Acht Fragen an Ethan Barrett

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Interview: Im Gespräch mit dem amerikanischen Filmemacher und Animationskünstler Ethan Barrett konnten wir mehr über seinen ersten handgezeichneten Film „Rosemary A.D. (After Dad)“, der auf dem 65. DOK Leipzig seine Premiere feierte, erfahren, wie es sich anfühlte, über so ein persönliches Thema einen Film zu drehen und ob er später mal seiner Tochter den Film zeigen wird.

The original english language interview is also available.

Erzähl mir zu dem Ausgangspunkt deines Animationsfilm. Warum wolltest Du diese persönlichen Gedanken zur Vaterschaft mit einem Publikum teilen?

Ich frage mich das selbst immer wieder – warum hatte ich das Bedürfnis, meine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen? Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich ein paar animierte Kurzfilme gemacht hatte, die es nicht sehr weit brachten. Es fiel mir schwer, andere Projekte auf die Beine zu stellen, und alles ging immer wieder schief. Plötzlich bekam ich eine Tochter und war 24 Stunden am Tag zu Hause, weil ich ein Hausmann war. Meine Träume, Filmemacher zu werden, schienen zu verschwinden. In dieser Situation habe ich alle Vorsicht über Bord geworfen und ein Projekt gemacht, das so persönlich wie möglich war. Ich dachte, es würde der letzte Film sein, den ich mache, also beschloss ich, alles, was ich sagen wollte, in einem Film zusammenzufassen.

Welchen Rat möchtest Du frisch gewordenen Väter mitgeben?

Das Beste, was man für sein Kind tun kann, ist es, für es da zu sein.

Statt so auch von Anfang fest, dass ein Voice Over die Geschichte begleiten wird?

Die Idee für den Film entstand durch mein persönliches Tagebuch. Ich litt unter Selbstmordgedanken, also schrieb ich einfach die verschiedenen Möglichkeiten auf, wie das Leben meiner Tochter verlaufen könnte, wenn es dazu käme. Als ich merkte, dass das einen interessanten Film ergeben würde, fühlte sich die Erzählung ganz natürlich an, und ich stellte es nicht in Frage. Der Erzählstil hat sich allerdings geändert, denn bei den ersten Versuchen war meine Stimme sehr leicht und komödiantisch. Mit der Zeit wurde mir klar, dass eine monotone, ruhige Stimme im Kontrast zu den Bildern besser funktioniert.

Was lag Dir visuell am Herzen?

Ich wollte, dass jede einzelne Einstellung neue Informationen und eine neue Bedeutung vermittelt, so dass keine einzige Einstellung verschwendet wurde. Wenn eine Einstellung unnötig erschien oder nichts Neues brachte, habe ich sie herausgeschnitten. Obwohl einige der Einstellungen so einfach wie möglich sind, habe ich das Gefühl, dass der Zuschauer sich immer wieder neu hineinversetzt, weil sich der Film jeden Moment verändert.

Kannst Du mir noch ein bisschen mehr zu Deinem Animatonsstil erzählen? Wer inspiriert Dich und würdest Du sagen, dass Du Deinen persönlichen Stil schon gefunden hast?

Ich fühle mich immer sehr zu einfacher Kunst und einfachen Zeichnungen hingezogen. Ich mag große schwarze Umrisse und kräftige Farben. Ich weiß nicht, ob ich meinen persönlichen Stil schon gefunden habe, da dies mein erster handgezeichneter animierter Kurzfilm ist. Aber ich denke, selbst wenn sich meine Fähigkeiten verbessern sollten, würde ich immer wollen, dass jemand meine Zeichnung ansieht und denkt, dass ein Kind sie gezeichnet hat.

Der wahrscheinlich inspirierendste Animator für mich ist Richard Williams. Obwohl er ein Meister ist, vermittelt sein Unterricht wirklich den Eindruck, dass jeder animieren und schön animieren kann. Ich greife immer wieder auf sein Buch über Animation [Anm. d. Red.: „The Animator’s Survival Kit: A Manual of Methods, Principles and Formulas for Computer, Stop-motion, Games and Classical Animators“ (2002)] zurück. Auch die Filme von Isao Takahata [Anm. d. Red. Mitbegründer der Studio Ghibli, „Heidi“ (1977-78), „Die letzten Glühwürmchen“ (1988)] haben mich sehr inspiriert. Seine Geschichten sind täuschend einfach und haben mir gezeigt, dass Animationsfilme das Niveau von Live-Action-Filmen erreichen und sogar übertreffen können.

Wirst Du Deiner Tochter den Film später zeigen?

Ja, ich habe vor, ihr den Film zu zeigen, wenn sie alt genug ist, um sich mit den Begriffen Depression, psychische Gesundheit und Tod auseinanderzusetzen. Ein Kinderpsychologe wird es am besten wissen, aber ich schätze, das wird so um das zwölfte Lebensjahr herum sein. 

Kannst Du noch ein bisschen mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Mein beruflicher Hintergrund ist das Schreiben. Bevor ich mit meiner Frau nach Texas gezogen bin, habe ich in Hollywood bei einigen Fernsehsendungen als Autorenassistent gearbeitet. Als unsere Tochter geboren wurde, arbeitete ich als Video-Editor und drehte meine eigenen animierten Kurzfilme. Auch zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass meine Zeit als Filmemacher vorbei sei, also beschloss ich, meinen eigenen ‚Schwanengesang‘ zu schreiben und mich für immer vom Film zu verabschieden.

Natürlich glaube ich nicht, dass ich jemals wirklich weg bleiben werde.

Sind trotzdem schon neue Projekte geplant?

Ich arbeite gerade an einem neuen handgezeichneten Kurzfilm, wahrscheinlich nicht mit Buntstiften. Er handelt von meinem Leben und meinen Kämpfen mit Depressionen und versucht, die Frage zu beantworten: „Was ist der Sinn des Lebens?“ Nichts Großes, ich weiß.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Rosemary A.D. (After Dad)


Interview: In our conversation with American filmmaker and animation artist Ethan Barrett, we were able to learn more about his first hand-drawn film “Rosemary A.D. (After Dad),” which premiered at the 65th DOK Leipzig, how it felt to make a film about such a personal topic, and whether he will later show the film to his daughter.

Tell me about the starting point of your animated film. Why did you want to share those personal thoughts on fatherhood with the public?

I wonder this myself all the time—why did I feel the need to wash my dirty laundry in public? I was at the point where I’d made a few animated short films that didn’t go very far. I was having a hard time getting other projects together and everything kept falling apart. Now, all of a sudden, I had a daughter and I was stuck at home 24 hours a day as a stay-at-home dad. My dreams of being a filmmaker seemed to disappear. In that place I threw all caution aside and made a project as personal as possible. I thought it would be the last film I made so I decided to say everything I wanted to in one film.

What advice would you like to give to new fathers?

The best thing you can do for your child is be there for them.

Was it also clear from the beginning that a voice over would accompany the story?

The idea for the film started from my own personal journal. I was struggling with suicidal thoughts so I simply wrote down the different ways my daughter’s life could turn out if it did happen. When I realized that would make an interesting film, I think the narration felt natural and I didn’t question it. The style of narration did change, though, as the first couple passes at it, my voice was very light and comedic. After time, I realized a much more monotone, deadpan voiceover worked better in contrast with the visuals.

What was visually important to you?

I wanted every single shot to convey new information and meaning, so that not a single shot was wasted. If a shot felt unnecessary or didn’t bring anything new, I cut it. Although some of the shots are as simple as can be, I feel the audience is always leaning in because every moment the film is changing.

Can you tell me a bit more about your animation style? Who inspires you and would you say that you have already found your personal style?

I’m always very attracted to simple art and simple drawings. I like big black outlines and broad colors. I don’t know if I’ve found my personal style yet since this is only my first hand-drawn animated short. But I think even if my skill were to improve, I’d always want someone to look at my drawing and think that a kid drew it.

Probably the single most inspiring animator to me is Richard Williams. Although he’s a master, his teaching really gives the impression that anybody can animate and animate beautifully. I’m constantly going back to his book on animation. Also the films of Isao Takahata really inspired me. His stories are deceptively simple and showed me that animation can rise to the level of live action film and even surpass it.

Will you show the film to your daughter later?

Yes, I plan to show the film to her when she’s old enough to grapple the concepts of depression, mental health, and death. A child psychologist would know best, but I’d guess that’d be somewhere around the age of twelve.

Can you tell a little bit more about yourself and how you came to the film?

My background is in writing. I was a writer’s assistant on some TV shows in Hollywood before moving to Texas with my wife. I was working as a video editor while making my own animated short films when our daughter was born. Again, at that point I thought my filmmaking days were over, so I decided to make my own “swan song” and move on from film forever.

Of course, I don’t think I would ever really stay away.

Are there any new projects planned?

I’m working on a new hand-drawn short film, probably not with crayons. It’s more specifically about my life and struggles with depression and tries to answer the question, “What’s the purpose of life?” Nothing big, I know.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film “Rosemary A.D. (After Dad)

Ein Gedanke zu “Acht Fragen an Ethan Barrett

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