“Transit” (2018)

Doreen Kaltenecker
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Poster zum Film

© Piffl

Filmkritik: Der deutsche Newcomer Franz Rogowski erlebt zur Zeit, angefangen hat es mit dem Independentfilm “Love Steaks” (2013), einen Höhenflug. Auf der diesjährigen 68. Berlinale war er gleich als Hauptdarsteller in zwei Produktionen vertreten. Neben Thomas Stubers “In den Gängen” (2018) übernahm er auch die Hauptrolle in dem neuen ‘Christian Petzold’-Film “Transit” (Deutschland, Frankreich, 2018).

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Zusammen mit seinem verletzten Freund Heinz (Ronald Kukulies) flieht Georg (Franz Rogowski) vor den Deutschen aus Paris nach Marseille. Als er dies später allein erreicht, nutzt er den Zufall aus, dass ihm das Visum und die Transitpapiere des deutschen Schriftsteller Weidel zugefallen sind. Doch bevor er ausreist, besucht er noch die frischgebackene Witwe Richards, Melissa (Maryam Zaree), und dessen Sohn Driss (Lilien Batman). Während er beginnt eine Beziehung zu dem Jungen aufzubauen, lernt er weitere Flüchtlinge darunter auch Marie (Paula Beer) kennen. Diese wartet vergeblich auf den Schriftsteller, dessen Identität Georg übernommen hat. Die beiden verlieben sich und beschließen zusammen die weitere Reise anzutreten.

 

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Die freie Romanverfilmung “Transit” feierte auf der 68. Berlinale ihre Premiere. Der deutsche Regisseur Christian Petzold (*1960), der durch Filme wie “Gespenster” (2005) und “Barbara” (2012) auf sich aufmerksam gemacht hatte, schrieb das Drehbuch nach einer Geschichte der Schriftstellerin Anna Seghers (*1900). Ihr 1944 veröffentlichter Roman “Transit” erzählt eine historische Geschichte über Flucht, Vertreibung und Heimatlosigkeit. Petzold greift diese Motive auf, aber wendet sich von dem historischen Setting ab. Er drehte den Film in der französischen Küstenstadt Marseille, welche damals, wie auch schon Casablanca, ein wichtiger Punkt war, um vor den Deutschen aus Europa nach Amerika zu fliehen. Auch unsere Hauptfigur strandet in diesem sonnigen Ort. Dabei zeigen Petzold und sein Kameramann Hans Fromm das Marseille aber in seinem heutigen Gewand. Die Stadt mit seinen alten und neuen Gebäuden verleiht dem Film eine irritierende Zeitlosigkeit und Aktualität zugleich. Auch bei den weiteren Ausstattungselementen wurde darauf Wert gelegt, dass sie zeitlich schwer einzuordnen sind. Damit transportiert Petzold die Geschichte in die Gegenwart und zeigt so unverfälscht die Universalität von Flucht und Heimatlosigkeit. Dies lag dem Regisseur in der Zeit von Renationalisierung und Flüchtlingskrise am Herzen. Er wollte nicht in ein sicheres historisches Gewand schlüpfen und es auch seinen Zuschauer nicht zu einfach machen. Diese Mischung aus Gestern und Heute funktioniert erstaunlich gut und hinterlässt eine einprägsame Irritation. Auf diese Art schafft es Petzold, ein Gefühl für die Vertriebenen zu evozieren, ohne jemals sentimental zu werden.

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Auch sind seine Charaktere keine leicht zugänglichen, sympathischen Menschen, sondern besonders eckige und störrische Charaktere, wie die Frau im Zentrum des Geschehens. Marie wird wunderbar leichtfüßig von der 22-jährigen Schauspielerin Paula Beer verkörpert, welche ihre Sprunghaftigkeit körperlich spürbar macht. Neben einer bekannten Darstellerriege wie Justus von Dohnányi und Barbara Auer, deren Charaktere die Bandbreite der Flüchtlingsschicksale erweitern, ist der Film komplett um die Figur Georgs herum aufgebaut. Franz Rogowski, der einen leichten Sprachfehler besitzt, verkörpert ihn mit der richtigen MIschung aus Orientierungslosigkeit und Überlebensinstinkt. Er wirkt dabei zerbrechlich und einsam, aber gleichzeitig stark. Georgs ungewisse Reise verleiht der Geschichte neben der politischen Brisanz Spannung und fesselt den Zuschauer an das eigenartige Hybrid-Wesen aus Gestern und Heute.

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In seiner speziellen Art liegen aber auch die Schwächen des Film. Vor allem die mäandrierenden Dialoge, der leicht verfehlt wirkende Off-Kommentar und das immer wieder vorkommende Stocken in der Geschichte machen es dem Zuschauer nicht immer leicht. So besitzt der Film aufgrund seiner Inszenierung und natürlich wegen des Themas eine Schwere, die einen starken Kontrast zum sonnigen Setting bietet. Ohne Frage gewollt, legt das Christians Petzolds neuestes Werk wieder auf eine bestimmte Zielgruppe fest und kann damit kein Massenpublikum erreichen.

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Fazit: Der Spielfilm “Transit” von Christian Petzold lehnt sich an den gleichnamigen Roman Anna Seghers aus dem Jahr 1944 an. Doch statt einen historischen Film zu drehen, verlegt der Regisseur und Autor die Geschichte in das jetzige Marseille und liefert so eine irritierende Mischung aus einem Damals und Heute, welche Spannung, Gefühl und Politik zusammenbringt. So lässt sich das Drama “Transit” im Gesamten schwer greifen, öffnet aber im Bestfall einen neuen Blick für die Zuschauer.

Bewertung: 6,5/10

Kinostart: 5. April 2018, DVD-Start: unbekannt

Der Trailer zum Film “Transit”:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

Ein Gedanke zu ““Transit” (2018)

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