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Aufführungsbericht: 1749 wars, als Gotthold Ephraim Lessing sein Lustspiel „Die Juden“ schrieb. Dreißig Jahre vor seinem „Nathan“ umreißt „Die Juden“ bereits die Themen und Einsichten, die auch das humanistische Alterswerk prägen.

Boris Jacoby als idealer Jude und Hanna Jürgens als junge und überdrehte Baronentochter (c) Braunschweiger Zeitung
2003 hatte das Stück Premiere in der Inszenierung des legendären George Tabori. Schon die vielen Jahre, die sich die Inszenierung auf der Bühne hält, zeugen von ihrer Qualität und Beliebtheit.
Inhalt: Ein Reisender rettet einen reichen Baron vor zwei Räubern. Der dankbare Baron nötigt seinen Retter, eine Zeitlang bei ihm zu bleiben. Dessen rotziger, fauler Diener Christoph ist begeistert: In einem Schloss bleiben ist so viel bequemer, und die Magd ist verlockend hübsch. Der Reisende selbst will eigentlich lieber weiter. Das ändert sich, als er die schöne und interessierte Tochter seines Gastgebers kennenlernt.

Der Überfall (c) Bernd Uhlig
Und noch jemanden lernt er kennen: Den Gutsverwalter des Barons. Beide waren sich schon einmal begegnet, aber das weiß nur der Letztere sicher. Denn bei dem Überfall auf den Baron hatten der Gutsverwalter und sein Komplize sich verkleidet. Als Juden natürlich, die sind generell verdächtig, weil die immer gleich verdächtigt werden. Auch wenn den Reisenden schnell ein Verdacht hinsichtlich des Verwalters beschleicht, bemerkt er doch nicht, wie der ihm die Tabaksdose stiehlt.
Der Baron indes setzt die Magd Lisette darauf an, herauszubekommen, wer der Gast und Retter ist. Nach damaligen Verhaltensregeln fragte man den Gast nicht einfach so danach. Lisette bezirzt plump und erfolgreich dessen Diener Christoph. Obendrein lockt sie ihn mit einer Tabaksdose, die sie zuvor vom lüsternen Verwalter bekommen hatte. Christoph fantasiert sich einen Adligen auf der Flucht zusammen, der im Liebesduell den Gegner erschossen hatte. Den Baron erfreut es, schließlich hat er eine heiratsfähige Tochter.
Dann findet der Reisende seine Tabaksdose in den Händen des Dieners, was erst zu großer Verwirrung und dann zur glücklichen Aufklärung des ganzen Kriminalfalls führt. Zum Schluss sitzen alle friedlich beim Tee. Wer hätte auch ahnen können, dass es sich nicht um echte Juden gehandelt hätte, wo die doch sonst nur Böses im Sinn haben, sinniert der Baron. Da platzt es dem sonst so zurückhaltenden Reisenden heraus: Er selbst ist Jude.

George Tabori in seinem Ohrensessel (c) picture alliance/ dpa/ Jens Kalaene
So auch George Tabori, der geborene Ungar (1914-2007). Im Bühnenbild aus grünem Kunstrasen und darum herum gestellten Stühlen ist er immer noch präsent, denn sein roter Ohrensessel fehlt nicht in der Reihe. Ein Video-Einspieler einer Probenaufnahme zeigt ihn im Sessel. Dass dieses Video rein als Verbeugung vor Tabori dient und nicht zur eigentlichen Inszenierung gehört, ist anfangs nicht klar. So hat man Angst, es mit einer auf modern getrimmten Theatercollage zu tun zu haben.

Therese Affolter als Lisette (c) Monika Rittershaus
Doch schnell wird klar, dass hier der Regisseur ganz dem klassischen Text und seinen Schauspielern vertraut. Direkt als Seltenheit fallen die historischen Kostüme auf – ein Genuss! Zum Genießen sind auch die Auftritte der Therese Affolter als quirlige und hemdsärmelige Magd Lisette. Zum Schluss söhnt sie sich mit Christoph aus. Auch der Jude und der durch Erfahrung eines Besseren belehrte Baron versöhnen sich bei Lessing.
Damit das Ganze aber nicht gar zu sehr in ein süßliches „Und wenn sie nicht gestorben sind“ mündet, ändert Tabori das Ende. Nur um eine Nuance. Denn von der Picknickdecke des Versöhnungstees stehen alle auf, nur der Jude bleibt sitzen. Der Baron erkennt den Juden zwar als guten Menschen an, zieht aber seine Tochter weg von ihm. Ein geeigneter Schwiegersohn ist er bei aller Tugend (so perfekt, dass er manchmal zum Abziehbildhaften neigt) doch nicht. Der ideale Jude versteht auch das, bis im Schlussbild der Zorn ihn doch dazu bringt, die Decke mit dem Teegedeck davonzuschleudern.
Schau ich mir die Juden an
hab ich wenig Freude dran.
Fallen mir die andern ein
bin ich froh ein Jud zu sein.
Albert Schweitzer
Fazit: Lessings weniger bekanntes Lustspiel ist in Taboris Fassung nur behutsam verändert worden. So brachte er ein eigenes Gedicht ein, aber auch den schönen Vierzeiler von Albert Schweitzer. All das korrigiert die etwas unbeholfene Figurenzeichnung und das wirklich zu idealistische Happy End. Wer kann, sollte die Inszenierung des großen Herrn des Theaters Tabori ansehen, so lange das noch möglich ist. Es lohnt sich in vielerlei Hinsicht.
Geschrieben von Katrin Mai