„Once Upon a Time in Hollywood“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der amerikanische Regisseur Quentin Tarantino hat sich schnell mit seinen ersten Filmen in die Herzen der Zuschauer gespielt. Seitdem wird auf jeden neuen Film von ihm hingefiebert und natürlich auch ein gewisser Erwartungsdruck aufgebaut. Neben einer hochkarätigen Besetzung erwarten Fans eine erzählerisch perfekte Geschichte, Brutalität sowie zahlreiche Zitate und Anleihen aus der Filmgeschichte. „Once Upon a Time in Hollywood“ (OT: „Once Upon a Time … in Hollywood“, 2019, USA, UK, China, 2019), sein vermutlich vorletzter Film, wenn man dem Regisseur selbst glauben mag, bietet all diese Elemente, badet aber vor allem ausgiebig in der vergangenen, nostalgisch verklärten Welt.

Leonardo DiCaprio
© Sony Pictures

Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ist im Hollywood der 60er Jahre ein gefeierter Western-Serienstar. Aber mit der Zeit wird er immer mehr als einmaliger Antagonist in Western eingesetzt, die nicht mehr ganz seinen Geschmack treffen. Doch zusammen mit seinem Stuntman Clive Booth (Brad Pitt) geht er seinen Weg konsequent weiter. Das New Hollywood steht bereits wortwörtlich vor der Tür, denn nebenan am Mulholland Drive sind Roman Polanski (Rafal Zawierucha) und seine schwangere, junge Frau Sharon Tate (Margot Robbie) eingezogen. Doch nicht nur das Filmbusiness, wo Rick Dalton immer öfter zum alten Eisen gehört, verändert sich, sondern auch die Zeit an sich: Die Hippie-Kultur breitet sich aus und um Charles Manson (1934-2017) entsteht eine ominöse Sekte, die sich gerade auf einer Filmranch niedergelassen hat. 

Leonardo DiCaprio
© Sony Pictures

Nur wenige Regisseure schaffen es schon im Vorfeld so neugierig auf ihre Werke zu machen, wie es Wes Anderson („Isle of Dogs – Ataris Reise“ (2018)), Joel and Ethan Coen („Hail, Caesar!“ (2016)) und Jim Jarmusch („The Dead Don’t Die“ (2019)) immer wieder schaffen. Sie vermeiden auf der einen Seite die Produktion einer schieren Masse an Filmen und spielen sich andererseits mit ihrem unverkennbaren Stil in die Herzen der Zuschauer. Ein wahrer Großmeister darin ist auch Quentin Tarantino (*1963), der sich bereits mit seinen beiden ersten Filmen „Reservoir Dogs“ (1992) und „Pulp Fiction“ (1994) ein treue Fangemeinschaft gesichert hat und kreierte etwas, was so noch nicht gab. Er schuf neuartige Filme in verschiedenen Genres, welche nicht nur mit starkem Dialogwitz und expliziter Gewalt auffielen, sondern auch mit zahlreichen filmhistorischen Bezügen und damit, dass jede Filmminute selbst wie eine Liebeserklärung an das Kino wirkte. Wer Filme liebt, kommt an Quentin Tarantinos Schaffen nicht vorbei. Zum Entsetzen vieler hat er selbst aber angekündigt, insgesamt nur zehn Filme zu realisieren. Mit „Once Upon a Time in Hollywood“, wo schon der Titel das erste Zitat darstellt, kam nun sein neunter Film in die Kinos und taucht noch etwas mehr in die privaten Vorlieben des Regisseurs ein.

Brad Pitt
© Sony Pictures

Mit „Inglourious Basterds“ (2009) bewies Tarantino, dass er sich historische Stoffe schnappen und daraus etwas Neues und Unerwartetes machen kann. Natürlich drückt er den Stoffen auch immer seinen Stempel auf. Als nun durchsickerte, dass er sich mit Charles Manson und den Morden um Sharon Tate in seinem neuesten Film beschäftigen wird, rief es Entrüstung hervor, da man ihm nicht unbedingt zutraute, sensibel mit der nationalen Tragödie umzugehen. Doch auch wenn Sharon Tate, gespielt von Margot Robbie, immer wieder ins Bild kommt, indem sie mit ihrem Ehemann Roman Polanski durch die Gegend fährt oder auf Partys geht, handelt die eigentliche Geschichte von etwas anderem. Tarantino, der auch das Drehbuch dazu geschrieben hat, beschäftigt sich mit der Entwicklung von Western – von den beliebten amerikanischen TV-Serien bis hin zu den Italo-Western. Dabei geht er meist nicht auf konkrete Filme ein, obwohl er munter aus dem Katalog zitiert, sondern zeigt die Veränderungen des Business, indem er zwei alte Hasen begleitet. Die Charakterisierung der beiden und wie sie durchs sommerliche Los Angeles düsen, macht viel vom Charme der Geschichte aus. So besitzt der Film auch seinen größten Spannungsmoment als der Sympathieträger Clive die ehemalige TV-Ranch besucht, auf der sich die Manson-Familie niedergelassen hat. Hier schafft es Tarantino eine extreme Anspannung mit einer enormen Ungewissheit zu erzeugen, welche die ruhige Inszenierung mit dem eigentlichen Höhepunkt der Geschichte nicht toppen kann. In dieser Szene steckt die ganze erzählerische Kraft, die man an seinen Filmen so schätzt.

Margot Robbie
© Sony Pictures

Der zweite Grund warum man nicht genug von Tarantino-Filmen bekommen kann, ist sein souveräner Stil. Er passt sich den Zeiten und Orten stets wunderbar an, zitiert dabei munter aus der Filmgeschichte und schafft es trotzdem seinen eigenen Stil zu finden, der immer erkennbar ist. Dazu gehört nicht nur der konsequente Einsatz von Gewalt, sondern auch ein Zeitkolorit, speziell in diesem Film, was eine ganz besondere Stimmung transportiert. Er macht Geschichte, auch wenn nicht realitätsnah, so doch fühlbar. Er kreiert mit dem Blick eines Fans die alten Zeiten, welche ihn als Filmemacher geprägt haben. So kann man auch viele Filmminuten dahintreiben, ohne dass die Geschichte wirklich voranschreitet. Mit der passenden Musik, wie bei Tarantino üblich, fährt man mit Clive durch die Straßen von Los Angeles und wird hineingezogen in die alte Welt. Diese entspannte Wirkung verdankt der Film seinem unglaublich smarten Clive, gespielt von Brad Pitt. Den Schauspieler hat man in vielen Rollen oft gesehen (u.a. in letzter Zeit in „Herz aus Stahl“ (2014)  und „Ad Astra“ (2019)), aber hier liefert er ein ganz besonders süffisantes Spiel ab. Zusammen mit Leonardo DiCaprio (u.a. in „Departed – Unter Feinden“ (2007)) geben sie ein besonderes Duo ab, dem man gerne auf ihren Wegen folgt. Abgerundet von vielen überzeugenden Nebendarstellern u.a. Margot Robbie und Damien Lewis als Steve McQueen ist es auch wieder ein überzeugender Ensemble-Film. „Once Upon a Time in Hollywood“ ist ein Tarantino, wie er im Buche steht. Er vereint eine Geschichte, die sich Zeit lässt und dabei einen Sog entwickelt, mit charmanten Darstellern und einer Optik, die sich wunderbar an die vergangene Zeit kuschelt und dabei die Liebe zum Medium, zu Hollywood und seiner vergangenen Epoche enthüllt.

Brad Pitt and Leonardo DiCaprio
© Sony Pictures

Fazit: Der neunte Quentin Tarantino „Once Upon a Time in Hollywood“ liefert wieder alles, was seine Fans von ihm erwarten: Einen Ausflug in die Vergangenheit im schönsten Zeitkolorit, belebt von vielen Figuren und echten Hintergründen. Dabei frönt er hier seiner Liebe zu alten Western und einer untergegangenen Ära. Er lässt sich in dem 161-minütigen Film Zeit seine Geschichte zu erzählen, entfaltet dabei seinen Charme und baut typische Tarantino-Elemente mit ein. Alles in allem ist der neueste Tarantino eine runde Sache, gespickt mit tollen Darstellern und eine wunderbare Hommage an eine vergangene Filmära.

Bewertung: 8,5/10

Kinostart: 15. August 2019 / DVD-Start: 17. Januar 2020

Trailer zum Film „Once Upon a Time in Hollywood“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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