Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
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Filmkritik:Nach einer Romanvorlage schuf der US-amerikanische Regisseur Juan Carlos Medina mit Bill Nighy in der Hauptrolle einen klassischen Detektivfilm, der die Schönheit und die Brutalität des viktorianischen Englands einfängt: “The Limehouse Golem – Das Monster von London” (OT: “The Limehouse Golem”, UK, 2016).
London, 1880: Die Schauspielerin Lizzie Cree (Olivia Cooke) wird verhaftet, weil sie ihren Ehemann John (Sam Reid) ermordet haben soll. Gleichzeitig werden im Londoner Stadtteil Limehouse immer wieder brutale Morde von einem Serienmörder begannen, welcher der Golem genannt wird. Der Inspektor John Kildare (Bill Nighy) wird auf die scheinbar unlösbaren Morde angesetzt. Dieser wittert bald eine Verbindung zur berühmten Music Hall mit seinen Schauspielern Lizzie und Dan Leno (Douglas Booth) und er will Lizzie dabei helfen, ihrer Todesstrafe zu entkommen.
Der britische Autor Peter Ackroyd (*1949) schrieb bisher eine große Anzahl an Sachbüchern und Romanen. Der Roman “Der Golem von Limehouse” (OT: “Dan Leno and the Limehouse Golem”, 1994) zog schon vor 15 Jahren das Interesse des Produzenten Stephen Woolley auf sich. Es sollten noch einige Jahre verstreichen, bis er die Rechte dafür erwerben konnte und die geeignete Drehbuchautorin fand. Jane Goldman (*1970), die u.a. die Drehbücher von “Der Sternwanderer” (2007), “X-Men: Erste Entscheidung” (2011) und “Kingsmen: The Secret Service” (2014) verfasste, schuf eine filmreife Version der Romanvorlage. Da sie selbst den Roman vergötterte, war ihr auch eine gerechte Adaption wichtig, in der die Geschichte mehr ist als ein bloßes Whodunit (die lineare Suche nach dem Täter). Dabei wählt der Film klassische Wege. Wir verfolgen die Ermittlungen, die sich immer weiter voran tasten in einer komplexen Mordserie, und gehen zusammen mit Inspektor Kildare falschen Spuren und wichtigen Hinweisen nach. Dies bleibt bis zu den letzten Minuten spannend. Diese Struktur wird immer wieder durch die persönliche Geschichte Lizzies aufgebrochen und verändert sich so stetig. Besonders interessant ist die Ansiedlung im Limehouse Distrikt und in der berühmten Music Hall, die Dan Leno (wahre Persönlichkeit, 1860-1904) berühmt gemacht hat. So kombiniert der Film geschickt historische Personen mit einer fiktiven Mordgeschichte. Diese Mischung macht den Film so interessant. Dadurch schwankt er ständig zwischen Realität und Fantasie. Das spiegelt sich auch in dem Look des Films wieder. Die Locations und die Ausstattungen beruhen auf einem übermittelten Bild Englands jener Zeit, doch besitzten sie auch absichtlich etwas Ausstaffiertes. Hinzu kommen die grausam gezeichneten Bilder der Morde, die im Kontrast zu den fast malerischen, historisierenden Locations stehen. Doch vor allem ist “The Limehouse Golem” großartiges Schauspielerkino. Es ist wunderbar, Bill Nighy in dieser Hauptrolle zu sehen, die er mit seinem typischen Charme ausfüllt und alle Sympathien auf seiner Seite hat. Hinzu kommen viele exzellente Mitspieler wie Douglas Booth (ahmt den wahren Dan Leno fantastisch nach), Eddie Marsan (wunderbar pervers als Besitzer der Music Hall) und die bisher kaum bekannte Olivia Cooke (als geheimnisvolle, entzückende Lizzie). Zusammen ist den Filmemachern ein starker Film gelungen, der klar einem Genrebild folgt, aber doch so viel mehr ist. Leider sieht man so etwas immer seltener im Kino.
Fazit: Der klassische Kriminalfilm “The Limehouse Golem” besitzt eine zeitlose Entrücktheit und Schönheit. Durchweg verfolgt man die Ereignisse gespannt und fiebert der Auflösung entgegen. Perfekt besetzt, ausgestattet und inszeniert liefert der Spielfilm wunderbare, raffinierte Unterhaltung, die unter die Haut geht.
Ein Gedanke zu ““The Limehouse Golem” (2016)”