„The Trial of the Chicago 7“ (2020)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der von Aaron Sorkin geschriebene und Regie geführte Spielfilm „The Trial of the Chicago 7“ (OT: „The Trial of the Chicago 7“, USA, 2020) gehört mit seinen sechs Nominierungen zu den Favoriten der 93. Oscarverleihung und bietet einen gelungenen Blick auf historische Ereignisse und gleichzeitig auf die heutige Gesellschaft Amerikas.

Während des Parteitags der Demokratischen Partei im Jahr 1968 versammeln sich unzählige Demonstrationen in Chicago um für das Ende des Vietnamkrieges zu demonstrieren. Viele verschiedene Organisationen und Gruppierungen haben zum Protest aufgerufen, u.a. die Studentenbewegung ‚Students for a Democratic Society‘ mit den Anführern Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Rennie Davis (Alex Sharp) und auch die Yippies mit Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) und Jerry Rubin (Jeremy Strong) sind wie viele andere Menschen angereist. Darunter befinden sich auch Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen II), ein Black Panther, sowie Lee Weiner (Noah Robbins) und John Froines (Daniel Flaherty) und der MOBE-Aktivist David Dellinger (John Carroll Lynch). Alle eint die Absicht einer friedlichen Demonstration, doch durch das falsche Vorgehen der Polizisten kommt es zu einer Eskalation. Sieben Monate lang werden die acht vor Gericht gestellt. Ermöglicht wurde dies durch den neu ins Amt gesetzten Justizminister John Mitchell (John Doman), der  Richard Schultz (Joseph Gordon-Levitt) und Tom Foran (J.C. MacKenzie) als Staatsanwälte einsetzt, um mit dem Fall bei dem konservativen Richter Julius Hoffman (Frank Langella) scheinbar offene Türen einzurennen. So sieht es schlecht aus für die Angeklagten, deren ganze Hoffnungen auf den Bürgerrechtsanwälten William Kunstler (Mark Rylance) und Leonard Weinglass (Ben Shenkman) liegen. 

NICO TAVERNISE/NETFLIX © 2020

Caitlin Fitzgerald, Alan Metoskie, Alex Sharp, Jeremy Strong, John Carroll Lynch, Sacha Baron Cohen und Noah Robbins

Der Regisseur Aaron Sorkin, der u.a. für die Serie „West Wing – Im Zentrum der Macht“ (1999-2006) und das Drehbuch zu dem Film „The Social Network“ (2010) bekannt ist, rekonstruiert hier in seinem dritten Regiewerk einen realen Gerichtsprozess aus dem Jahr 1969, erzählt damit lebendige Zeitgeschichte und liefert gleichzeitig ein Statement zur aktuellen Situation im Land ab. Es geht in dem Film um ein zerrissenes Land zwischen Links und Rechts, um das Ausnutzen von politischer Macht und fadenscheinige Prozesse, um diese zu stärken. Die Freiheit auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit steht hier ebenso im Fokus wie der Umgang mit den Demonstranten, der Einsatz von Polizeigewalt und wie von Oben versucht wird, Probleme zu bereinigen. Auch Rassismus ist ein großes Thema in dem Film und wird vor allem von dem achten Angeklagten Bobby Seale von den Black Panthers, der seinen eigenen Prozess bekommen will, in den Fokus gesetzt. All das setzt Sorkin, der auch hierfür das Drehbuch schrieb, in einen spannenden Film um. Er ist dabei vor allem ein Gerichtsdrama, das mit Rückblenden die Ereignisse rekonstruiert. Dadurch bekommen die ZuschauerInnen zusammen mit den Geschworenen immer mehr Einblick in den Fall, so dass sie sich selbst ihr eigenes Urteil bilden können. Die Balance zwischen Gerichtsverhandlung und den eigentlichen Ereignissen wird dabei wunderbar in Balance gehalten, sodass der Film niemals langweilig oder trocken ist. Sorkin weiß mit viel Spannung und einem hohen Unterhaltungsfaktor Zeitgeschichte zu erzählen.

Niko Tavernise/NETFLIX © 2020

Kelvin Harrison Jr.

Umgesetzt ist der Film in wunderbarer Kinoqualität. Mit seiner Rückblendenstruktur bringt er das Geschehen immer wieder weg vom Gerichtssaal und zeigt die Proteste auf den Straßen. Dies lockert nicht nur die Erzählung auf, sondern funktioniert hier auch auf visueller Ebene hervorragend. Auch werden die Orte gezeigt, Regierungszimmer und Uni-Säle, an denen die Ideen entstanden sind oder die Pläne geschmiedet wurden. Dabei wird die Zeit wunderbar von Ausstattung, Locations und Kleidung eingefangen. Auch die dokumentarischen Archivmaterialien, welche eingewebt wurden, unterstreichen den authentischen Charakter. Zugleich ist die Bildsprache geprägt von gelungenen Kameraeinstellungen, welches das Getümmel auf den Straßen gut einfangen und gleichzeitig den Figuren genug Raum zur Entfaltung gibt. Natürlich trägt auch der Cast wesentlich zum Gelingen des Films bei. Die Rollen wurden hervorragend besetzt, allen voran fallen natürlich Eddie Redmayne („Les Miserables“ (2012), „The Danish Girl“ (2015)) und Sacha Baron Cohen („Borat“ (2006), „Sweeney Todd“ (2007), „Les Miserables“ (2012)), der hierfür auch als ‚Bester Nebendarsteller‘ nominiert ist, als Anführer auf. Aber auch die Rollen der Staatsdiener sind großartig besetzt. Das Ping-Pong zwischen Verteidiger – Mark Rylance („Bridge of Spy“ (2015), „Ready Player One“ (2018)), Richter – Frank Langella („Frost/Nixon“ (2008)) und dem Staatsanwalt – Joseph Gordon-Levitt („Inception“ (2010), „The Walk“ (2015)) ist hervorragend und es macht wahre Freude dabei zuzusehen. Hinzu kommt die gelungene musikalische Untermalung mit einem Soundtrack der drei Songs der Künstlerin Celeste enthält, wobei ‚Hear My Voice‘ für den Oscar als ‚Bester Filmsong‘ nominiert ist. Durch und durch findet der Regisseur Aaron Sorkin für seinen Film das richtige Gewand, was Realitätsnähe genauso wie das Gespür fürs cineastische Erzählen betrifft. 

Niko Tavernise/NETFLIX © 2020

Joseph Gordon-Levitt (Mitte)

Fazit: Der Spielfilm „The Trial of the Chicago 7“ rekonstruiert eine Gerichtsverhandlung von 1969, bei der acht junge Männer angeklagt wurden und an ihnen ein symbolischer Akt vollzogen werden sollte. In diesem Stück Zeitgeschichte stecken viele Themen wie Machtmissbrauch, Rassismus und das Auflehnen gegen das etablierte System. All das verpackt Regisseur und Drehbuchautor Aaron Sorkin in ein ansprechendes Gewand, in dem sich Spannung, Ernsthaftigkeit und Humor die Hand reichen und wunderbar Rückschlüsse auf das heutige Amerika ziehen lassen. Mit seinen sechs Oscar-Nominierungen gehört er zu Recht zu den großen Favoriten der diesjährigen Oscarverleihung und kann sich bestimmt der einen oder anderen Trophäe sicher sein.

Bewertung: 8/10

Trailer zum Film „The Trial of the Chicago 7“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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