„Vice – Der zweite Mann“ (2019)

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Filmkritik: Der amerikanische Regisseur Adam McKay hat sich jahrelang auf Komödien mit Will Ferrell in der Hauptrolle spezialisiert u.a. „Der Anchorman“ (2004) und „Stiefbrüder“ (2008), hat sich dann aber 2015 mit „The Big Short“ quasi neu erfunden. Mit viel Witz und einer leichtfüßigen Inszenierung beschäftigte er sich mit der Bankenkrise und schaffte es dieses Thema jedem zugänglich zu machen und gleichzeitig scharfe Kritik zu üben. Mit seinem neuesten Spielfilm „Vice – Der zweite Mann“, der 2019 für acht Oscars nominiert war, wendet er sich nun der Politik zu und erzählt vom Leben und Wirken Dick Cheneys auf seine nun neu etablierte, wunderbare Art.

Christian Bale
© Universum Film

Nachdem Dick Cheney (Christian Bale) von seiner Frau Lynne  (Amy Adams) den richtigen Anstupser bekam, arbeitet er sich mit seinen chamäleonhaften Fähigkeiten schnell die Karriereleiter nach oben. So wird er durch seine früh geknüpften Kontakte zu Donald Rumsfeld (Steve Carell) unter Gerald Ford (Bill Camp) der jüngste Stabschef des Weißen Hauses. Nach der Wahlniederlage Fords mausert sich Cheney, trotz einiger gesundheitlicher Probleme zu einem der einflussreichsten Politiker der 80er Jahre. Das verschaffte ihm unter George Bush den Posten des Verteidigungsministers und unter dessen Sohn, George W. Bush (Sam Rockwell) die Stelle des Vizepräsidenten. Dabei übernimmt er dieses eher formale Amt nicht so, wie es ist, sondern erweitert es nach seinen Gunsten um Verwaltung, Militär-, Energie- und Außenpolitik, so dass er mehr Einfluss auf die amerikanische Geschichte nehmen konnte, als je ein Vizepräsident zuvor.

Amy Adams, Christian Bale
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Adam McKay (*1968) erzählt in seinem 123-minütigen Spielfilm, für den er auch das Drehbuch schrieb, aus dem Leben des Politikers Dick Cheney. Der 1941 geborene amerikanische Politiker mischte sich von 1975 bis 2009 in die Staatsgeschäfte ein und blieb trotzdem stets unauffällig im Hintergrund. Wie er zu dieser Laufbahn kam, warum er selbst nie für das höchste Amt kandidierte und wie weit ihn seine Familie dabei unterstützte, erzählt nun dieser Spielfilm. Der Film bleibt nah an wahren Begebenheiten der jüngeren, amerikanischen Geschichte und liefert so eine souveräne Geschichtsstunde für all diejenigen, die nicht viel Ahnung haben oder gut zusammengefasste Portraits mögen. Er ist dabei keine trockene Geschichtsstunde, wie man es bei solch einem Thema befürchten könnte, sondern besticht mit guten Ideen, einem schnellen Tempo und gut platziertem Humor. Das was McKays aktuelle Filme so interessant macht, sind die außergewöhnlichen Inszenierungen. Mit kreativen Ideen und einem gut vorgelegten Tempo, bei dem man trotzdem das Gefühl hat, dass sich alles zu einem wunderbaren Gesamtbild fügt und man nichts verpasst, ist der Film Portrait, Geschichte und Gesellschaftskritik in einem. Dass McKay dies alles so mühelos vereinen kann, liegt an der satten Portion Humor, die teilweise aus der treffsicheren Darstellung der Charaktere resultiert und zudem durch den starken Dialog- und Wortwitz evoziert wird. Ja sogar die Dreistigkeit besitzt an manchen Stellen etwas Humoristisches, doch der Film zieht die Ereignisse nie ins Lächerliche sondern lässt einem das Lachen im Hals stecken bleiben, indem er das schonungslose Vorgehen treffsicher einfängt und die Konsequenzen ebenfalls in Szene setzt.

Amy Adams, Christian Bale, Steve Carell
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Dass der Film so wunderbar funktioniert, verdankt er auch seinem großartigen Ensemble, welches die historischen Persönlichkeiten wunderbar zum Leben erwecken. Allen voran natürlich Christian Bale (*1974), der sich für diese Rolle 15 kg angefuttert hatte. Mit der gelungenen Maske, welche als einzige einen Oscar erhielt, wurde er komplett zu Dick Cheney, so dass man von Zeit zu Zeit den Schauspieler dahinter vergisst. Bale, der sein Talent nicht nur in den „Batman“-Filmen (2005, 2008, 2012) bewiesen hat, sondern in Filmen wie „The Machinist“ (2004), Prestige – Die Meister der Magie“ (2006) und „American Hustle“ (2013) seine körperliche wie schauspielerische Anpassungsfähigkeit präsentierte, taucht in die Rolle des Politikers voll ein und hätte sich das Oscar als ‚Bester Hauptdarsteller‘ mehr als verdient. Mit Amy Adams (bekannt aus „Arrival“ (2016), „Big Eyes“ (2014) und „Die Muppets“ (2011)) bekam er die perfekte Partnerin an die Seite gestellt. Aber auch alle anderen Rollen wurden wunderbar besetzt: So überzeugen Steve Carell (ebenfalls ein sehr wandlungsfähiger Darsteller u.a. „Foxcatcher“ (2014)) als Haudrauf Rumsfeld und Sam Rockwell (letztes Jahr mit einem Oscar für „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ (2017) ausgezeichnet) als junger George W. Bush. Dabei schaffen es alle Darsteller ihre historischen Personen nicht zu karikartieren, sondern treffsicher einzufangen und die Schwächen aufzuzeigen und warum die Geschichte so ihren Lauf nahm. Abgerundet wird das ganze von der stimmigen Musikuntermalung, dem temporeichen Schnitt und der passenden Kameraführung. Trotz eines gewissen Hollywood-Touchs wirken die Szenen authentisch und überzeugen mit Ausstattung, Kostümen und Location-Wahl. Rundherum ist dem Regisseur Adam McKay ein gelungener Politfilm mit beißender Kritik und faszinierendem Charme gelungen.

Sam Rockwell
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Fazit: „Vice – Der zweite Mann“ ist Adam McKays neuester Streich nach dem hochgelobten „The Big Short“ und erzählt von der politischen Laufbahn Dick Cheneys. Erstklassig mit Christian Bale, Amy Adams und vielen weiteren Stars besetzt, überzeugt er mit seiner informativen Geschichte in einem modernen Gewand, das die Sehgewohnheiten und den Humor der heutigen Generationen aufnimmt und zeigt, dass Politkino nicht trocken oder gar langweilig sein muss, sondern es mit Leichtfüßigkeit schaffen kann, ein starkes Statement abzugeben.   

Bewertung: 8/10

Kinostart: 21. Februar 2019 / DVD-Start: 28. Juni 2019

Trailer zum Film „Vice – Der zweite Mann“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

Ein Gedanke zu “„Vice – Der zweite Mann“ (2019)

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