Acht Fragen an Nadia Masri

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der luxemburgischen Regisseurin Nadia Masri konnten wir mehr über ihren Kurzfilm „Pigeon Therapy“ (OT: „De Pigeon“), der auf vielen Festivals zu sehen war und ist, wie dem 43. Filmfestival Max Ophüls Preis oder den 32. Bamberger Kurzfilmtagen, wie sie die Geschichte und Figuren aus der Wirklichkeit formte, wie sie ihren fantastischen Hauptdarstellerin fand und wie es war mit einer Taube zu arbeiten.

The original english language interview is also available.

Kannst Du mir zum Ursprung für deinen tragikomischen Film „Pigeon Theory“ erzählen – wie viel Wahres steckt in der Geschichte?

Ein großer Teil der Geschichte wurde tatsächlich durch wahre Begebenheiten inspiriert, die einem meiner engsten Freunde widerfahren sind. Als ich diese ‚Tauben-Odyssee‘ zum ersten Mal hörte, wurde mein Interesse nicht nur durch das komödiantische Potenzial geweckt, sondern auch durch das, was sie uns über die menschliche Natur offenbart, in dem Sinne, dass in der Welt, in der wir leben, eine Person, die selbstlos handelt und viel Mitgefühl zeigt, meistens als selbstverständlich angesehen oder ausgenutzt wird. Mein Ziel war es, ein Licht auf die stillen Helden und Helfern unter uns zu werfen, die nicht immer die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. 

Die Figuren sind alle auf ihre Weise besonders – teilweise bis in die kleinsten Nebenrollen wie der Typ von der Vogelauffangstation beinah bizarr. Wie hast Du Deinen Figuren entwickelt? Was war Dir dabei wichtig?

Nina Bodry

Um das Gefühl einer verkehrten Welt zu vermitteln, in der die Menschen, die zu Helfern ausgebildet werden, sich teilweise als das Gegenteil entpuppen und der anfängliche Patient zum Pfleger wird, habe ich versucht, mir Schauplätze und Figuren auszudenken, deren surreale Qualitäten die Absurdität der Situationen widerspiegeln, in denen Emma sich befindet, bis hin zu dem Punkt, an dem sie ihren eigenen Verstand in Frage stellt. 

Wunderbar getragen wird er von dem perfekten Cast – kannst Du mir mehr zum Casting und über die Auswahlkriterien erzählen?

Beim Schreiben des Drehbuchs wurde mir schnell klar, dass der Film, den ich machen wollte, fast vollständig auf den Schultern der Hauptfigur ruhen würde und dass die richtige Besetzung der Rolle der Emma entscheidend war. Aus diesem Gedanken heraus entstand die Idee, Nina Bodry, die noch nie zuvor geschauspielert hatte, die ich aber über andere berufliche Wege kannte, um die Rolle der Emma zu bitten. Ich hatte eine Ahnung, dass sie die perfekte Besetzung für die Hauptrolle sein würde. 

Nina Bodry

Für die Nebenfiguren suchte ich nach SchauspielerInnen, die das Charisma hatten, diese überlebensgroßen, exzentrischen Persönlichkeiten zu verkörpern, aber gleichzeitig in ihren Rollen wahrhaftig und glaubwürdig blieben. 

In welchem Rahmen konntest Du Deinen Film realisieren? Wie viele Tage hattest Du Zeit und wie groß war Deine Crew?

Der Film wurde durch ein Stipendium des luxemburgischen Filmfonds mit der Bezeichnung ‚Carte Blanche‘ finanziert, das man auch ohne eine Produktionsfirma beantragen kann, die an dem Film beteiligt ist. Wahrscheinlich aus demselben Grund ist das bewilligte Budget jedoch viel kleiner als der Betrag, den man normalerweise für die Produktion eines Kurzfilms in Luxemburg erhalten würde. 

Die Crew bestand zum größten Teil aus Profis, mit Ausnahme einiger Filmstudenten des lokalen Studienprogramms BTS Cinéma. Die Dreharbeiten dauerten insgesamt vier Tage. 

Wie war es, mit einer Taube zu arbeiten? 

Nicht umsonst gibt es in der Filmbranche den Spruch ‚Arbeite nie mit Kindern oder Tieren‘. Es ist in der Tat eine große Herausforderung, das besagte Tier dazu zu bringen, das zu tun, was wir in einer Szene erreichen wollen. Aber so wie ich das sehe, sind wir als Filmemacher täglich mit einer Reihe von Variablen konfrontiert, über die wir keine große Kontrolle haben, so dass wir uns fast nur auf eine gute Vorbereitung und auf das, was ich ‚blindes Vertrauen‘ nennen würde, verlassen können. In diesem Fall hatten wir das Glück, jemanden zu finden, der sich in seiner Freizeit um verletzte Tauben kümmert und sich bereit erklärte, bei diesem Low-Budget-Projekt mitzumachen und unsere kleine Heldentaube namens ‚Gucci‘ für die Szenen zu trainieren, in denen sie ganz ruhig bleiben musste. Während der Dreharbeiten taten Geduld und ‚blindes Vertrauen‘ meinerseits als Regisseur ihr Übriges. 

Außerdem war es sehr liebenswert, das Interesse und die Verwunderung zu beobachten, die die Anwesenheit des Vogels bei vielen Mitgliedern des Teams und der Besetzung auslöste.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Nina Bodry

Seit der Veröffentlichung von „Pigeon Therapy“ („De Pigeon“, 2021) habe ich einen weiteren Kurzfilm mit dem Titel „In der Pause“ (OT: „The Break“, 2021) gedreht, der sich mit dem Thema des kleinen Verrats unter Kindern beschäftigt und damit, wie monumental er jemandem erscheinen kann, der ihn zum ersten Mal erlebt.  

Kürzlich habe ich ein kurzes dokumentarisches Porträt gedreht (mein erster Versuch in diesem Genre), das Teil einer Serie ist, die luxemburgischen Künstlern mit Migrationshintergrund gewidmet ist. Es soll im April dieses Jahres erscheinen.  

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Pigeon Therapy


Interview: In a conversation with director Nadia Masri from Luxembourg we were able to learn more about her short film “Pigeon Therapy” (OT: “De Pigeon”), which was and is shown at many festivals, like the 43rd Filmfestival Max Ophüls Preis or the 32nd Bamberg Short Film Festival, how she formed the story and characters from reality, how she found her fantastic leading lady and what it was like to work with a pigeon.

Can you tell me about the origin for your tragicomic film “Pigeon Theory” – how much truth is there in the story?

A big part of the story was indeed inspired by real life events that occurred to one of my closest friends. When this “pigeon odyssey” first came to my ears, my interest was not only sparked by the comedic potential it held, but also by what it revealed to us about human nature, in the sense that in the world we live in, a person who acts selflessly and shows a lot of compassion, will more often than not be taken for granted or taken advantage of. My aim was to shine a light on the discreet heroes and helpers among us, who don’t always get all the credit they deserve. 

The characters are all special in their own way – some of them almost bizarre, even in the smallest supporting roles, like the guy from the bird sanctuary. How did you develop your characters? What was important to you?

In order to convey the sense of an upside down world, in which the people who are trained to be helpers turn out, in part, to be quite the opposite, and the initial patient ends up being the caretaker, I tried to come up with settings and characters, whose surreal qualities reflected the absurdity of the situations Emma finds herself in, even to the point where she would think to question her own sanity. 

It is wonderfully carried by the perfect cast – can you tell me more about the casting and the selection criteria?

While writing the script I quickly became aware that the movie I was making would rest almost entirely on the shoulders of the main character, and that the right casting for the part of Emma was crucial. Out of that thought the idea developed to ask Nina Bodry, who had never acted before, but whom I knew through separate professional avenues, to play the part of Emma. I had a hunch that she would be the perfect fit for the lead character. 

For the supporting characters I was looking for actors who had the charisma to embody these larger than life, eccentric personalities, but at the same time would remain truthful and believable in their roles. 

In what framework were you able to realize your film? How many days did you have and how big was your crew?

The movie was financed by a grant provided by the Luxembourgish Film Fund called « Carte Blanche », which one can apply for even without having a production company attached to the film. For probably that same reason however, the granted budget is a lot smaller than the amount that one would normally benefit from to make a short film in Luxembourg. 

The crew was composed of mostly professionals, with the exception of a few film students from a local film study program called BTS Cinéma. The shoot lasted 4 days in total. 

What was visually close to your heart?

I hope that what I said in my answer to the 2nd question, partly offers a response here.

What was it like to work with a pigeon? 

There’s a reason why, within the film industry, there’s the saying “Never work with children or animals.” It is indeed very challenging to get the said animal to do what we are set to achieve in a scene. But then again, the way I see it, we as filmmakers, are confronted on the daily with a set of variables that we don’t have a lot of control over, so that we can almost only rely on good preparation and what I would call “blind faith” or trust. In this case we were lucky to have found somebody, – who is a caretaker of wounded pigeons in his free time -, who accepted to be part of this rather low-budget endeavor, and to train our little hero pigeon called “Gucci” for the scenes where it had to remain very still. During the shoot, patience and “blind faith” on my part as a director did the rest. 

Furthermore, it was very endearing to observe the interest and the sense of wonderment that the bird’s presence triggered in many of the members of the crew and cast.

Are there any new projects already planned?

Ever since the release of “Pigeon Therapy” (“De Pigeon”, 2021), I directed another short film called “The Break” (“In der Pause”, 2021), which deals with the subject of small betrayals among children, and how monumental they can seem to somebody who experiences it for the first time.  

More recently I made a short documentary portrait, (my first attempt at that genre), as part of a series dedicated to Luxembourgish artists with migratory background. It is planned to come out this April.  

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the short film “Pigeon Therapy

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