„Der englische Patient“ von Michael Ondaatje (1992)

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384 Seiten / dtv Verlagsgesellschaft / 10,90 €

Buchkritik: Im Jahr 1997 gewann „Der Englische Patient“ von Anthony Minghella den Oscar als ‚Bester Film‘. Der Film basiert auf den Roman „Der englische Patient“ (OT: „The English Patient“) des kanadischen Autors Michael Ondaatje. Er schuf ein Buch, das einem auf den ersten Blick unverfilmbar erscheint, denn es vermischt ohne klare Übergänge Erzähltes mit Erlebtem, Personen-Perspektiven und Zeitebenen. 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt die Krankenschwester Hana zusammen mit einem stark verbrannten Patienten zurück in einer ruinösen Villa irgendwo in Italien. Umgeben von Minen, Ruinen und weiteren Gefahren, pflegt sie den vermutlich englischen Gentleman, der dafür von seinen Leben und Studien erzählt. Als sich noch zwei weitere Männer, der Dieb und Spion Caravaggio und der Minenentschärfer Kip ebenfalls in der Villa einfinden, entwickelt sich eine neue Dynamik und ein scheinbarer Alltag.

Der kanadische Schriftsteller und Dichter Michael Ondaatje (*1943) niederländisch-tamilisch-singhalesischer Herkunft schuf mit „Der englische Patient“ 1992 die Vorlage für den bekannten, gleichnamigen Film mit Ralph Fiennes und Juliette Binoche in den Hauptrollen, der 1997 u.a. den Oscar als ‚Bester Film‘ erhielt. Doch wenn man die Vorlage liest, erscheint eine Verfilmung fast unmöglich. Die Handlung begrenzt sich auf wenige Elemente. In der Villa treffen vier unterschiedliche Menschen aufeinander, die durch den gerade zu Ende gehenden Krieg und die sommerliche Hitze an diesem Ort gefangen scheinen. Sie leben nur in ihren Erinnerungen. Dabei erfahren wir mehr von ihrem Leben vor diesem Ort, wie sie es dorthin verschlagen hat und welche Entwicklungen sie geprägt haben. Doch das ist nur der harte Kern des Buches. Um dorthin zu kommen fordert der Autor den LeserInnen viel ab. Denn es ist mühevoll sich in den Roman hinein zu arbeiten. Zu zerfasert und sprunghaft sind die Fragmente der einzelnen Geschichten. Manchmal braucht man eine Weile, um zu erkennen, wessen Erinnerungen gerade aufleben. Ondaatje schafft es zudem nicht, den Figuren genügend Leben einzuhauchen. Die Charaktere sind langweilig und sperrig. Dazu ist auch nicht förderlich, dass er manchmal ganz abschweift und über Winde und die Wüste palavert. Man liest sich sehr schwer rein in das 384 Seiten starke Buch, was auch damit zusammenhängt, dass Ondaatje es mit seiner Art zu schreiben einem nicht leicht machen will. Absichtlich verschwurbelt kommt die Sprache daher und passt so wunderbar zu dem kaum vorhandenen roten Faden, der dazu immer wieder gekappt wird. Dieses Buch eignet sich nur für LeserInnen, welche sich gern komplett in einer Geschichte verlieren und Unklarheiten in Kauf nehmen können. Das alles merkt man auch der filmischen Adaption von Anthony Minghella an, welche ebenfalls nicht jedermanns Geschmack trifft. Im Gesamten ist „Der englische Patient“ ein störrisches Buch, welches sich gewiss nicht jedem erschließt.

Fazit: Der Roman „Der englische Patient“ erzählt eine zerfaserte Geschichte mit unterschiedlichen Charakteren und starken Geschichtseinsprenkelungen. Dabei verliert sich Autor Michael Ondaatje immer wieder in den Passagen und macht es den LeserInnen durch eine fehlende Struktur, viele Perspektivwechsel und sich in Ausschweifungen verlierenden Passagen schwer sich an die Geschichte und der Figuren zu binden. So entsteht ein Gefühl von Langeweile beim Lesen, wie es auch der Film von Anthony Minghella hervorruft.

Bewertung: 2/5

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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