„Nico“ (2021)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: „Nico“ (Deutschland, 2021) ist das Spielfilmdebüt der deutschen Regisseurin Eline Gehring, der auf dem 42. Filmfestival Max Ophüls Preis seine Weltpremiere feierte und mit einem Preis für den ‚Besten Schauspielnachwuchs‘ ausgezeichnet wurde. Gehring erzählt nach einem eigenem Drehbuch eine Geschichte von Trauma, Mut und Freundschaft und der notwendigen, inneren Stärke.

Die Deutsch-Perserin Nico (Sara Fazilat) führt ein eigenbestimmtes selbstbewusstes Leben in Berlin. Im Vordergrund steht dabei ihre Arbeit als Pflegerin und die Zeit mit ihrer besten Freundin Rosa (Javeh Asefdjah). Als sie aber eines Abends überfallen und zusammengeschlagen wird, bricht ihre Welt zusammen. Sie fühlt sich nicht mehr sicher und kann das Leben nicht mehr genießen. Daraus helfen ihr nur ein Karatekurs und die neue Freundschaft zu Ronny (Sara Klimoska), welche sie auf dem Rummel kennengelernt hat.

Die Regisseurin Eline Gehring (*1984), die mit diesem Film ihren Abschluss an der DFFB (Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin) macht, erzählt eine Geschichte mitten aus dem Leben, für die sie auch das Drehbuch schrieb. Dabei findet sie eine stimmige Mischung aus cineastischem Erzählen, in dem u.a. die Ereignisse verdichtet werden, und starker Realitätsnähe. Diese ist überall präsent – nicht nur bei der Bebilderung der Tat selbst und

Sara Fazilat

dem damit einhergehenden Trauma, sondern auch bei den Alltagsschilderungen, der Pflegearbeit und der Freundschaft zweier Frauen. Gehring erzählt eine Geschichte mit lebensechten Personen, natürlichen Beziehungen und Dialogen. Im Vordergrund stellt sie selbstbestimmte, junge Frauen und ihr gegenseitiges Miteinander und fängt so viel mehr die Realität von Frauen ein als der typische Kinofilm. Im Zusammenspiel mit dem sich sehr schmerzlich anfühlenden Übergriff entstand so ein starker Film, der die ZuschauerInnen packt und bis zum Ende dank gelungener Spannungskurve und interessanter Charaktere nicht mehr loslässt.

Sara Fazilat

Die Inszenierung schmiegt sich dabei wunderbar an die Geschichte an. Mit einer beweglichen Kamera und einer natürlichen Licht- und Farbwahl ist auch der Look der authentischen Story geschuldet. In dieser Welt bewegen sich die SchauspielerInnen, welche zum Teil Laien- und professionelle DarstellerInnen sind, wunderbar souverän. Der Karatelehrer Andreas Marquardt und die pflegebedürftige Brigitte Kramer bestechen mit ihrem authentischen Spiel, in dem sie einfach nur sie selbst sind. Hinzu kommt die großartige Besetzung mit den drei Darstellerinnen Sara Fazilat, Sara Klimoska und Javeh Asefdjah. Diese überzeugen mit ihrem naturalistischen Spiel. Vor allem Sara Fazilat, die dafür auf dem 42. Filmfestival Max Ophüls Preis mit dem Preis für den ‚Besten Schauspielnachwuchs‘ ausgezeichnet wurde, nimmt einen sofort in Beschlag und man kann die ganze emotionale Palette von Wut, Trauer, Freude und Kampfgeist bei ihr spüren. Aber gerade im Zusammenspiel mit Javeh Asefdjah steht sie für ein aktuelles Frauenbild, das man leider viel zu selten auf den Leinwänden sieht. Die Freundschaft ist ungekünstelt und dreht sich eben nicht (wie leider so oft) um Männer, sondern um sie beide. Alles in allem ist der Film auch optisch perfekt auf die Geschichte abgestimmt und glänzt mit einer hervorragenden Besetzung und so war „Nico“ eines der Highlights des diesjährigen Filmfestivals Max Ophüls Preis und wird im nächsten Jahr in den Kinos zu sehen sein.

Fazit: Der deutsche Spielfilm „Nico“ ist das gelungene Debüt der Regisseurin Eline Gehring, welche hier mit viel Authentizität und großartigen DarstellerInnen eine Geschichte mitten aus dem Leben erzählt. So handelt der Film einerseits vom Frausein in der Großstadt, andererseits von Stärke, Mut und Angst. Im Fokus ihrer Geschichte stehen dabei wunderbarerweise nicht die immer wieder gleichen Abziehbilder, die man sonst in Filmen sieht, sondern ein diverser Cast erweckt die Figuren zum Leben und macht „Nico“ zu so einem starken Film.  

Bewertung: 8/10

Kinostart: vorraussichtlich Herbst 2022

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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