Fünf Fragen an Adda Elling

Doreen Kaltenecker
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Interview: Im Gespräch mit der dänischen Filmemacherin Adda Elling konnten wir mehr über ihren Dokumentarfilm „Playhouse“, der auf dem 62. DOK Leipzig seine Deutschland-Premiere feierte, erfahren. Wir sprachen dabei über die Ursprünge, visuelle Entscheidungen und welche Magie beim Filmemachen spielt.  

The original english language interview is also available.

Erzähl mir zu den Ursprüngen deines Kurzfilms „Playhouse“.

Bei der Entwicklung des Films interessierte ich mich für patriarchalische Strukturen und Machtdynamiken auf Makro- und Mikroebene. Es war in der Zeit nach dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung, und ich hatte begonnen, die Rollen, die wir (oder vielleicht auch ich) in romantischen Beziehungen einnehmen, in Frage zu stellen. Ein queeres Paar (Line und Rosie), das ich aus Amsterdam kannte, hatte ein wenig mit ihren Machtdynamiken zu kämpfen, deshalb dachte ich, es wäre interessant, sie als Hauptfiguren in meinem Film zu haben. Ich begann, sie in ihrem Haus in Amsterdam zu filmen, sie waren großartig vor der Kamera und bereit, den Film mit mir zu machen, und es fühlte sich sehr natürlich an, mit ihnen zu arbeiten. Durch unsere Gespräche über Liebe, Geschlechter und Macht begann ich, die Szenen in Zusammenarbeit mit ihnen zu entwickeln.

Dein Film ist kein reiner Dokumentarfilm – wieso hast Du für eine Art Zwitterwesen entschieden?

Ich halte „Playhouse“ nicht für einen hybriden Film, aber ich verstehe, warum einige Leute das tun – und ich habe kein Problem damit. Ich persönlich kategorisiere den Dokumentarfilm nicht als ‚hybrid‘ oder ‚reine Dokumentation‘. Ich denke, Dokumentarfilm ist ein schwierig zu definierendes Genre, und als Dokumentarfilmer hat man es mit einer sehr heiklen Vorstellung von der Realität zu tun. Nachdem ich ein paar Filme gemacht hatte, wurde mir klar, dass es beim Filmemachen darum geht, mit den Mitteln, die man hat, eine Illusion zu erzeugen – man wird irgendwie zu einer Magierin. Deshalb ist es meiner Meinung nach wenig inspirierend und offen gesagt unmöglich, die Realität objektiv auf Film zu bannen. Wer will schon die Realität predigen, wenn man Magierin sein kann? Ich würde argumentieren, dass „Playhouse“ ‚rein dokumentarisch‘ ist: Die Figuren im Film sind keine Schauspieler, sie haben kein Drehbuch, und die meisten Szenen, die im Film gelandet sind, sind spontan entstanden. Ich inszeniere eine Szene, bevor ich mit den Dreharbeiten beginne, aber ich denke, dass sie weniger kontrolliert oder inszeniert sind als klassische Interviews mit ‘sprechenden Köpfen’.

Großen Spaß machen die nachgestellten Filmszenen – warum hast Du Dich gerade für diese beiden Filme entschieden?

Die Nachstellung der Szenen aus „Martha“ und „Céline et Julie vont en bateau“ war eine Idee, die am Set entstand. Die Kamerafrau und ich bemerkten, wie viel Line und Rosie während der Dreharbeiten über Filme sprachen, also ermutigten wir sie, eine Filmszene zu finden, die sie gerne nachspielen würden, und es waren zufällig Szenen aus diesen beiden Filmen. Das stellte sich als ein perfektes Machtspiel heraus und als eine großartige Möglichkeit für sie, sich vor der Kamera entspannter zu fühlen.

Was war Dir visuell wichtig? Wo habt ihr gedreht?

Visuell war ich daran interessiert, in einem Raum zu bleiben, der ein wenig romantisch, geheimnisvoll und privat wirkt, um eine kleine und farbenfrohe Welt für die beiden Figuren zu schaffen. Die Lage des Hauses war nicht wichtig, aber wir brauchten gutes natürliches Licht und ein Gefühl der Abgeschiedenheit, um eine Welt zu schaffen, in der nur Line und Rosie existieren. Zum Glück konnten wir fünf Tage lang im Haus eines Freundes in Frankreich wohnen, und es passte perfekt. Um zwei Realitätsebenen zu schaffen, wurde der Film auf einem Sony FS7 mit Cine-Objektiven und auf einem alten Camcorder von Line und Rosie gedreht. Ich gab den alten Camcorder an Line und Rosie weiter, weil ich ihren Blick auf den anderen während der Dreharbeiten anregen wollte. Außerdem wollte ich im Schnitt das stilisierte und kontrollierte Material mit intimeren Aufnahmen kontrastieren.

Kannst Du mir zum Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen? Sind schon neue Projekte geplant?  

Sounddesignerin
Ines Adriana und Regisseurin Adda Elling von „Playhouse“

Nach meinem Abschluss an der National Film & Television School im Jahr 2019 zog ich nach Kopenhagen, wo ich derzeit einen Spielfilm-Dokumentarfilm über eine alte schwule A-Capella-Aktivistengruppe entwickle und hoffe, im Frühjahr mit der Produktion beginnen zu können. Darüber hinaus recherchiere ich für einen Film in Bosnien und Herzegowina, der noch in einem sehr frühen Stadium ist, aber sehr spannend, da ich dort schon immer einen Film machen wollte.

Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Playhouse


Interview: In a conversation with the Danish filmmaker Adda Elling we were able to learn more about her documentary film “Playhouse”, which celebrated its German premiere at the 62nd DOK Leipzig. We talked about its origins, visual choices and the magic of filmmaking.  

Tell me about the origins of your short film “Playhouse“.

When developing the film, I was interested in patriarchal structures and power dynamics on macro and micro levels. It was in the aftermath of the emergence of the Me Too movement and I had started questioning the roles we (or maybe I) assume in romantic relationships. A queer couple (Line and Rosie) that I knew from Amsterdam was struggling a bit with their power dynamics, so I thought it would be interesting to have them as main characters in my film. I started filming them in their home in Amsterdam, they were great on camera and up for making the film with me, and it felt very natural working with them. Through our conversations about love, gender and power I started developing the scenes in collaboration with them.

Your film is not a pure documentary film – why did you pick this hybrid approach?

I don’t consider “Playhouse” a hybrid film but I understand why some people do – and I’m fine with that. Personally I don’t categorise documentary as being either ’hybrid’ or ’pure documentary’. I think documentary is a tricky genre to define and as a documentary filmmaker, you are dealing with the very delicate notion of reality. After making a few films I realised that filmmaking is all about creating an illusion with the means you have – you somehow become a magician. So, in my opinion, it’s uninspiring and frankly impossible to capture reality objectively on film. Also who wants to preach reality when you can be a magician? I would argue that “Playhouse” is ‘pure documentary’: the characters in the film are not actors, they don’t have a script and most of the scenes that ended up in the film happened spontaneously. I do stage a scene before I start shooting, but I actually think it’s less controlled or staged than a classic talking head interview.

The re-enacted film scenes are great fun – why did you choose these two films?

The re-enactment of the scenes from “Martha” and “Céline et Julie vont en bateau” was an idea that occurred on set. The cinematographer and I noticed how much Line and Rosie talked about films while we were shooting, so we encouraged them to find a film scene that they would like to re-enact, and it happened to be scenes from these two films. This turned out to be a perfect power play and a great way for them to feel more relaxed in front of the camera.

What was visually important to you? Where did you film?

Visually I was interested in staying in one space that had a bit of a romantic, mysterious and private feel to it in order to create a small and colourful world for the two characters. The location of the house was not important but we needed good natural light and a sense of being somewhere secluded in order to create a world where only Line and Rosie exists. Luckily we could stay in a friend’s house in France for 5 days and it fit perfectly. In order to create two levels of reality, the film was shot on a Sony FS7 with cine lenses and on an old handy cam operated by Line and Rosie. I handed the old handy cam to Line and Rosie because I wanted to activate their gaze upon each other through the course of the shoot. Also, in the edit, I wanted to contrast the stylised and controlled footage with more intimate footage.

Can you tell me a bit more about yourself at the end? Are there already new projects planned?

After graduating from National Film & Television School in 2019 I moved to Copenhagen where I am currently developing a feature documentary about an old activist gay a capella group and I’m hoping to start production this spring. Furthermore, I’m researching on a film in Bosnia & Hercegovina, it’s still very early days but very exciting since I have always wanted to make a film there.

Questions asked by Doreen Matthei

Read on the german review of the shortfilm Playhouse

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