“Farewell Halong” (2017)

Doreen Kaltenecker
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Poster zum Dokumentarfilm "Farewell Halong"Filmkritik: Der deutsche Filmemacher Duc Ngo Ngoc besitzt eine starke Verbindung zu seinem Heimatland Vietnam, obwohl er es bereits als Vierjähriger verlassen hat. So verwundert es nicht, dass alle seine bisher entstandenen Filme Fragen von Identität und Heimat aufwerfen und stets auch von seinem Herkunftsland handeln. Nach seinen ersten Kurzfilmen wie dem dem wunderbaren “Obst und Gemüse” erscheint nun die Dokumentation “Farewell Halong” (Deutschland, 2018) in den deutschen Kinos.

Der Filmemacher und seine Crew begleiteten die Familie des 46-jährigen Nguyen Van Cuong und seiner Ehefrau Luu über mehrere Monate hinweg. Sie gehören zu den 1600 Bewohnern der schwimmenden Dörfer in der Halong-Bucht. Über mehrere Generationen führten sie hier ein Leben unabhängig vom Festland und verdienten ihren Unterhalt durch die Tourismus-Branche und das Meer. Im Jahr 2014 beschließt die Regierung eine Zwangsumsiedlung der Floß-Bewohner auf das Festland. Dort angekommen, steht ihnen zwar eine ungewisse Zukunft bevor, aber es könnte auch ein Neuanfang sein. Doch die Sehnsucht nach dem Meer und ihrer Heimat bleibt.

Standbild aus dem Dokumentarfilm "Farewell Halong"Während eines Auslandssemesters in Hanoi (Vietnam) und einem touristischen Besuch der Halong-Bucht entdeckte der junge Filmemacher Duc Ngo Ngoc die Geschichte der Familie für sein neuestes Projekt. Die Mehrgenerationen-Familie führte ein autarkes Leben auf dem Wasser, was sich viele Stadtmenschen so nicht vorstellen können. Dort lebten sie im Einklang mit der Bucht, deren Wasser Segen und Gefahr zugleich darstellte. Als Duc Ngo Ngoc die Familie Nguyen besuchte, verbrachte er viel Zeit mit ihnen und porträtierte für den Film ihren Alltag ohne auf Off-Kommentare zurückzugreifen. Dabei sind die Aufnahmen authentisch und so nah dran, dass man stets das Gefühl hat, dass einem das Leben der Familie unverfälscht gezeigt wird, so als ob die Kamera gar nicht da sei. Der Blick in den Alltag ist dabei nicht nur für Europäer und Stadtmenschen exotisch, sondern zeigt auch ein anderes gelebtes Verhältnis zur Natur. Ursprünglich sollte der Film nur von dem Leben auf dem Wasser handeln, doch während der Dreharbeiten fand die Zwangsumsiedlung aller Bewohner aufs Festland statt. So erhielt der Filmemacher eine unerwartete Chance, zu zeigen, was der Verlust der Heimat für Auswirkungen haben kann. Dabei wählt er nicht per se eine skeptischen Sicht, sondern zeigt mit unverfälschtem Blick, welche Chancen und Probleme dadurch entstanden. Der Film selbst verleitet zum Nachdenken über gesellschaftliche Strukturen und über das Problem des Heimatverlusts. Kritische Untertöne müssen so nicht ausgesprochen werden, sondern werden durch starke authentische Aufnahmen transportiert. Ob der Film es trotz Subtilität aber in die vietnamesischen Kinos schaffen wird, ist ungewiss.

Die Dokumentation setzt sich dabei klassisch aus Interviews (ohne Fragesteller) und beobachtenden Aufnahmen zusammen, bleibt aber ohne jeglichen Off-Kommentar. Aufgenommen wurde der Film nur mit leichten und kleinen Equipment. Auch waren nie viele Crewmitglieder gleichzeitig vor Ort, so dass immer Intimität zwischen Filmemacher und Gefilmten herrschte. Das hat dem Dokumentarfilm sehr gut getan, denn so sieht man ihm das Familiäre und Vertraute an und er bietet einen ungefilterten Blick. Dies macht die Aufnahmen des Alltags genauso spannend, wie die späteren umwälzenden Ereignisse. Im Gesamten ist dem jungen Filmemacher Duc Ngo Ngoc ein spannender Erstlings-Langfilm gelungen, der die Zuschauer in eine andere Welt entführt, es aber zugleich schafft universelle Fragen aufzuwerfen.

Standbild aus dem Dokumentarfilm "Farewell Halong"Fazit: Der Dokumentarfilm “Farewell Halong” stellt dem Zuschauer eine Familie vor, welche bisher immer auf dem Wasser gelebt hat als ein Teil der Gemeinschaft der schwimmenden Dörfer der Halong Bucht. Mit authentischem, aber stets liebevollem Blick zeigt uns der Filmemacher Duc Ngo Ngoc das alltägliche Leben. Dabei greift er Themen wie Heimat, Familie und Verwurzelung auf und bettet Fragen darüber unauffällig in seine Dokumentation ein. So besticht “Farewell Halong” als gelungene Dokumentation und offenbart Duc Ngo Ngocs Liebe zur Heimat und zum Dokumentarfilm.

Bewertung: 7/10

Kinostart: 19. April 2018, DVD-Start: unbekannt

Der Trailer zum Film “Farewell Halong”:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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