Sieben Fragen an Brett Allen Smith

Doreen Kaltenecker
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Ariel Cohen

Interview: Im Gespräch mit dem amerikanischen Regisseur Brett Allen Smith konnten wir mehr über seinen Kurzfilm „Au Revoir, Pugs“ erfahren, der auf dem 66. DOK Leipzig 2023 seine Weltpremiere feierte, wie es war, bei einem Animationsworkshop teilzunehmen, welche Wege der Inszenierung er kennengelernt hat und warum er seinen Film nicht gern in eine Schublade stecken möchte.

The original english language interview is also available.

Kannst Du mir mehr zum Ursprung Deines Kurzfilms erzählen?

Als ich geboren wurde, hatte meine Familie zwei kleine Möpse. Diese Hunde machen den Großteil meiner frühesten Erinnerungen aus, darunter ein oder zwei besonders lebhafte Erinnerungen. Und jetzt, da ich vor kurzem selbst Vater geworden bin, sehe ich meinen kleinen Sohn mit meinem eigenen kleinen Mops spielen. Es fühlt sich unheimlich an, den beiden dabei zuzusehen, wie sie in gewisser Weise meine eigene Kindheit nachspielen. Aber je mehr ich mich mit meinen Erinnerungen beschäftigte, desto mehr stellte ich sie auch in Frage. Erinnerungen können ziemlich irreführend sein, weißt du? 

Der Film selbst entstand sehr kurzfristig während eines 10-tägigen Aufenthalts in Rom namens Nouvelle Bug, der von einem sehr talentierten Filmemacher namens Andrea Gatopoulos geleitet wurde. Es handelte sich um einen Workshop, in dem Filmtechniken für Videospiel-Engines vermittelt wurden. Da ich meistens auf Film drehe, war ich, um ehrlich zu sein, ziemlich verunsichert! Ein anderer Teilnehmer half mir, eines der Videospiele zu ‚hacken‘  – und durch einen verrückten Zufall fand ich mich in dem Spiel als Mops wieder! Das war bald ein sehr seltsames Gefühl. Es fühlte sich an, als würde ich die Geister der Hunde aus meiner Kindheit wiederbeleben. Ein paar Tage später – dank der Deadlines des Workshops! – war der Film fertig.

Für mich ist Dein Film schlecht in eine Schublade zu packen – er ist dokumentarisch, teilweise animiert und wirkt stellenweise experimentell. Wie würdest Du Deinen Film selber verorten?

Ich danke dir! Um ehrlich zu sein, verzichte ich auf diese Bezeichnungen, wenn ich weiter Filme mache. Ich fürchte, dass die Erwartungshaltung, etwas als „Dokumentarfilm“ oder „experimentelles“ Werk zu deklarieren, etwas schädlich sein kann. Das soll nicht heißen, dass das Filmemachen nicht auch mit einer gewissen Ethik verbunden ist. Aber ich betrachte diesen Film und meine aktuelle Arbeit hauptsächlich als „Spiel“.

Das ist dein erster Ausflug ins Animationsfach, richtig? Du hast für die Animationen auch verschiedene Techniken verwendet. Was lag Dir dabei visuell am Herzen?

Dies war meine erste Erfahrung mit der Erstellung von Animationen jeglicher Art. Fast alle Animationen im Film wurden in irgendeiner Form analog erstellt. Zum Beispiel begannen einige Schlüsselszenen mit Material aus einer modifizierten Videospiel-Engine – aber statt eines Screengrabs filmte ich meinen Computerbildschirm buchstäblich mit einer schrecklichen, niedrig auflösenden Kamera und invertierte dann die Farben mit einem kostenlosen Adobe-Plug-in. Manchmal wiederholte ich diesen Vorgang mehr als einmal und filmte die Ergebnisse erneut mit einer anderen Kamera. Nur um zu schauen, was dabei herauskommt. Da mein Computerbildschirm auch sehr schmutzig und staubig ist, wirkten die endgültigen Aufnahmen wie eine wunderschöne, leuchtende Sternenlandschaft – und das alles nur wegen meines schmutzigen Computerbildschirms! Ein großer Teil des Materials wurde auch mit 35-mm-Film gedreht, animiert als Stop-Motion, dank einer wirklich unglaublichen Kamera namens LomoKino.

Mit welchen Mitteln und in welcher Teamgröße konntest Du den Film realisieren?

Der Workshop bot einige wichtige intellektuelle Unterstützung in Form von Tutoren, die Experten in diesem aufstrebenden Bereich des Machinima-Films sind, wie Total Refusal [Anm. d. Red. „How to Disappear“ (2020), „Hardly Working“ (2022)]. Einer der Teilnehmer, ein erstaunlich talentierter Künstler namens Théo Chikhi, hat viel von seiner Zeit geopfert, um mir bei den technischen Aspekten der Videospiel-Engines zu helfen und einige Mods zu erstellen, die ich in den Animationen verwendet habe. Ohne ihn würde es den Film nicht geben. Aber abgesehen davon habe ich den Film ganz allein gemacht. Ich habe sogar gelernt, wie ich mein eigenes DCP [Anm. d. Red. ein Digital Cinema Package enthält den Film passend für das Kino formatiert] für die Premiere bei DOK Leipzig erstellen kann!

Da dies ein sehr persönlicher Film ist, hier noch die Frage, hat sich nach der Fertigstellung etwas für Dich geändert?

Das Einzige, was sich jemals ändert, ist vielleicht ein etwas tieferes Verständnis von sich selbst. Was machen wir mit diesem neuen Verständnis? Alles und gar nichts, nehme ich an.

Kannst Du mir noch ein bisschen von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Wie bei so vielen Filmemachern wurde aus der Liebe zum Ansehen von Filmen unweigerlich die Liebe zum Filmemachen. Ich studierte Filmproduktion an der Florida State University (wo wir das Glück hatten, die Arbeit mit 16mm zu lernen!) und lebte dann einige Jahre in Los Angeles. Ich arbeitete bei Sony in der Film- und TV-Entwicklung, schrieb ein Drehbuch (das nicht produziert wurde) für ein anderes großes Studio, drehte einige Kurzfilme und stellte sogar einen kleinen Mikrobudget-Spielfilm zusammen, den ich schrieb und bei dem ich Regie führte. Aber um ehrlich zu sein, fehlte mir bei all dem etwas. Das nächste Kapitel meines Lebens verbrachte ich damit, als ausländischer Fernsehjournalist in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens zu arbeiten. Vor allem im Irak, in Israel und Palästina. Aber auch hier fehlte mir etwas. Ich machte mir Sorgen, dass ich das Filmemachen nicht mehr wirklich liebte. Aber 2022 hatte ich eine der unglaublichsten und wichtigsten Erfahrungen meines Lebens, nämlich einen Workshop im Amazonasdschungel mit dem thailändischen Filmemacher Apichatpong Weerasethakul. Er half mir, die Freude am Filmemachen wiederzuentdecken, die man leider leicht vergisst.

Sind bereits neue Projekte geplant?

Brett Allen Smith auf dem 66. DOK Leipzig

Es ist nicht leicht, Elternschaft und mein sehr teures ‚Hobby‘ Filmemachen unter einen Hut zu bringen! Aber ich habe ein paar Kurzfilme, die ich hoffentlich bald fertigstellen kann, und dann ein Spielfilmprojekt, das ich seit etwa eineinhalb Jahren drehe. Es gibt viel zu schneiden.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Au Revoir, Pugs


Interview: In conversation with American director Brett Allen Smith, we learned more about his short film „Au Revoir, Pugs„, which celebrated its world premiere at the 66th DOK Leipzig 2023, what it was like to take part in an animation workshop, what ways of staging he learned and why he doesn’t like to pigeonhole his film.

Can you tell me more about the origin of your short film?

When I was born, my family had two little pugs. Those dogs make up the majority of my earliest memories, including one or two especially vivid memories. And now, recently becoming a parent myself, I see my infant son playing with my own little pug. It feels uncanny, watching them play out my own childhood in a way. But the more I revisited my memories, the more I also came to question them. Memories can be pretty misleading, you know? 

The film itself actually came together very quickly in a 10-day residency in Rome called Nouvelle Bug, run by a super talented filmmaker named Andrea Gatopoulos. It was a workshop teaching cinematic techniques within video game engines. I mostly shoot on film, so to be honest, I was pretty baffled! A fellow participant helped me kind of „hack“ one of the video games – and in a crazy coincidence, I found myself playing the game as a pug! That was soon a very weird feeling. It felt like I was reviving the ghosts of my childhood dogs. A few days later – thanks to the deadlines of the workshop! – the film was done.

For me, your film is hard to categorize – it’s documentary, partly animated and seems experimental in places. How would you categorize your film yourself?

Thank you! To be honest, I’m kind of abandoning these labels as I continue making films. Personally I worry that the expectations of declaring something a „documentary“ or an „experimental“ work can be somewhat toxic. Not to say there aren’t ethics tied to filmmaking. But I mostly look at this film, and my current work, as „play.“

This is your first foray into animation, right? You also used different techniques for the animations. What was important to you visually? 

This was my first experience making any kind of animation. Nearly all the animations in the film involved some kind of analogue process. For example, a few key shots started with footage from a modified video game engine – but instead of a screengrab, I literally filmed my computer screen with a terrible, low-definition camera, then inverted the colors with a free Adobe plug-in. Sometimes I repeated this process more than once, and would film the results again with a different camera. Just to see. Because my computer screen is also very very dirty and dusty, the final shots had the effect of a beautiful, glowing starscape – all because of my gross computer screen! A lot of the material was also made using 35mm film, animated as stop motion, thanks to a really incredible camera called a LomoKino. 

With what means and in what team size were you able to realize the film?

The workshop offered some key intellectual support in terms of tutors who are experts in this emerging field of machinima filmmaking, like Total Refusal. One of the participants, an amazingly  talented artist named Théo Chikhi, donated a lot of his own time to help me navigate the technical aspects of the video game engines and create some mods I used in the animations. Without him the film wouldn’t exist. But other than that, I did the film entirely alone. I even learned how to make my own DCP for the premiere in DOK Leipzig!

As this is a very personal film, did anything change for you after it was finished?

The only thing that ever changes is, perhaps, a slightly deeper understanding of oneself. What do we do with this new understanding? Everything and nothing at all, I suppose.

Can you tell me a bit more about yourself and how you came to film?

Like so many filmmakers, a love of watching films inevitably became a love of making them. I studied film production at Florida State University (where we were lucky enough to learn how to work with 16mm!), then was in Los Angeles for a few years. I worked at Sony in film and TV development, wrote a screenplay (unproduced) for another major studio, made some shorts, and even put together a small microbudget feature film that I wrote/directed. But to be honest, it was all missing something for me. I spent the next chapter of my life working as a foreign TV journalist in Middle East war zones. Iraq, Israel and Palestine mostly. But again, there was something missing for me. I became worried that I didn’t really love filmmaking anymore. But in 2022 I had one of the most incredible and important experiences of my life, which was a workshop in the Amazon jungle with Thai filmmaker Apichatpong Weerasethakul. He helped me rediscover the pleasure of making films, which is sadly an easy thing to forget.

Are there any new projects planned?

Juggling parenthood with my very expensive filmmaking „hobby“ is not easy! But I have a few shorts I hope to finish up soon, and then a feature project I’ve been shooting for about a year and a half. Lots of editing to do.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film „Au Revoir, Pugs

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