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Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Künstler Bobby Would? Habt ihr vorher schon zusammengearbeitet?
2017 habe ich an der Produktion „ein Volksfeind“ von Matthias Rippert am Vorarlberger Landestheater Bregenz als künstlerische Assistenz mitgearbeitet. Robert Pawliczek (aka Bobby Would) arbeitet oft mit Matthias Rippert zusammen und schreibt u.a. Musikstücke für seine Theaterproduktionen. In dem Zusammenhang haben wir uns da kennengelernt und zusammengearbeitet. Der Song „Vicious“ ist während der Produktion entstanden. „Vicious“ war also der erste Song auf dem folgenden Album „Baby“ von Bobby Would, welches erst zwei Jahre später entstand. Für die Produktion seines Albums fragte Robert verschiedene Künstler:innen an, ein Video für einen Song des Albums zu produzieren.
Wie ging es danach weiter – wie kam der Film von Michelangelo Antonioni ins Spiel?
Die backing tracks der Songs auf dem Album sind gesampelte 50er und 60er Balladen. So stand schon einmal die Möglichkeit im Raum sich auf die Zeitlichkeit zu beziehen. Da ich außerdem schon viel mit Found–Footage gearbeitet habe, war das ein Anreiz Found–Footage aus den 50er/60er Jahren zu schauen und zu suchen. Für den Rechercheprozess habe ich ein paar 50er / 60er Filme geschaut, mich aber schlussendlich für „L’eclisse“ entschieden, den ich bereits kannte. „L’eclisse“ beschreibt eine Beziehung zweier Personen, die sich kennenlernen und einander annähern, dabei aber immer wieder auf Distanz gehen. Sie scheint das Gefühl von Verlorenheit mehr zu verbinden als von Liebe.
Kannst Du mir mehr über den Schnittprozess erzählen – welches Konzept hast Du verfolgt – wie hast Du schlussendlich zu dieser Form gefunden?
Der Schnittprozess war dann eher intuitiv und ich habe mich am Song orientiert, der einen sehr hypnotisierenden Rhythmus vorgibt. Antonionis Bilder sind ja schon sehr stark in sich. Mir war wichtig, dass man die Gesichter der Protagonist:innen nicht wirklich sieht. Deswegen sind in der ersten Hälfte des Videos die Protagonist:innen nur mit dem Rücken zu uns gewandt, und erst beim ‚Verschmelzen‘, also beim ‚Suchen im Anderen‘, schauen die Gesichter uns an. Durch den schnellen Gegenschnitt, verschwimmen sie aber miteinander, so dass beide ihr Gesicht vor uns wahren.
Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen?
Seit 2012 studiere ich an der Kunsthochschule Kassel bei Bjørn Melhus und Kerstin Honeit in der Videokunst. Ich bin vom Comic in den Film gewechselt, nicht zuletzt weil ich schon immer eine Passion für Sound und Bild hatte und Sound mindestens 50% eines Films ausmacht. Ich glaube eine Sache, die ich aus dem Studium mitgenommen habe, ist, laut Professor, so viel Filme wie möglich zu schauen und beim schneiden viel auszuprobieren, auch mit gefundenem Material, das trainiert das Auge und man lässt sich immer neu inspirieren und kann dann im Endeffekt auch besser entscheiden, was man selber gerne umsetzen möchte. Im Film und in der Videokunst kann man eben auf vielen Ebenen gleichzeitig arbeiten und das begeistert mich so daran. Auch sagt man ja, dass ein Film immer wieder neu entsteht, an verschiedenen Punkten: Beim Konzeptschreiben, beim Drehen und im Schnitt/Postproduktion. Diese Art von Arbeit finde ich sehr bereichernd, da sie immer wieder Luft für neue Ideen lässt und man sich immer wieder neu darauf einlassen muss und gleichzeitig über einen langen Zeitraum daran arbeitet.
Sind bereits neue Projekte geplant?
Der Film selbst stellt sich mehrere Fragen: Zum einen behandelt er das Thema Ambiguitätstoleranz, also das Aushalten komplexer und widersprüchlicher Sachverhalte. Dazu sucht unser Filmteam den Sehnsuchtsort im Schrebergarten und versucht sich diesen artifiziellen Ort zu nähern. Der Schrebergarten wird Bühne, wird Protagonist, wird zum Versuchsfeld, an dem Fragen an unsere Gesellschaft adressiert werden: Wie kann eine Gesellschaft voller Unterschiede existieren? Was ist der Unterschied zwischen Empathie und Einfühlung? Hat das etwas mit Kollektivität zu tun oder ist es Etwas, an dem ich mich an mir selber abarbeite? Was für eine Annahme habe ich eigentlich von meinen Nachbar:innen? Im Kleingarten werden somit auf engstem Raum Themen verhandelt, bei dem sich alle Beteiligten im Weg stehen.
Des Weiteren stellt sich der Film die Frage, inwiefern Schauspielen als Methode für eine Gesellschaft nutzbar sein kann und inwiefern man anhand der Methodik, welche nicht nur kognitiv und emotional begründet, sondern auch bewusster in Hinsicht auf Körperlichkeiten ist, verschiedene Perspektiven einnehmen kann. Unterschiedliche (Körper-)Haltungen und Wandelbarkeit treffen auf unterschiedliche Zu- und Einschreibungen: Die Gleichzeitigkeit der Körperlichkeiten aller wesenden Menschen und der nichtmenschlichen Akteure (u.a. Schrebergarten und Filmequipment) suchen nach dem zärtlichsten Miteinander.
Der Film trägt den Titel „Private Moment“ – ein Fachbegriff aus der Schauspiel-Theorie. Diese besagt, dass die:er Schauspielende zwecks Imagination einen privaten Raum herstellt und auf die Bühne bringt und somit die Durchlässigkeit der Gefühle und Stimmungen der:s Schauspielenden projiziert werden. Die Methode kommt aus dem Method-Acting und soll eine größtmögliche Authentizität im Spiel erzielen. Ich sehe diese Methode kritisch und fand aber die Idee, den Begriff mit den vermeintlich privaten Monologen und Dialogen des Teams und der Schauspielerin, die während des Filmdrehs mitgezeichnet wurden und Teil des Films werden, zu verbinden. Somit steht der Begriff im Film auch für das Private im Öffentlichen, die Grenze zwischen Inszenierung und Dokumentation verschwimmt, so wie der Schrebergarten als Set auch ein Ort ist, an dem Privates und Öffentliches schwer trennbar ist.
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Vicious“