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1987 / 59. Oscarverleihung / 8 Nominierungen / 4 Auszeichnungen
Im Jahr 1967 meldet sich Chris Taylor (Charlie Sheen) freiwillig zum Militäreinsatz in Vietnam. Dort angekommen wird er einem Platoon unter der Leitung des Leutnants Wolfe (Mark Moses) zugeteilt, welches dafür zuständig ist, die Vietcong an vorderster Front zu bekämpfen. Der Zug wird durch die beiden Sergeants Elia (Willem Dafoe) und Barnes (Tom Berenger) angeführt. Zuerst ganz auf der Seite Barnes, erkennt Chris immer mehr die Wahrheit und Ungerechtigkeit in diesem Krieg und wendet sich Elias’ Truppe zu. Der Krieg, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint, tobt weiter und fordert dabei viele Opfer.
Der Regisseur Oliver Stone, geboren am 15. September 1946 in New York City, hat den Film geschrieben und realisiert. Er hat schon früh angefangen Stücke und Geschichten aufs Papier zu bringen, spricht fließend französisch und hatte beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium. Doch dieses brach er ab und meldete sich freiwillig zum Vietnamkrieg. Aufgrund seiner äußerst patriotischen Einstellung hielt er es für die richtige Entscheidung, stellte aber schnell fest, dass es ein Fehler war. In den 15 Monaten, in denen er auf einem Fronteinsatz bestand, wurde er zweimal verwundet und für seine Leistung mit dem Purple Heart und Bronze Star ausgezeichnet. Wie viele andere hatte er nach seiner Rückkehr Probleme sich zu integrieren und wurde sogar wegen Drogenbesitzes festgenommen. Doch das Filmstudium an der New York University zeigte ihm einen Weg heraus. Er begann Drehbücher zu schreiben, arbeitete sich immer weiter nach oben und hatte dann mit „12 Uhr nachts – Midnight Express“ (1978) seinen ersten Erfolg, für den er auch einen Oscar erhielt. Darauf folgten Drehbücher für die Filme „Conan der Barbar“ (1982) und „Scarface“ (1983). Mit „Die Herrscherin des Bösen“ (1974) gab er sein Regiedebüt. Auf der 59. Oscarverleihung 1987 war er gleich mit zwei Filmen und drei Nominierungen vertreten. Für seinen schonungslosen Film „Salvador“ (1986), der eine Abrechnung mit der US-Regierung darstellt und offiziell als kommunistisches Propagandawerk diffamiert wurde, war er in der Kategorie ‚Bestes Drehbuch‘ nominiert, ebenso wie für „Platoon“. Jedoch unterlag er dort Woody Allen, der für sein Skript für „Hannah und ihre Schwestern“ (1986) ausgezeichnet wurde. Doch der Regie-Oscar blieb ihm für „Platoon“ nicht verwehrt und markiert einen Wendepunkt in seiner Karriere. Bis heute macht Oliver Stone höchst politische Filme, löst regelmäßig mit Filmen wie „Natural Born Killers“ (1994), „Nixon – Der Untergang eines Präsidenten“ (1995) und „Snowden“ (2016) Kontroversen aus und gehört weiterhin, auch als bekennender Drogenkonsument, zu den Rebellen unter den großen Regisseuren.
Bereit 1975, also sieben Jahre nach dem Ende seiner Militärzeit und im Jahr des Kriegsendes schuf Oliver Stone das Drehbuch zu „Platoon“. Der Spielfilm stellt gleichzeitig auch den Anfang einer Vietnam-Trilogie dar, welche mit „Geboren am 4. Juli“ (1989) und „Zwischen Himmel und Hölle“ (1993) fortgeführt wurde. Dieser erste Film verarbeitet seine eigenen Erlebnisse und mit seiner Hauptfigur Chris schuf er sein Alter Ego. Dabei konzentriert er sich in seinem Film nicht auf die kriegerischen Handlungen, sondern vor allem auf das menschliche Miteinander. Er findet, 9.000 km von der USA entfernt, die gleichen unharmonischen Gesellschaftsverhältnisse und eine starke Hackordnung vor. Zudem wollte er in seinem Film der enormen Gewalt ein Gesicht geben und so erspart er dem Zuschauer in diesem Films nichts: Verletzungen (er selbst hat immer noch eine Narbe von einem Granatsplitter), Verstümmelung, Mord, Vertreibungen, Vergewaltigungen, Nervenzusammenbrüche und Drogenmissbrauch gehörten zur Tagesordnung des Krieges. Er brauchte viele Jahre, um für seine Geschichte den richtigen Geldgeber zu finden. Die britische Produktionsfirma Hemdale übernahm 1986 die Finanzierung, mit der er schon bei „Salvador“ zusammengearbeitet hatten. Zusammen setzten sie seine Idee des Films um, der abseits jeder Helden- oder Lagerfeuerromantik ist und den Kriegsalltag ungeschönt und mit Härte präsentiert. Dafür standen dem Film 6,5 Millionen Dollar zur Verfügung und er wurde in nur sechs Wochen auf den Philippinen abgedreht. Kurz bevor die Dreharbeiten starteten, wurden alle Darsteller von Captain Dye, der selbst eine kleine Rolle im Film spielt, durch eine 13-tägige Infanterie-Ausbildung gelost. Die Umsetzung auf visueller und tonaler Ebene fängt wunderbar das latente Gefühl der stetigen Bedrohung ein und setzt auf starke Authentizität. Dafür wurde Claire Simpson für den ‚Besten Schnitt‘ ausgezeichnet. Auch den Oscar für den ‚Besten Ton‘ konnte der Film gewinnen – fängt der Film die Geräuschkulisse doch sehr überzeugend und ins Mark gehend ein.
Für seinen Antikriegsfilm stellte Oliver Stone eine Riege von bekannten Gesichtern und Newcomern zusammen. Willem Dafoe, der vorher nur wenig gespielt hatte, gibt hier eine sehr gute Performance ab, die er hier und in vielen weiteren Nebenrollen, u.a. als Stammschauspieler bei Wes Anderson und in Filmen wie „The Florida Project“ (2017) immer wieder zum Besten gibt. Ihm gegenüber gestellt, als unterschiedliche Männer- und Vätertypen, ist Tom Berenger. Beide wurden für ihre Leistung in „Platoon“ mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Wer noch nie für diesen Preis nominiert war, ist der Hauptdarsteller Charlie Sheen. Der 1965 in New York geborene Schauspieler, Sohn von Martin Sheen und Bruder von Emilio Estevez, besuchte nie eine Schauspielschule, sondern bekam alles wichtige von seinem Vater selbst vermittelt, nachdem er sich gegen eine Baseball-Karriere und für den Beruf des Schauspielers entschied. Er fing seine Karriere mit vielen unterschiedlichen Rollen an, da er sich nie auf einem bestimmten Charakter festlegen wollte. Die größten Erfolge feierte er mit „Platoon“ und „Wall Street“ (1987) und vielen wird er mit „Hot Shots! – Die Mutter aller Filme“ (1991) im Gedächtnis geblieben sein. Danach begann er leider eine sehr begrenzte Fernsehkarriere mit „Two and a half Men“ (2003-2011) und „Anger Management“ (2012-2014) und beschränkte sich darauf, wie auch in „Charlies Welt – Wirklich nichts ist wirklich“ (2012), Variationen seiner selbst zu spielen, was ihm definitiv keinen Oscar mehr einbringen wird. Doch in „Platoon“ spielte er den Chris Taylor, die Rolle war ursprünglich für seinen Bruder gedacht, der bei Drehbeginn aber bereits zu alt war, mit der richtigen Mischung aus Männlichkeit, Verunsicherung und Naivität. Er selbst war unzufrieden mit seiner Darstellung, aber die Zuschauer überzeugte er, denn er gab seiner Rolle viel Authentisches. So ist Stones Wahl von Charlie Sheen, dessen Vater Martin Sheen in dem großen Kriegsfilm „Apocalypse Now“ (1979) mitspielte, gelungen. Stones selbst ist übrigens auch in dem Film in einem kurzen Auftritt als Bataillonskommandant zu sehen.
Die Premiere fand am 19. Dezember 1986 in New York und Los Angeles statt. Er traf den Zeitgeist und wurde im Gegensatz zu der ersten Generation von Vietnam-Filmen wie „Apocalypse Now“ (1979), „Die durch die Hölle gehen“ (1978), „Coming Home – Sie kehren heim“ (1978) begeistert aufgenommen. Viele Männer besuchten die Kinos mit ihren Familien, um ihnen zu zeigen, wie sich der Krieg wirklich angefühlt hat. Der Erfolg an den Kassen war enorm und so betrug das Einspielergebnis in der USA 140 Millionen Dollar. Er gehört bis heute, wenn man es anhand seiner Einspielergebnisse bemisst, zu den drei erfolgreichsten Filmen über den Vietnam-Krieg. Vor diesem ließen nur „Rambo II – Der Auftrag“ (1985) und danach „Geboren am 4. Juli“ (1989) die Kassen mehr klingeln. Neben den Oscars wurde der Film auch bei anderen Preisverleihungen bedacht, u.a. gewann er drei Golden Globes (‚Bester Film‘, ‚Beste Regie‘ und Tom Berenger als ‚Bester Nebendarsteller‘) und den Silbernen Bären für die ‚Beste Regie‘ auf der 37. Berlinale 1987. Es folgte im selben Jahr sogar ein gleichnamiges Computerspiel. Alles in allem war „Platoon“ ein Riesenerfolg, machte den Regisseur und Drehbuchschreiber Stone weltweit bekannt und gab ihm die Möglichkeit bis heute hochbrisante Filme zu drehen.
Fazit: Der Antikriegsfilm „Platoon“ gehört bis heute zu den erfolgreichsten Vietnam-Filmen und reiht sich damit in eine Riege starker Filme ein. Der Regisseur und Autor Oliver Stone verarbeitete dabei seine eigenen Erfahrungen, wählte eine klare Bildsprache und einen authentischen Look, um die ungeschönte Wahrheit auf Film zu bannen. Dafür wurde an Originaldrehorten gedreht, eine überzeugende Besetzung ausgewählt und keine unschönen Details ausgelassen. Dieser Film war der Durchbruch Stones, gewann gleich vier Oscars von acht Nominierungen und ist einer der wenigen Filme, die in diesem Genre den Oscar für den ‚Besten Film‘ gewonnen haben.
Bewertung: 6,5/10
Trailer zum Film „Platoon“
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über den Film „Platoon“
- Eintrag des Films „Platoon“ bei filmzentrale.de
- Eintrag des Films „Platoon“ bei wunderlin-online.de
- David Halberstam, ‚Two Who were there view ‘Platoon’; The Correspondent‘, New York Times, 8. März 1987
- Wikipedia-Artikel über den Regisseur Oliver Stone
- Wikipedia-Artikel über die Oscarverleihung 1987
- Schneider, Steven Jay: 1001 Filme die sie sehen sollten bevor das Leben vorbei ist, Edition Olms AG, Oetwil am See/Zürich, Schweiz, 2013.
- Kubiak, Hans-Jürgen: Die Oscarfilme, Schüren-Verlag GmbH, Marburg, 2007.
- Müller, Jürgen: Filme der 80er, Taschen, Köln, 2002.
- Zurhorst, Meinolf: Die neuen Gesichter Hollywoods, Heyne, München, 1990.
- Barg, Werner; Plöger, Thomas: Kino der Grausamkeit : die Filme von Sergio Leone, Stanley Kubrick, David Lynch, Martin Scorsese, Oliver Stone, Quentin Tarantino, Bundesverband Jugend und Film, Frankfurt am Main, 1996.
- Kolker, Robert Phillip & Fründt, Bodo: Allein im Licht : Arthur Penn, Oliver Stone, Stanley Kubrick, Martin Scorsese, Steven Spielberg, Robert Altman, Diana-Verlag, München & Zürich, 2001
Diese Rezension ist als Teil der Oscar-Reihe der Testkammer erschienen
Ein Gedanke zu “„Platoon“ (1986)”