„Past Lives“ (2023)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Die Theaterregisseurin Celine Song feiert mit dem Liebesdrama „Past Lives“ (OT: „Past Lives“, USA, 2023) ihr Spielfilm-Debüt und schaffte es damit in den Wettbewerb der 73. Berlinal 2023. Sie erzählt darin eine beinahe klassische Dreiecksgeschichte, weiß aber kitschige Felsen zu umschiffen und setzt ihre eigene Biographie in einem berührenden Film um. 

Mit nur 12 Jahren verlässt Nora (Moon Seung-ah) ihre Heimat Südkorea und lässt schweren Herzens ihren besten Freund Hae Sung (Leem Seung-min) zurück. Zwölf Jahre später macht er sie ausfindig. Sie knüpfen, auch über die weite Entfernung, erneut ein zartes Band. Doch die reale Welt wartet auf die beiden, während sie sich in zahlreichen Skype-Gesprächen näherkommen. Deshalb vergehen noch einige Jahre, bis sich die beiden real wieder begegnen. Hae Sung (Teo Yoo) kommt dafür nach New York, besucht Nora (Greta Lee) und ihren Ehemann Arthur (John Magaro) und sie verbringen einen Tag gemeinsam, bei dem die junge Frau zwischen zwei Männern steht, die ihr altes und neues Leben repräsentieren.

Jin Young Kim/Twenty Years Right

Seung Ah Moon und Seung Min Yim

Nach ihrer eigenen Biographie schrieb die Theaterregisseurin Celine Song, die sich mit ihrem Stück „Endlings“ einen Namen gemacht hat, das Drehbuch zu ihrem ersten Spielfilm. Sie erzählt darin von einer klassischen Dreiecksgeschichte. Im Zentrum steht eine Frau, die sich auf den ersten Blick zwischen zwei Männern entscheiden muss. Doch es geht dabei nicht vorrangig um die beiden, sondern vor allem um die beiden Leben, die sie repräsentieren. Entscheidet sie sich für die Jugendliebe, an die Erinnerungen an die Heimat und an die gemeinsame Kultur? Oder wählt sie den Mann, der für das neue Leben in den USA steht? So geht es in dem Film um Identität, Heimat und bei welchen Menschen man selbst sein kann. So viel sei verraten, der Film findet dafür keine universelle Antwort, aber er findet einen Weg, den man als Zuschauer:in gerne mitgeht. Dabei lässt man sich von dem melancholischen Gefühl mittragen, das aufgeladen ist mit Erinnerungen und auch einem romantisierenden Zurückschauen. Der Kniff der Erzählung ist, dass der Film sich über so eine lange Zeit erstreckt. Man sieht die Figuren wachsen, sich verändern und auch wie sie über die Zeit unterschiedlich mit ihren Gefühlen und Gedanken umgehen.

Jon Pack

John Magaro und Greta Lee

All das fängt Celine Song souverän ein, trifft das Zeitkolorit perfekt und versetzt einen in die verschiedenen Zeiten zurück. Gleichzeitig hat sie ein Talent dafür, die Gefühle, von denen der Film lebt, ohne Pathos und mit nur wenig Sentimentalität aus ihren Darsteller:innen herauszukitzeln. Sie schafft es, mit authentischen, sympathischen Dialogen den Gefühlen Tiefe zu geben. Aber darüber hinaus werden diese durch das hervorragende Spiel der drei Hauptdarsteller:innen greifbar. Die Unsicherheit über den anderen Mann, die Aufgeregtheit, wenn man sich lange nicht gesehen hat und auch das warme Gefühl, wenn man jemanden Vertrauten aus seiner Vergangenheit trifft. All das spürt man als Publikum und es berührt einen. Zudem ist der Film auch noch ein gelungenes Portrait über Heimat und wie sich die Sicht auf diese verändern kann. Auch New York hat man lange nicht mehr so stimmungsvoll gesehen, wie hier. So gelang Celine Song ein einfühlsames Debüt, das von ihrer eigenen Geschichte gespeist wird, da sie nicht nur ebenfalls aus Südkorea stammt und als Kind ausgewandert ist, sondern auch einmal zwischen zwei Männern stand.

Greta Lee und Yoo Teo

Fazit: „Past Lives“ ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin Celine Song. Sie erzählt anhand eigener Erlebnisse von einer Dreiecksbeziehung, dem Kontrast zweier Leben, findet dafür den richtigen Zugang zu ihren sympathischen Figuren und schafft es, mit großer cineastischer Sprache authentische Gefühle einzufangen. 

Bewertung: 8/10

Kinostart: 10. August 2023

Trailer zum Film „Past Lives“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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