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Warum hast Du Dich entschieden, Deine und die Geschichte deiner Eltern als Animationsfilm zu erzählen?
Die Geschichte hat sich für mich entschieden. ;-) Im Ernst, diese Geschichte wollte erzählt werden. Ich habe zwar sehr lange darüber nachgedacht, wie sie erzählt werden könnte und ob ich es sein sollte, die sie erzählt, aber dass sie in die Welt muss, war klar. In meinem Film „Kirschknochen“ geht es um Migration, um eine ganz bestimmte Migration: von jüdischen Menschen, die als „Kontingentflüchtlinge“ aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in den Jahren 1991 bis 2005 nach Deutschland eingewandert sind. Offizielle Zahlen sprechen von insgesamt 230.000 Menschen (inoffiziell sind es mehr). Diese Menschen verließen ihre Herkunftsorte als Jüdinnen und Juden, einige als Holocaust-Überlebende. Sie waren und sind alle hochqualifiziert: Ingenieur*innen, Ärzt*innen, Ökonom*innen, Lehrer*innen usw. Und sie wurden in Deutschland zu Russ*innen. Ohne Sprache, ohne Job, ohne Rentenansprüche. Sie mussten von Null anfangen. Sie gingen des Antisemitismus wegen und um der nächsten Generation mehr Chancen bieten zu können. Natürlich hatten sie aber auch Hoffnungen für sich, ganz gleich wie alt sie waren. Am Beispiel der Migrationsgeschichte meiner Familie, wollte ich von diesen Erfahrungen erzählen. Dieser Gruppe von Menschen eine Stimme geben und auch aus meiner Sicht die Dinge beleuchten. Ich glaube daran, dass diese Migrationsgeschichten die Aufmerksamkeit der Mehrheitsgesellschaft verdienen. Denn sie sind übertragbar. Auf andere Migrationsgeschichten, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Ganz ohne Pathos – gut erzählte Geschichten können sehr wirkmächtig sein und etwas bewegen. Und ich glaube fest daran, dass Animationen Herzen öffnen können.
Wie haben Deine Eltern auf die Idee reagiert?
Wie viel Zeit hast Du im Gesamten gebraucht, um das Projekt umzusetzen? Wie groß war Dein Team?
Von der Idee bis zur Fertigstellung brauchte ich fünf Jahre, inklusive Antragstellung, Brotjobs und Schlafen zwischendurch. ;-) Geschrieben, animiert und gesprochen habe ich selbst. Und ich hatte das Glück mit einem tollen Musiker zusammen zu arbeiten – Pit Johannes Przygodda. Er hatte so viel Einfühlungsvermögen und Wissen, Erfahrung und echtes Interesse – das war wirklich unglaublich schön! Für die Tongestaltung war Christian Wittmoser verantwortlich – er war sehr genau und wahnsinnig professionell, wir haben schon bei anderen Projekten zusammengearbeitet und wussten wie jede*r von uns funktioniert. Und außerdem hatte ich Unterstützung von Amos Ponger beim Schnitt – weniger konkret im Editing-Prozess, sondern im Gespräch über Dramaturgie und Erzählstrukturen. Amos stellte einfach immer die richtigen Fragen. Und dann waren dann natürlich viele Freund*innen und ehem. Lehrende, Atelier-Kolleg*innen und nicht zuletzt (sondern eigentlich durchgehend) mein Partner – sie alle haben mich bei diesem sehr persönlichen Film begleitet, kritisch hinterfragt und bestärkt.
Kannst Du mir mehr zu Deinen Animationen aus Knete erzählen? Wie ist es, mit diesem Material zu arbeiten und welche visuelle Entscheidungen prägen den Film?
Wie hat Deinen Eltern Dein finaler Film gefallen?
Zum Schluss noch die Frage, wie es Dir jetzt in deinem neuen Leben ergeht und wie es filmtechnisch nun weitergehen wird? Sind bereits neue Projekte geplant?
Wenn ein Film fertig gestellt ist, fühlt sich das für mich immer nach einer Trennung an. Ich habe das Bedürfnis aufzuräumen, mir klar zu werden über meine neuen Ziele, alles anders zu machen. Ja, ein neues Projekt ist im Entstehen. Diesmal wird es weniger persönlich. Zumindest so der Plan.
Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Kirschknochen“