„Bumerang“ (1966)

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Barbara Brylska

Filmkritik: Auf dem 29. Filmfestival Cottbus konnte man den polnischen Spielfilm „Bumerang“ (OT: „Bumerang“, Polen, 1966) von Leon Jeannot wiederentdecken. Er erzählt mit einer gelungenen Mischung aus Krimi, Drama und realistischen Aufnahmen von der Nachkriegszeit in Polen. 

Der junge Westdeutsche Kurt (Holger Mahlich) besucht in den 60er Jahren Wrocław. Im ehemaligen Breslau möchte er nicht nur mit seinem VW-Käfer die Stadt erkunden, sondern auch den Spuren seiner eigenen Vergangenheit nachgehen. Sein Ziel ist dabei eine Autowerkstatt. Dort lernt er nicht nur den Besitzer und KFZ-Meister Pawel (Zdzislaw Karczewski) kennen, sondern auch dessen Tochter Ewa (Barbara Brylska). Schnell verlieben sich die beiden ineinander, aber kann das mit der Schuld der deutschen Kriegsverbrechen im Rücken überhaupt funktionieren?

Zdzisław Karczewski

Leon Jeannot (1908-1997) ist ein polnischer Drehbuchautor und Regisseur von acht Dokumentar- und Spielfilmen. Auch bei seinem 1966 auch in den deutschen Kinos erschienenen Spielfilm gibt es dokumentarische Elemente. In seinem Kern ist der Film eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, welche durch die früheren Ereignisse und die sich dadurch entstandenen Verhärtungen nicht funktionieren kann. Hier liegt die große Stärke des Films. Es ist eben nicht nur ein Geschichte über das aktuelle Leben oder die Liebe, sondern über Vergangenheitsbewältigung und wie man mit der ehemaligen Besatzungsmacht umgehen soll. Der Zweite Weltkrieg liegt noch nicht lange zurück, die Wunden sind tief und werden durch den Besuch des jungen Westdeutschen wieder aufgerissen. Immer wieder geht es um die Frage des Umgangs miteinander, mit der eigenen Identität und der Vergangenheit. Wie weit ist man für die Taten seiner Eltern verantwortlich? Wie kann man eine Schuld begleichen? Wie kann man die Grausamkeiten jemals vergeben? Mit all diesen Fragen beschäftigt sich der Film, der sich merklich auf einen dramatischen Höhepunkt zu bewegt, der zwar bereits in den ersten Filmminuten vorweg genommen wird, aber doch irgendwie erstmal in Vergessenheit gerät. So besitzt der Film bis zum Ende nicht nur eine enorme erzählerische Qualität, sondern eine gelungene Spannung.

Holger Mahlich

Dass der Film so hervorragend funktioniert, verdankt er auch seiner leichtfüßigen, beschwingten Inszenierung. Gedreht wurde in Wrocław, der malerischen Stadt im Herzen von Polen, die aber in den 60er Jahren noch stark vom Krieg gezeichnet war. Mit einem dokumentarischen Blick wandert der Zuschauer zusammen mit Kurt über die Straßen der polnischen Stadt. Sie dient auch wunderbar als schnelllebige Kulisse für diese Liebe, welche wenig Chancen auf eine Zukunft hat. Der in schwarz-weiß gedrehte Film besticht aber nicht nur mit seinen Live-Locations, sondern auch mit seiner gelungenen Kameraarbeit und den perfekt ausgewählten DarstellerInnen. Im Gesamten fand Jeannot das passende Gewand für seine Geschichte zwischen Drama, Liebesgeschichte und realen Bezügen. 

Paweł Galia

Fazit: Der bereits 1966 entstandene Spielfilm „Bumerang“ ist eine gelungene Nachkriegsgeschichte aus Polen. Mit einem klaren Blick und den richtigen Fragen schafft es der Regisseur Leon Jeannot die jüngere Landesgeschichte mit einem Liebesdrama zu kombinieren, dabei aber nie sentimental zu werden, sondern die Geschichten in seiner Inszenierung leichtfüßig zu kombinieren. Diesen Film sollte man, wenn man kann, für sich entdecken, denn auch 54 Jahre nach der Entstehung funktioniert er immer noch wunderbar und ist zusätzlich ein gelungenes Zeitportrait.

Bewertung: 7,5/10

geschrieben von Doreen Matthei

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