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Beau (Joaquin Phoenix) hat vor vielen Dingen Angst. Die Gegend, in der er lebt, ist voller krimineller Energie, so dass er sich nicht mal in seiner eigenen Wohnung sicher fühlt. Hinzu kommt, dass er sich auf eine Reise zum Geburtstag seiner dominanten Mutter Mona (Patti LuPone) begeben muss. Als sich die Fahrt durch unerwartete Ereignisse verschiebt, kommt es zu einem Unfall. Daraufhin muss Beau so schnell wie möglich in seine Heimat zurück. Immer wieder stellen sich ihm dabei Hindernisse in den Weg, u.a. wird er von dem Ehepaar Roger (Nathan Lane) und Grace (Amy Ryan) angefahren und landet bei einer Theatertruppe, welche in einem Wald ihre eigenwillige Vorstellung präsentiert.
Der amerikanische Regisseur Ari Aster (*1986), der 2018 mit „Hereditary – Das Vermächtnis“ das Publikum überraschte und so euphorisch stimmte, dass gleich eine neue Ära des Horrorfilms ausgerufen wurde, erzählt in seinem dritten Langfilm vor allem von einem von Angst und Neurosen gestörten Mann. Man kann den 179 Minuten langen Film in drei Teile gliedern. Im ersten Teil erleben wir die Welt, wie Beau sie sieht. Seine Umgebung ist dabei äußerst feindlich und gefährlich. Die Zustände auf den Straßen vor seiner Haustür haben bürgerkriegsähnliche Ausmaße. Davon wird man als Zuschauer:in immer wieder überrumpelt, fragt sich, was davon Realität ist und begreift, wie die Welt aus der Sicht eines sehr ängstlichen und möglicherweise auch traumatisierten Menschen aussehen könnte. Im zweiten Teil übernimmt eine Theaterszene die Führung und führt den Film in etwas Traumartiges über. Der dritte Teil, der als Auf- und Erlösung gedacht ist, führt einen tief in das Mutter-Sohn-Verhältnis, was für den ganzen Schrecken verantwortlich ist. So unterschiedlich die erzählerischen Episoden gestaltet sind, formal genauso wie sie sich verschiedenen Genre zuordnen lassen, so unterschiedlich stark sind ihre Qualitäten. Der erste Teil ist ein Höllen-Trip, der das Publikum auf eine atemlose Horror-Achterbahn mitnimmt. Die gesellschaftliche Kritik, die drin steckt, ist erkennbar, aber genauso die Fabulierlust. Doch ab den Szenen im Wald verliert sich die Geschichte immer mehr und gipfelt in einem spannungslosen Höhepunkt zwischen Mutter und Sohn. So fängt der Film stark und mit vielen guten Einfällen an, verliert sich dann aber in einem psychologisierenden Vexierspiel und das noch ganz unnötigerweise mit seltsamen Genre-Elementen wie einem Riesen-Penis.
Das führt uns gleich zur Inszenierung des Films. Die Ausgestaltung ist gerade am Anfang authentisch, schmutzig und überhöht und untermalt die Geschichte perfekt. Auch die Theaterszenen, zwischen Kulissen und realen Bildern wandernd, schmiegen sich gut ein. Auch wird das Bild der Endszene auf dem See in Erinnerung bleiben. So wird Aster hier größtenteils seinem Ruf gerecht und erschafft albtraumhafte Bilder, ohne sich wirklich komplett einem Genre zuzuschreiben. In diesen Welten bewegt sich der Cast souverän. Besonders eindrücklich bleibt das Spiel von Amy Ryan („Jack in Love“ (2010)) und Nathan Lane („The Birdcage“ (1996), „American Crime Story – The People v. O. J. Simpson“ (2016)) in Erinnerung, die zwischen Gutherzigkeit, Snobismus und Trauerbewältigung gefangen sind. Joaquin Phoenix („8mm“ (1999), „Walk the Line“ (2005)) beweist hier wieder einmal nach „A Beautiful Day“ (2018) und „Joker“ (2019) seine Wandlungsfähigkeit. Der Schauspieler, der schon oft auch starke, bärtige Typen verkörpert hat, wirkt hier absolut traumatisiert und verletzlich. Sein Kampf gegen die vermeintlichen Bedrohungen wirkt von Anfang an verloren, sodass der Titel mehr als treffend aussagt, worum es hier eigentlich geht. Im Gesamten ist Ari Aster ein etwas zu langes, zu stark ins Psychologisierende abdriftendes Mystery-Drama gelungen, das die Zuschauer:innen gerade in der ersten Hälfte noch sehr in den Bann ziehen kann, aber leider ähnlich unbefriedigend endet, wie schon die Spielfilme davor, bei denen bei der Auflösung zu sehr auf klassische Vorbilder zurückgegriffen wurde.
Fazit: „Beau is afraid“ ist der dritte Spielfilm von Ari Aster. Diesmal resultiert der Horror in seiner Geschichte aus den Ängsten, Halluzinationen und Traumata seines titelgebenden Helden, den Joaquin Phoenix mit sehr viel Nahbarkeit spielt. Der Verlauf der Geschichte ist dabei nicht vorhersehbar und überzeugt mit einem angsterfüllten Blick auf die Welt. Doch leider konnte die Kraft der ersten Hälfte nicht gehalten werden. Hier hätte etwas mehr Kürze und das Treubleiben des anfänglichen Stils den Film rund gemacht. Doch trotz allem ist „Beau is afraid“ ein verrückter Trip, auf den man sich ruhig mal einlassen kann.
Bewertung: 6,5/10
Kinostart: 11. Mai 2023 / DVD-Start: –
Trailer zum Film „Beau is Afraid“:
geschrieben von Doreen Kaltenecker
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über den Film „Beau Is Afraid“
- Podcast Happy Hour, ‚‘Beau Is Afraid’ and living a nightmare : Pop Culture Happy Hour : NPR‘, npr.org, 2023
- Podcast Deutschland Funk Nova, ‚Freudianischer Horrortrip: Ari Asters “Beau is Afraid”‘, deutschlandfunkkultur.de, 2023
- Ray Magazin, Ausgabe 5/23/ S. 58-63: “Here comes Ari” von Jakob Dibold
- Alexandra Seitz, ‚Kritik zu Beau Is Afraid‘, epd-film.de, 2023