Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
Letzte Artikel von Doreen Kaltenecker (Alle anzeigen)
Interview: Im Gespräch mit der österreichischen Filmemacherin Jasmin Baumgartner konnten wir mehr über ihre Dokumentation „Robin’s Hood“, der auf dem 63. DOK Leipzig lief, erfahren, u.a. wie es sie Robin kennengelernt hat, warum sie ein Trainingslager für den Verein mitbezahlt hat und wie es möglich wurde, das Material von sieben Jahren in einen Film zu verwandeln.
Erzähl mir zu den Ursprüngen des Films – wie bist Du auf Robin und seinen Fußballclub aufmerksam geworden?
Robin war damals, also 2008 oder 2009, Veranstalter in Clubs. In Wien gab es damals einen Nachtclub namens „Pratersauna“ und seine Veranstaltung hieß „Hart aber Herzlich“. Robin hat in meiner Nähe gewohnt und wir sind eine Zeit lang vormittags zusammen laufen gegangen. Er war davor mal im Gefängnis und meinte, als ich dann auf die Filmhochschule kam, dass ich einen Film über ihn machen könnte. Zwei Jahre später hab ich dann begonnen den Fußballverein zu portraitieren. Anfangs sollte es sehr viel mehr um Robin gehen, aber der Verein hat sich in den Vordergrund gespielt.
Wie ging es dann weiter – war Robin sofort dabei?
Ich hab ihm mal geholfen seinen Reisepass wiederzubekommen. Vertrauen war da. Über den langen Zeitraum, in dem der Film entstanden ist, war er öfters mal mehr, mal weniger motiviert. Das Fußballtraining vom RSV war drei Mal die Woche. Es ist schwer, während einer Recherche ein Maß zu finden, wann es wichtig wäre, vor Ort zu sein. Wir hatten Phasen, in denen wir drei Mal die Woche am Fussballplatz waren und dann wieder Monate lang nicht. Wie die Spieler, wenn sie nicht zum Training kommen, dann auf der Bank sitzen müssen, so war es auch bei mir. Je seltener ich da war, umso weniger Meter hatte ich.
Eine der größten Stärke ist die Offenheit Robins – auch in politischen Themen. Dadurch bekommt Der Film eine zusätzlich sehr starke Aussagekraft. War Dir das vorher klar? Hast Du deshalb Robin auch ausgewählt?
Ja, auf jeden Fall. Robin hat viele sehr Eigenschaften, die ich selten in Menschen gesehen hab. Er hält sein Wort und vergisst nie. Das hat mich oft überrascht. Ich kannte ihn ja nicht nur vom Fußballplatz, sondern auch vom Nachtleben, wo es ja eigentlich um Exzess geht. Aber er hat eine bemerkenswerte Klarheit und Aufmerksamkeit auch um 5 Uhr morgens auf einer Tanzfläche. Mir sind Leute begegnet, die ihn als Oldschool O.G beschrieben haben. Er steht zu seinem Wort und merkt sich auch was er sagt. Es geht über Handschlagqualität hinaus, weil er halt auch sehr empathisch ist. Mich hat seine Art immer sehr fasziniert, weil das ja nicht unbedingt in diese ‚Like for Like‘-Zeit passt.
Über welchen Zeitraum hast Du ihn und die Spieler begleitet? Wie viel Material ist entstanden – war es schwierig die richtige Auswahl zu treffen?
Ohne Matthias Writze, den Editor, wäre dieser Film niemals fertig geworden. Der hat das halt wirklich durchgezogen mit dem Sichten. Das Sitzfleisch, das Matthias bewiesen hat von morgens bis abends, war existenziell für diesen Film. Es hätte auch ein ganz anderer Film werden können. WIr hatten Material von sieben Jahren.
Du teilst Deine Dokumentarfilm in Kapitel ein – entstand das erst im Schnitt oder hattest Du bereits Ideen dafür im Vorfeld? War Dir klar an welcher Stelle der Film enden sollte?
Die Kapitel entstanden im Schnitt und waren notwendig, um einen Rahmen zu finden. Wir haben uns dazu entschlossen um keinen zweistündigen Film zu machen. Die Kapitel sind natürlich viel härter als organische Übergänge, die in unserem Fall zu viel Zeit beansprucht hätten. Ich hab den ganzen Drehzeitraum auf ein bestimmtes Ende hingearbeitet, das nie eingetreten ist. So endete der Film ganz nach Robin „Es is vorbei, wenns vorbei is“.
Wie groß war Dein Team? Wie war es als Frau unter all den (auch etwas testosteron geladenen) Männern zu drehen?
Wir waren ja ein Mini-Team an Frauen am Set. Meistens nur Regie und Kamera. Ich würd sagen, es war eine spannende Kombination. Ich hab Fußball und seine Regeln durch den RSV erst richtig kennengelernt. Mir selbst fiel das Testosteron kaum auf, obwohl ich da sehr sensibilisiert bin. Ich denke, man kann das nicht pauschalisieren. In unserem Fall, war es super comfy und kein Thema für zwei Frauen unter hundert Männern am Fußballplatz. Es reicht aber für gewöhnlich ein Arschloch im Raum, damit die Stimmung kippt.
Kannst Du mir noch mehr zu den Zeit im Trainingslager erzählen – stimmt es das ihr bei der Finanzierung dessen geholfen habt?
Wir haben das Trainingslager finanziert. Unsere Freunde von Bonkers, eine Kryptowährung für Sportwetten haben uns das finanziert. Das Trainingslager war auch so der letzte große Drehblock vom Film und hätte fast ein eigener werden können. Man merkt, dass, wenn ein Verein wie der RSV, der seinen Antrieb von politischen Idealen und humanistischen Spirits bezieht sich in diese Leistungswelt bewegt, ein Funke verglüht. Gleichzeitig ist die Fluktuation bei bei so einem Verein so hoch, dass einfach dauernd Spieler kommen und gehen. Die Oldies, die mit waren im Trainingslager, wie Papy und Dragi treffen auf die ganz jungen Spieler. Robin hat sich am Trainingslager viel im Zimmer verkrochen und wir haben versucht ihn mit Süßigkeiten rauszulocken.
Wie geht es Robin und den Spielern jetzt – den Verein gibt es ja nicht mehr? Hast Du noch Kontakt?
Ich habe noch Kontakt, aber es ist gegenwärtig halt einfach eine außergewöhnliche Zeit. In Wahrheit hab ich zu Niemand wirklich Kontakt, außer man zählt halbnahes Social Media reinchecken. Wir sind ja noch mittendrin in der Verwertung von unserem Film und ich freu mich drauf, wenn wir uns bei Filmscreenings treffen werden.
Konnten die Portraitierten den fertigen Film schon sehen und wenn ja wie fanden sie ihn?
Das war ein wahnsinnig schöner Prozess. Alle waren maximal supportiv, was unseren Film betrifft. Niemand hatte jemals etwas dran auszusetzen. Keine Eitelkeiten, keine Änderungswünsche. Was einem Wunder nahe kommt, bei der Menge an Menschen die wir vor der Kamera hatten. Bei unserem Mini Budget, war halt echt auch klar, dass sich niemand vom Team bereichern will.
Sind bereits neue Projekte geplant? Wirst Du dem Dokumentarfilm treu bleiben?
Ich liebe den Dokumentarfilm. Ich hab in den letzten Jahren dokumentarisch in Nairobi, Sarajevo und Teheran gedreht. Man baut dabei immer Beziehungen zu Menschen auf, die etwas sehr Privates von sich beisteuern – und dann fährt man heim. Mich erinnert dieser Blues sehr an die Gastronomie. Das ist ganz hart, schnelle Nähe gehen lassen zu können. Man muss ganz nah dran sein, darf nicht zu nah dran bleiben. Das kann schon weh tun. Es ist eine ganz andere Nähe, ein ganz anderes Erlebnis als Fiktion. Ich denke als nächstes Projekt, möchte ich gerne einen Spielfilm umsetzen. Im allerbesten Fall mit dokumentarisch realistischen Elementen.