„Kirschknochen“ (2021)

Letzte Artikel von Doreen Kaltenecker (Alle anzeigen)

Kurzfilm / Deutschland / Dokumentation / 2021

Filmkritik: Der Animationsfilm „Kirschknochen“ von Evgenia Gostrer, der auf dem 38. Interfilm Berlin 2022 im Deutschen Wettbewerb lief, erzählt eine Geschichte der Migration aus der Sicht der Filmemacherin und ihren Eltern.

Mitte der 90er Jahre kamen die Eltern von Evgenia als ‚jüdische Kontingentflüchtlinge‘ nach Deutschland und bauten sich dort ein neues Leben auf. Was macht das mit der Identität? Wie konnten sie sich einleben? Und wie fühlt es sich für Evegnia an, die jetzt selbst in ein neues Land zieht? 

In 18 Minuten erzählt die Regisseurin und Animationskünstlerin Evgenia Gostrer, welche selbst bald nach London umziehen wird, wie es ihren Eltern ergangen ist, als sie sich entschlossen haben, die ehemalige Sowjetunion zu verlassen. Der lebendige Dialog der Eltern mit ihr bildet den Off-Kommentar des Films. Dabei erzählen sie von den Ereignissen und dem großen Ganzen, aber auch kleinen Anekdoten, die hängen geblieben sind. Es geht dabei um Themen wie Migration, Integration und ganz speziell auch um die jüdische Identität. Denn als die Eltern Deutschland erreichten, waren sie nicht mehr Juden und Jüdinnen sondern auf einmal nur noch Russ:innen. So erzählt sie anhand ihrer eigenen Familiengeschichte von einem allgemeinen Problem, das auch bereits andere Filme wie „Masel Tov Cocktail“ angesprochen haben. Immer noch gibt es bei diesen Themen Nachholbedarf. Doch statt das ganze als klassische Talking-Head-Dokumentation zu erzählen, wählt sie als Medium die Animation, welche den Eltern die Möglichkeit gibt, frei zu sprechen. Mit Knete schuf sie beeindruckende Bilder, die sich zwischen Detailtreue und dynamischen Impressionen bewegen. Diese Technik ist großartig, selten gesehen und gibt der Regisseurin viel Spielraum. So besticht der Film, der eine fünfjährige Entstehungsgeschichte hat, sowohl mit seinen gelungenen Bildern als auch mit seiner einfühlsamen, autobiographischen Geschichte. 

Fazit: „Kirschknochen“ ist ein Animadok, der die persönliche Geschichte der Regisseurin Evgenia Gostrer erzählt und wie ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Dabei wirft sie Fragen nach Migration, Heimat und Identität auf. All das setzt sie in eindrucksvollen Knetanimationen um, die sich gestalterischen Freiraum genauso nehmen, wie sie real existierende Bilder nachstellen. So entstand ein eindrucksvoller, sehr persönlicher Film mit einer universellen Botschaft.

Bewertung: 8/10

Trailer zum Kurzfilm „Kirschknochen“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

Kommentar verfassen