„She Said“ (2022)

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Filmkritik: Der amerikanische Spielfilm „She said“ (OT: „She said“, USA, 2022) von der  deutsche Regisseurin und Schauspielerin Maria Schrader, beschäftigt sich mit dem Weinstein-Skandal aus dem Jahr 2017 und nimmt einen wunderbar dezidiert weiblichen Blick ein.

Die beiden Reporterinnen Jodi Kantor (Zoe Kazan) und Megan Twohey (Carey Mulligan) arbeiten bei der New York Times, einer der bekanntesten amerikanischen Zeitungen. Nach dem Fall des Fox-News-Moderators Bill O’Reilly nehmen die Herausgeberin Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) und ihr Team weitere Männer aus der Medienwelt unter die Lupe. Dabei stoßen sie und Jodi auf den Fall von Harvey Weinstein, einem der berühmtesten Filmproduzenten der Zeit. Die Schauspielerinnen Ashley Judd und Rose McGowan beschuldigen ihn des Missbrauchs und so beginnt eine jahrelange Recherche, an deren Ende Harvey Weinstein zu Fall gebracht wird.

Universal Pictures

Zoe Kazan, Carey Mulligan, Frank Wood, Gregg Edelman, Andre Braugher und Patricia Clarkson

Die Ereignisse um Harvey Weinstein im Jahr 2017 brachten die #MeToo-Bewegung ins Rollen. Ab diesem Zeitpunkt wurden immer mehr Missbrauchsfälle in Hollywood und im Mediengeschäft (wie auch der Film „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ (2019) erzählt), publik. Einfach so weitermachen wie bisher war danach nicht mehr möglich und so wurden viele Weichen gestellt, um Frauen eine andere Arbeitsatmosphäre und mehr Sicherheit zu geben. Das verdanken wir auch der Arbeit der beiden Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey, welche 2017 die Enthüllungsreportage herausbrachten und damit einem der großen Produzenten der Zeit unzählige Missbrauchsfälle nachweisen konnten. Dafür sprachen sie mit vielen Frauen, überzeugten sie auszusagen und recherchierten jahrelang, um die Reportage hieb- und stichfest zu machen. Wie das aussah, schildern sie in ihrem Buch „She said. Breaking the Sexual Harassment Story That Helped Ignite a Movement“, das 2019 erschien. Darauf aufbauend entstand der Film der deutschen Regisseurin Maria Schrader, bekannt für ihre Darstellung in „Aimee und Jaguar“ (1999) und als Regisseurin von „Vor der Morgenröte“ (2016) und „Ich bin dein Mensch“ (2021). Die Autorin Rebecca Lenkiewicz machte aus der Vorlage ein sowohl fesselndes als auch berührendes Drehbuch. In der Tradition von „Die Unbestechlichen“ (1976) und „Spotlight“ (2016) erzählt der 129-minütige Film intensiv von der journalistischen Arbeit, dem Vorgehen, dem Recherchieren, dem Abwägen und Aushandeln sowie all den Meetings und Absprachen dazwischen. Doch nicht nur die Arbeit wurde realitätsnah wiedergegeben, sondern auch das Leben der Frauen zwischen Familie und Beruf. Dabei besticht die Unbefangenheit, wie hier mit diesen Themen, u.a. einer postnatalen Depression, umgegangen wird. Es liefert zudem ein modernes, angenehmes Bild von Beziehungen. Maria Schrader schafft es, all diese Aspekte aus dem Leben der Journalistinnen wie nebenbei einfließen zu lassen und erzählt einen zutiefst aufwühlenden Journalismus-Thriller, der bis in die letzten Minuten spannend ist, obwohl man das Ende bereits kennt. Besonders gelungen ist auch, dass es den Blick von Weinstein, der natürlich aus dem Gefängnis heraus bereits den Film schlecht gemacht hat, nicht benötigt, sondern sich ganz auf die Opfer und die beiden recherchierenden Frauen konzentriert hat.

JoJo Whilden/Universal Pictures

Zoe Kazan, Carey Mulligan, Rory Tolan und Patricia Clarkson

Auch die Darstellung ist alles andere als sensationsheischend. Die journalistische Arbeit wurde mit allen Aspekten wunderbar, dabei überhaupt nicht langweilig, aber äußerst realitätsnah eingefangen. Dass sie in den Räumen der New York Times, die aufgrund der Corona-Pandemie noch leer waren, drehen konnten, hat dem Film auch geholfen. Ebenfalls gelungen ist die Darstellung der Missbrauchstaten selbst. Denn diese werden eben nur mit Stilleben angedeutet, aber nie explizit dargestellt. Es geht nicht darum, diese visuell zu erleben, sondern den Worten der Betroffenen zuzuhören. Neben der soliden Inszenierung, die auch einen packenden Score aus der Hand von Nicholas Britell beinhaltet, verdankt der Film eine Menge seiner starken Besetzung. Zoe Kazan („Ruby Sparks“ (2012)) und Carey Mulligan („An Education“ (2009), „Promising Young Woman“ (2020)) verkörpern die beiden Reporterinnen mit all ihren starken aber auch schwachen Seiten. Ihr Zusammenspiel sowohl untereinander als auch mit ihren Partnern und Kolleg:innen ist großartig. Weinstein als Täter wird nur einmal von hinten eingebracht. Stattdessen bekommen viele Opfer ein Gesicht. Ashley Judd, eines der Opfer, übernimmt selbst ihre Rolle und u.a. Samantha Morton („The Walking Dead“ (2010-2022)) verkörpert eine andere Betroffene. Damit ist der Cast phänomenal und die Inszenierung packend, so dass man bis zur letzten Minute gebannt zuschaut. Es ist leider mehr als verwunderlich, dass dieser Film es nicht zu den diesjährigen Oscars geschafft hat.

Universal Pictures

Carey Mulligan und Zoe Kazan

Fazit: „She Said“ erzählt, basierend auf realen Ereignissen, von den Missbrauchsfällen des Produzenten Harvey Weinstein, welche durch zwei Journalistinnen und ihre jahrelange Arbeit aufgedeckt wurde. Dabei schafft es die Regisseurin Maria Schrader nicht nur von der Reportage selbst und der Arbeit dafür zu erzählen, sondern auch das Umfeld und das Leben der beiden jungen Journalistinnen einzufangen. So entstand ein durch und durch spannendes Drama, das die wahre Geschichte von den Anfängen der #MeTo-Bewegung filmisch aufarbeitet und damit das Publikum gleichermaßen packen wie bewegen kann.

Bewertung: 8,5/10

Kinostart: 8. Dezember 2022

Trailer zum Film „She said“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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