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Kurz vor ihrem 30. Geburtstag erinnert sich Sophie (Celia Rowlson-Hall) an einen Urlaub mit ihrem damals ebenfalls 30-jährigen Vater Calum (Paul Mescal). Zusammen mit ihm fuhr sie (jung: Frankie Corio) Ende der 90er Jahre in ein türkisches Ferienresort. Die Tage dort sind gefüllt mit entspannten Stunden am Pool, Annäherungen der Elfjährigen an die anderen Jugendlichen und viel Zeit mit ihrem Vater, der damals schon von einer gewissen Schwermut begleitet wurde.
Die Regisseurin Charlotte Wells (*1987) erzählt in ihrem 102-minütigen Langfilm von einer Elfjährigen und ihrer Beziehung zu dem von ihr getrennt lebenden Vater. Aufgrund eigener Erfahrungen schrieb sie ein Drehbuch, das sich authentisch seinen Figuren nähert. Dabei nimmt sie konsequent den Blick der Tochter ein. So erscheint das Verhalten der Erwachsenen hier von Zeit zu Zeit merkwürdig und ja auch etwas peinlich. Sie fängt so wunderbar den Blick der jungen Menschen auf die eigenen Eltern ein. Die junge Sophie nimmt natürlich auch nur nebenbei wahr, dass es ihrem Vater womöglich nicht gut geht. So ist dessen Depression kein richtiges Thema, sondern wird lediglich mit kleinen Szenen und natürlich aus dem Blickwinkel der 30-jährigen Sophie angedeutet. So schildert sie im Wesentlichen wirklich nur den gemeinsamen Urlaub und die typischen Ereignisse solcher Familienreisen. Doch was unter der Oberfläche brodelt und durch einen Traum in der Gegenwart weiter verstärkt wird, gehört genauso dazu wie all die sommerlichen Belanglosigkeiten.
So entstand ein Film der leisen Töne und dies versucht Wells auch mit der Inszenierung zu vermitteln. Dabei wählt sie eine Bildsprache, die sich einerseits an der Heimvideo-Ästhetik der 90er Jahre – Sophie und Calum haben einen Camcorder dabei – orientiert, aber gleichzeitig die Kamera oft länger auf Situationen und Gesichter ruhen lässt. Auch den Fokuspunkt setzt sie oft kreativ ein. Doch die Bildsprache und vor allem die Kameraführung wirken in manchen Szenen zu gewollt, halten zu lange drauf und wollen unnützer Weise Elemente betonen, die aber bereits über das Spiel der Schauspieler:innen und über die Stimmung vermittelt werden. Diese Punkte sind auch die großen Stärken der Inszenierung. Zum einen werden die 90er Jahre vortrefflich eingefangen, so dass bei vielen Menschen selbst Jugenderinnerungen wach werden, und zum anderen hat sie ihren Film großartig besetzt. Das Spiel zwischen der Jungdarstellerin Frankie Corio und Paul Mescal, den man u.a. auch schon in „Frau im Dunkeln“ (2018) gesehen hat, ist überzeugend. Das Miteinander der beiden und sein sensibles Spiel brachten ihm eine Oscarnominierung ein. Durch und durch ist Wells ein einfühlsames Vater-Tochter-Portrait mit einem Hauch Nostalgie, aber vor allem Melancholie gelungen, welches das Publikum berühren kann.
Fazit: „Aftersun“ ist das Debüt der Regisseurin Charlotte Wells, die darin eine einfühlsame Vater-Tochter-Geschichte erzählt, dabei wunderbar den Blick der Elfjährigen einnimmt, und gleichzeitig auch etwas über die Erwachsenen erzählt. Hervorragend gespielt, authentisch inszeniert und nur ab und zu etwas zu gewollt in der Kameraführung, überzeugt der Film als leise Coming-of-Age-Geschichte, deren Stimmung sich lange nach dem Sehen noch auf das Publikum überträgt.
Bewertung: 7,5/10
Kinostart: 15. Dezember 2022
Trailer zum Film „Aftersun“:
geschrieben von Doreen Kaltenecker
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über den Film „Aftersun“
- Rüdiger Suchsland, ‚„Aftersun“: Atmosphärisches Meisterwerk von Charlotte Wells‘, swr.de, 2022
- Alexandra Seibel, ‚Charlotte Wells über ihr Filmdebüt “Aftersun“: Sehnsucht nach Berührung‘, kurier.at, 2022
- Kultur Heute, ‚Aftersun – das Spielfilmdebüt von Charlotte Wells‘, deutschlandfunk.de, 2022