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Nach dem Dokumentarfilm „The Case You“ folgt nun mit „Fluffy Tales“ Dein nächster Film, der sich mit Machtstrukturen und Missbrauch im Arbeitsumfeld auseinandersetzt. Doch diesmal gehst Du es als Satire und Spielfilm an. Warum hast Du Dich für diesen Weg entschieden?
Tatsächlich ist „Fluffy Tales“ sehr spontan entstanden, denn eigentlich wollte ich einen ganz anderen Film drehen, der überhaupt nichts mit Machtstrukturen zu tun hatte. Der Dreh war für März 2020 angesetzt, alles war bereit – wir hatten einen großartigen Cast, ein top vorbereitetes Team und dann kam Corona. Drei Tage vor unserem Drehbeginn erhielten wir den Anruf, dass die Produktion mit sofortiger Wirkung gestoppt wird. Dann haben wir monatelang darauf gewartet, den Dreh wieder aufnehmen zu dürfen. Im Sommer war es schließlich so weit. Drehen war wieder möglich, jedoch nur unter sehr spezifischen Auflagen, wie zum Beispiel keine Berührungen vor der Kamera. Da diese in unserem ursprünglich geplanten Projekt jedoch ausschlaggebend für die Narration waren, war recht schnell klar, dass wir diesen Film nicht umsetzen konnten. Um unseren Drehslot jedoch beibehalten zu können, hat jedes einzelne Department eine Höchstleistung vollbracht und innerhalb weniger Wochen ein komplett neues, coronakonformes Filmprojekt auf die Beine gestellt. Inhaltlich fragte ich mich, wie ich eine intime Situation auf 1,50m Abstand erzählen könnte und da kam ich auf die Idee eines Fotoshootings. Aus Zeitgründen griff ich also auf meine Recherchen über Grenzüberschreitung und Machtstrukturen zurück, die ich in den Jahren zuvor für meinen Dokumentarfilm „The Case You“ erarbeitet hatte. Eine Satire zu drehen, reizte mich sowieso schon lange, da ich diese auch selbst sehr gerne anschaue. So kam eins zum anderen und am Ende entstand „Fluffy Tales“.
Es war der Zweitjahresfilm meines Regiestudiums an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Dafür bekommt man regulär sechs Drehtage. Da unsere wunderbare Hauptdarstellerin Alexandra Sagurna jedoch fest am Theater ist und nur fünf Tage frei bekommen hat, haben wir uns vorgenommen, es in dieser verkürzten Zeit zu schaffen. Am Set waren wir circa 30 Leute. Und natürlich ein Hund.
Wo habt ihr den Film umgesetzt?
Wir haben dank eines sehr netten Motivgebers im obersten Stock des Viktoriaspeichers in Berlin-Kreuzberg drehen dürfen. Visuell war der Raum großartig, für den Ton jedoch war es nicht ganz so leicht. In dem Gebäude sind jede Menge Getränkelager, weshalb ständig ein Lastenaufzug hoch und runter fuhr. Dann mussten wir den jeweiligen Take abbrechen und nochmal neu ansetzen. Außerdem stellten wir am ersten Drehtag zu unserem Schrecken fest, dass nebenan ein neuer Beachclub eröffnet hat, der ab sofort jeden Tag ab 16 Uhr laute Musik spielen würde. Im Endeffekt hatten wir statt der geplanten fünf Drehtage also beinahe nur vier vollständige.
Was lag Dir visuell am Herzen? Inwiefern greifst Du auf die Realität zurück?
Mir war es wichtig, eine gewisse Stilisierung zu schaffen, um eben keine absolute Realität vorzugaukeln sondern klarzustellen, dass wir uns in einer Art Metapher befinden. Es sollte um Grenzüberschreitungen gehen, die sich auf viele Situationen und Lebenswelten übertragen lassen. Dennoch sollte die Stilisierung nicht so prominent sein, dass bei den Rezipierenden automatisch eine Distanz zum Gesehenen entsteht. Ich wollte sie immer tiefer in die Geschichte eintauchen und mit Protagonistin Ella mitfühlen lassen. Visuell hat es uns großen Spaß gemacht, dieses Mikrouniversum zu erschaffen. Wir haben uns im Szenenbild beispielsweise einer sehr konsequenten Farbpalette bedient und kameraperspektivisch z.B. immer auf Ellas Augenhöhe erzählt, um niemals auf sie herab zu schauen.
Die Besetzung ist großartig. Wie hast Du sie zusammengestellt? Nach welchen Kriterien hast Du die SchauspielerInnen zusammengearbeitet?
Ohja, der ganze Cast ist genial. Ich habe eigentlich alle über intensive Online-Recherchen gefunden. Nur Lorenz Krieger, der den Assistenten Magnus spielt, kannte ich schon vorher, denn er ist in meinem Jahrgang an der Filmuniversität. Vor allem das Casting für die Hauptrolle Ella war anspruchsvoll, da es galt, eine Schauspielerin zu finden, die einerseits fachlich großartig ist, um diesen anspruchsvollen Stoff spielen zu können, und die gleichzeitig in ihrer Physis glaubhaft ein Model verkörpern kann. Alexandra Sagurna hat all das vereint und ich bin super stolz auf sie und ihre tolle Performance.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit dem Hund am Set?
Das war aufregend. Cube ist ein trainierter Filmhund, aber es war sein erster richtiger Dreh. Seine Trainerin hat super mit ihm gearbeitet, doch natürlich kann man in einem solchen Fall nicht alles 1:1 umsetzen, wie es im Drehbuch steht. Das ist aber auch völlig okay, ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis. Ich mochte die Stimmung total gerne, die durch die Anwesenheit des Hundes am Set entstanden ist. Alle waren an diesem Drehtag ganz besonders ruhig und konzentriert. Man sollte öfter mal einen Cube am Set haben.
Welche neue Projekte stehen an?
In den nächsten Tagen stelle ich meinen Abschlussfilm „Schwarmtiere“ fertig, eine Literaturadaption von Rainer Maria Rilkes „Die Turnstunde“ für den Sender 3sat. Und gerade stecke ich mitten in der Produktion einer Serie, für die ich als Autorin und Regisseurin fungieren darf.
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Fluffy Tales“