Motivation, meinen ersten eigenen Stoff zu schreiben.
War Dir gleich von Anfang an klar, dass es sich um Pflege und den Pflegeberuf handeln würde?
Ja, das Thema war sofort klar. Ich bin ja nicht in dem Sinne Autorin, dass ich Aufträge schreibe, sondern ich schreibe als Schauspielerin über Stoffe, die mich was angehen. So ist auch bei dieser Geschichte gewesen, in der ich zum Teil auch Biographisches mit verarbeitet habe. Meine Mutter hat in den 70ern eine steile Karriere in einem Alten- und Pflegeheim gemacht und wurde dort Leiterin. Ganz ähnlich, wie auch Joachim Meyerhoff, dem Schauspieler, dessen Vater eine psychiatrische Klinik geleitet hat und der über diese Jugenderfahrung sehr amüsante Bücher geschrieben hat.
Bei mir war das Pflegeheim ebenfalls familiärer Alltag und das hatte nichts Schreckliches an sich. Meine Schwester und ich haben zum Beispiel immer zu Weihnachten auf unseren Blockflöten Weihnachtslieder für die Bewohner gespielt. Außerdem war das ein gutes Training in Sachen Realität und wie das Leben wirklich ist. Mit 16 Jahren habe ich dann auch angefangen dort zu jobben, es ist wirklich keine leichte Arbeit, aber diese Erfahrung hat mich geprägt.
Durch die Corona-Pandemie wurde der Pflegenotstand mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Hatten sie dieses Thema ebenfalls im Hinterkopf?
Als die Geschichte entstanden ist, hab es noch kein Corona, die Situation in den Pflegeberufen war auch schon vor der Pandemie nicht akzeptabel. – Aber ganz grundsätzlich: Ich möchte gar nicht die Deutungshoheit über den Film haben. Jeder Zuschauer darf in der Geschichte sehen, was er darin sieht.
Wie wurde dann der Film auf die Beine gestellt?
Ursprünglich wollte ich eine Geschichte schreiben über das Sterben schreiben und darüber, dass unser Sterben eben auch ein Teil des Lebens ist. Ich hatte einen 90-Minüter im Kopf, die Geschichte sollte weitergehen und von der Flucht der beiden Protagonisten, quasi als Roadmovie erzählen. Das habe ich leider nicht gefördert bekommen und so habe ich gekürzt. Die Kürzung hat der Geschichte gut getan und der Kurzfilm wurde von Hessenfilm gefördert, sodas wir in die Realisierung gehen konnte.n
Ich habe gelesen, dass es als Teil einer Miniserie geplant ist?
Ja, auch diese Überlegung gab es, die große Geschichte in mehreren kleinen Episoden zu erzählen. Ich wollte den Fokus auf die Beziehung zwischen einem jungen Menschen, der gerade ins Leben einsteigt, und einem alten Menschen, der sich gerade davon verabschiedet, legen. Zwischenzeitlich sind wir von diesem Plan abgewichen, denn ein anderes, wunderbares Projekt hat sich für uns aufgetan.
Wie war es, unter Corona-Bedingungen zu drehen?
Wir haben diese Herausforderung gut gemeistert. Als der erste Lockdown kam, sagte mein Produzent Tonio Kellner von Neopol Film, dass wir den Film trotzdem anpacken.
Wir haben das ganze Team zusammengestellt, von den Technikern bis zum Casting, haben uns alle getestet und sind dann gemeinsam in unseren Hauptdrehort gezogen. Sozusagen in Dreh-Quarantäne gegangen. In der Zeit sind wir also komplett unter uns geblieben. Das Heim, in dem wir gedreht hatten, stand leer. Es war eigentlich eine Familienferienstätte eines sozialen Träger, aber auf Grund von Corona waren keine Gäste da. Das war natürlich optimal für uns.
Was war visuell wichtig für Ausstattung und für den Look? Wie ausschlaggebend war eine realitätsnahe Ausgestaltung?
Mein Anspruch war mehr als reine Authentizität. Film soll, meiner Meinung nach, ‚Bigger than Life‘ sein. Ich wollte etwas überhöhen und auch etwas entfremden. In diesem Sinne habe ich auch fantastisch mit der Kostümbildnerin Katharina Schnelting zusammengearbeitet. Die Kostüme sollten einerseits stimmig sein, andererseits aber auch ein gewisses Etwas besitzen.
Auch die Zusammenarbeit mit dem Kameramann Knut Adass war wunderbar. Wir hatten ein klares Konzept. Ich mag es als Zuschauerin gern, wenn ich das Bild auf der Leinwand autark betrachten kann und mein Blick nicht permanent gelenkt wird. Als Filmemacherin möchte ich, dass mein Publikum autonom entscheidet, wo es hinschauen will, denn durch diese Freiheit wird man in den Film hineingezogen. Die Kamerafahrten sollen langsam sein, um so das Tempo der Geschichte aufzugreifen.
Wie hat es sich angefühlt jetzt hinter und nicht vor der Kamera zu stehen?
Ja, das war schon verrückt gewesen. Es gab überraschenderweise nie einen Moment, in dem ich nicht weiter kam. Mir war immer klar, worauf mein Fokus lag. So mag ich es zum Beispiel, wenn zwei Schauspieler im Bild zu sehen sind und beide so spielen, als ob sie gegeneinander zu verschiedener Musik spielen. Auch habe ich das Team und die Musik dazu genutzt, damit die Darsteller in die richtige Stimmung kommen, wie zum Beispiel bei der Schlussparade: Ich wollte, dass alle mit großen Gefühlen vorbeigehen und das im selben Rhythmus.
Wollen sie beim nächsten Projekt vielleicht gerne beides machen – Schauspielern und Regieführen?
Ja, gerne. Bin auch gespannt, ob das funktioniert. Mein Herz schlägt definitiv noch sehr für die Schauspielerei. So spiele ich auch weiterhin, u.a. zur Zeit am Schauspielhaus Frankfurt/Main. Ich würde es auf jeden Fall gern probieren, sobald ich auch eine stimmige Rolle für mich habe.
Wie wurde der Cast zusammengestellt? Nach welchen Kriterien haben Sie denn die SchauspielerInnen ausgewählt für die Rollen?
Für mich war mein eigener Blick für gute Filmschauspieler ausschlaggebend. Conni Mareth, die Leipziger Casterin, machte mich auf SchauspielerInnen aufmerksam und meistens war ziemlich schnell klar, ob sie gut passen würden.
Auch bei der Hauptdarstellerin Emma Bading war das so. Ich habe sie dann angerufen und überzeugen können mitzumachen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt schon sehr angesagt war. Zu Heiner Hardt sind wir über Umwege gekommen. Emma hat ihn vorgeschlagen und da sich die beiden bereits kannten, war das natürlich von Vorteil. Waldemar Kobus kannte ich schon lange, wir haben zusammen mit Dominik Graf gedreht und mit Ilona Schulz habe ich zusammen an der Schauspielschule in Hannover studiert. Sie war perfekt in der Rolle.
Vielen Dank für das Gespräch.
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Klabautermann“