„Die Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler (1926)

Doreen Kaltenecker
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ab 6 Jahren / S.-Fischer-Verlag / 96 Seiten

Buchkritik: Der österreichische Schriftsteller, Arzt und Dramatiker Arthur Schnitzler erzählt in seinen Werken oft von menschlichen Verfehlungen und beleuchtet psychologisch das Innenleben seiner ProtagonistInnen. Er gilt als der Vertreter der Wiener Moderne, da in seinen Werken auch stets die Hauptstadt und dessen typische Bewohner eine Rolle spielen. Auch in seiner Erzählung „Die Traumnovelle“, geschrieben 1926, spielen all diese Punkte eine wichtige Rolle und so entstand eine abgründige Geschichte über das Verlangen, welche von Stanley Kubrick in „Eyes Wide Shut“ (1999) verfilmt wurde.

Der Arzt Fridolin und seine Frau Albertine führen im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts eine Bilderbuchehe. Durch ein Geständnis seiner Frau wird Fridolins Welt durcheinander geworfen. Daraufhin begibt er sich in der Nacht hinaus, in der er nicht nur als Arzt den Tod eines Patienten abklären muss, auf eine leichtes Mädchen und einen seltsamen Kostümverleiher stößt, sondern auch seinen alten Bekannten Nachtigall wiedertrifft und auf einem außergewöhnlichen, gefährlichen Maskenball landet. Diese Ereignisse machen Fridolin zu einem anderen. Was bedeutet das für seine Ehe?

Auf nur 96 Seiten erzählt Arthur Schnitzler (1862-1931) von der Macht der Träume und vor allem der Vorstellungskraft. In einer scheinbar normalen Ehe bricht etwas Unvorsehbares herein. Die brave Ehefrau berichtet von eigenen Fantasien und Verlockungen. Das wirft die Welt des gesetzten Mannes durcheinander und so lässt er sich in einer Nacht auf all die Verlockungen durch andere Frauen, seien es junge Mädchen, Unbekannte, Prostituierte oder Patientinnen beinahe ein und bekommt so eigene Lektionen über Lust erteilt. Mit einer großen Portion sexueller Anspannung, Mystik und geheimnisvollen Ereignissen ergründet Schnitzler das Innere seine Figuren. So begeben sich die LeserInnen zusammen mit dem unsympathischen, aus heutiger Sicht komplett überzogen reagierenden Fridolin auf einen Streifzug durch eine geheimnisvolle Nacht mit unklarem Ausgang. Zudem fängt Schnitzler die Zeit, das Leben in Wien in Auszügen und vor allem das Verhältnis von Mann und Frau, sowie die Lebenswelten der ProtagonistInnen ein. Schnitzler gelingt mit seiner Novelle die richtige Mischung aus Spannung, Psychologisierung und Charakterstudie. Kein Wunder, dass Kubrick dies wunderbar auf die Leinwände übertragen konnte und mit „Eyes Wide Shut“ einen Klassiker des sexualisierten Mystery-Thrillers geschaffen hat.

Fazit: „Die Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler entführt die LeserInnen in die mysteriösen Abgründe der Fantasie und Begierden. Hier vermischen sich Träume mit surrealen Begegnungen, Gedanken mit Taten. Die Geschichte ist gut geschrieben und gibt zudem einen zeithistorischen Blick auf das Wien der 1920er Jahre. So ist das Buch eine Empfehlung für alle und nicht nur für jene, die die Vorlage für Kubricks Film kennenlernen wollen.

Bewertung: 4/5

geschrieben von Doreen Matthei

Das Buch „Arthur Schnitzler: Traumnovelle“  online lesen im Projekt Gutenberg

Quellen:

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