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The original english language interview is also available.
Was war der Ursprung für Dein einfühlsames Portrait zweier Geschwister?
Das Porträt der beiden Geschwister ist vielmehr ein Symbol für die beiden Kräfte der Träume einer neuen Generation. Das Dorf, in dem der Film spielt, ist ein Umsiedlungsgebiet für einen ethnischen Stamm namens Bunong, nachdem ihr angestammtes Land durch den Bau eines Wasserkraftwerks zerstört wurde. Während der Entwicklung des Drehbuchs recherchierte ich in dem umgesiedelten Land und hörte viele Geschichten von den Menschen, vor allem über ihre Gefühle und ihre Sicht auf die Veränderung ihres Lebensstils, nachdem sie von ihrem Geburtsort in der Natur weggezogen waren. Ich habe gesehen, wie viele junge Menschen begonnen haben, ihre Lebensweise in Richtung eines modernen Lebensstils zu entwickeln, während sie von einer moderneren Zukunft träumen. In ihrem angestammten Land arbeiteten sie in der Fischerei, ernteten im Wald und so weiter. Ihre Lebensmittel stammten größtenteils aus der sie umgebenden Natur. Aber im neuen Land haben einige junge Leute wegen des Mangels an natürlichen Ressourcen begonnen, auf Plantagen in der Region zu arbeiten, während andere in der Stadt arbeiten, um mehr Einkommen zu haben, damit sie sich einige ihrer materiellen Bedürfnisse leisten können. Gleichzeitig hörte ich auch von anderen Menschen, wie sie sich nach ihrem Leben im alten Land sehnten, wo sie der Natur so nahe und verbunden waren. Sie sagten mir zum Beispiel immer, dass sie den Klang wilder Papageien oder den Geschmack wilder Pilze vermissten. Deshalb wollte ich die Geschichte eines Ortes erzählen, an dem Träume von der Zukunft und Träume von der Rückbesinnung auf die Vergangenheit ineinandergreifen, während wir uns fragen, wohin jeder dieser Träume uns führt.
Welche Themen stecken alles in Deinem Film – ich erkenne klar eine Sehnsucht nach einer Natur, die wir immer mehr zurücklassen?
Auch wenn die Geschichte vor dem Hintergrund einer Umwelttragödie spielt, geht es mehr um die Psychologie der Figuren. Wenn man sich die Geschichte und die Gegenwart der Menschheit und der Natur ansieht, ist es oft ein Machtsystem, das Schäden verursacht – durch Krieg oder Umweltausbeutung – und es sind die Individuen, die am Ende den Preis dafür zahlen. Daher geht es in dem Film für mich eher um die Suche nach Selbstheilung bei einem Schaden, der durch ein Machtsystem verursacht wurde.
In welchem Rahmen konntest Du Deinen Film realisieren?
Das Drehbuch wurde seit 2017 über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt. Die erste Produzentin des Projekts, Sophea Kim, erhielt einige Mittel durch private Investitionen, eine Online-Fundraising-Plattform und einige Nichtregierungsorganisationen. Später wurde das Projekt mit einer lokalen Produktionsfirma, Anti-Achieve, produziert, die einen Zuschuss von der SGIFF SEA-SHORTS Film Grant erhielt, der es ihr ermöglichte, den Film fertigzustellen.
Die Dreharbeiten zu dem Film waren ein ziemliches Abenteuer. Einige Wochen vor den geplanten Dreharbeiten fuhr ich zuerst zum Drehort, um den Ort zu erkunden und mit den Schauspielern zu proben. In letzter Minute wurde das Land wegen der Pandemie in verschiedenen Regionen abgeriegelt. So war es für unsere Crew unmöglich, zum Drehort zu kommen. Ich saß im Dorf fest, aber zum Glück hatte ich eine Kamera und eine einfache Tonausrüstung dabei. Wir konnten das Ende des Lockdowns nicht abwarten und so beschlossen mein Produzent Daniel Mattes und ich, einen verrückten Plan auszuhecken: Da ich bereits am Drehort und bei den Schauspielern war, konnte ich den Film alleine drehen.
Ich nahm die Herausforderung an. Ich habe einige junge Leute aus dem Dorf zusammengetrommelt und sie ein bisschen in Teamarbeit geschult, als Assistenten, Requisiteure, Location Manager, um mit mir am Filmset zu arbeiten. Es war eine sehr aufregende, aber auch aufregende Erfahrung. Die Dorfbewohner haben uns freundlicherweise ihre Grundstücke für unser Set-Design zur Verfügung gestellt. Es war eine schöne Erinnerung und Erfahrung für mich, da wir in einem reinen Geist der Stammessolidarität zusammengearbeitet haben.
Wo habt ihr gedreht und wie lange?
Der Film wurde 14 Tage lang gedreht, aber einige Tage dazwischen haben wir aufgrund der Wetterbedingungen nicht gedreht oder wir haben nur in der Morgendämmerung gedreht, um eine gute natürliche Beleuchtung zu haben.
Der Film wurde in zwei indigenen Dörfern im Norden Kambodschas gedreht. Das eine Dorf ist ein Entschädigungsgebiet, in das eine Stammesgemeinschaft, die Bunong, eingezogen ist, nachdem ein Wasserkraftwerk ihr angestammtes Land überflutet hatte. Das andere Dorf ist ihr angestammtes Land, das durch den Staudamm überflutet wurde. Die Orte sind die tatsächlichen Schauplätze der Ereignisse.
Dein Film besitzt eine beinah dokumentarische Qualität. Was lag Dir visuell am Herzen?
Mein Ansatz war es, die Geschichte so natürlich wie möglich aussehen zu lassen, da sie auf einer wahren Begebenheit beruht. Das natürliche Licht war der Schlüssel, und ich ließ die Schauspieler mit verschiedenen Aufgaben improvisieren, die sie in ihrem täglichen Leben tun würden; so waren die Dreharbeiten so, als ob ich ihr wirkliches Leben filmen würde.
Wie und nach welchen Kriterien hast Du Deinen Cast zusammengestellt?
Ich mache seit etwa fünf Jahren einen Dokumentarfilm über die Orte, an denen der Film gedreht wurde. Daher kenne ich die Dorfbewohner sehr gut. Ich wollte, dass die Figuren in der Geschichte von echten Menschen gespielt werden, die sich mit den Konflikten, mit denen sie im wirklichen Leben konfrontiert sind, und mit den Orten, an denen sie leben, vertraut fühlen können. Daher beschloss ich, die Schauspieler aus dem Dorf zu besetzen, in dem sich die Ereignisse tatsächlich zugetragen haben.
Wie geht es nach der Berlinale mit Deinem Film weiter?
Nach der Berlinale wird „Further and Further Away“ Anfang April 2022 beim Aspen Shortfest seine USA-Premiere feiern.
Kannst Du mir noch ein bisschen mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?
Nach meinem Schulabschluss ging ich in die Stadt, um Medizin zu studieren. Zu dieser Zeit konnte ich mir in der Mediathek eines französischen Kulturzentrums, in dem ich Französisch lernte, einige unabhängige Filme ansehen. Seitdem hat sich mein Interesse am unabhängigen Kino entwickelt. Ein paar Jahre später drehte ich meinen ersten Kurzfilm, ohne jegliche Kenntnisse über das Filmemachen. Es gab in dem Land überhaupt keine Filmschule. Ich wusste nicht einmal, was ein Drehbuch ist. Mein Film wurde nur auf der Grundlage von Handlungsnotizen gedreht, die ich auf ein Blatt Papier schrieb – wie ein Kinderspiel. Aber ich glaube, ich habe viel gelernt, indem ich mir Filme angesehen und Filme gemacht habe. Später entdeckte ich das Filmemachen tiefer, indem ich einige Kurzfilmkurse besuchte und weitere Kurzfilme/Dokumentarfilme drehte. Bis zu einem Punkt, an dem ich mir meiner Liebe zum Kino sicher war, beschloss ich, mein Medizinstudium abzubrechen und den Weg des Filmemachens einzuschlagen. Auch heute noch ist das Filmemachen für mich ein riesiges Universum, das es zu erkunden gilt.
Sind bereits neue Projekte geplant?
Seit 2017 arbeite ich an meinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm über eine indigene Familie, die dafür kämpft, in ihrem angestammten Wald zu leben, nachdem der Stausee eines Wasserkraftwerks ihr Dorf und ihr Waldland in Beschlag genommen hat. Die Geschichte wird durch die Reise einer alleinerziehenden Mutter erzählt, die auf der Suche nach Frieden für ihren Geist, ihre Familie und ihr Land durch ein Auf und Ab im Leben gegangen ist.
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Übersetzung von Michael Kaltenecker
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Further and Further Away“
Interview: In our conversation with Cambodian director Polen Ly, we were able to learn more about his 24-minute short film “Further and Further Away” (OT: “Chhngai Dach Alai”), which premiered at the 72nd Berlinale as part of the ‘Berlinale Shorts’ program, how the story evolved from true events, what was close to his heart during the realization, and how he had to spontaneously change the shooting due to Corona.
What was the origin of your sensitive portrait of two siblings?
The portrait of the two siblings is rather a symbol of two forces of dreams in a new generation. The village, where the film took place, is a resettled land for an ethnic tribe, called Bunong, after their ancestral land was destroyed in a hydro-electric dam’s reservoir. While developing the script, I was in research in the resettled land and got to hear many stories from people, especially on how their feeling and view towards the change in their lifestyle after they moved away from their birthplace in nature. I saw many young people start to develop their way of life towards a modern lifestyle, while dreaming of a more modern future. In their ancestral land, they worked in fishing, harvesting in forest, and so forth. Their foods were based mostly from the nature around them. But in the new land, because of lack of natural resources, some young people started to work in labor for plantations in the region, while some pursue to work in the city to have more income in order to afford some of their materialistic needs. At the same time, I also heard from other people how they felt nostalgic for their life in the old land, where they were so close and connected with nature. For example, they always told me that they missed the sound of wild parrots or the taste of wild mushroom. Therefore, I wanted to tell a story of a place, where dreams of the future and dreams of reconnecting with the past entangle each other while questioning where each of these dreams leads us.
What are the themes of your film? I clearly see a longing for nature that we leave behind more and more.
Even though the story is set in an environmental tragedy, the story deals more with the psychology of the characters. Looking at the history and the present days of both humankind and nature, it’s often a system of power that causes damages – through war or environmental exploitation, and it’s the individuals who pay the price at the end. Therefore, for me, the film’s theme is more about a search for healing oneself in a damage that was caused by a system of power.
In what framework were you able to realize your film?
The script was developed over a long period of time since 2017. The first producer of the project, Sophea Kim, got some funds through some private investment, online fund-raising platform, and some non-governmental organizations. Later, the project was produced with a local production company, Anti-Achieve, which won a grant from The SGIFF SEA-SHORTS Film Grant, which enabled it to finish the film.
The shooting of the film was quite an adventure. Around a few weeks before the planned shooting dates, I went to the location first to work on location scout and rehearsal with actors. At the last minute, the country went into lockdown in different regions due to the pandemic. So, it was impossible for our crew to come to the set. I was stuck in the village, but fortunately, I had a camera and some basic sound equipment with me. We couldn’t wait for the lockdown to end; so, me and my producer, Daniel Mattes, decided to come up with a crazy plan that, since I was already in the location and with the actors, I could shoot the film by myself. I took the challenge. I gathered some young people from the village and gave them a bit of training in team building, as assistants, props, location managers, in order to work with me on the film set. It was a very exciting, but also a roller-coaster experience. The villagers kindly lend us their properties for our set design. It was a beautiful memory and experience for me, as we were working together in a pure spirit of tribal solidarity.
Where did you shoot and for how long?
The film was shot over the course of 14 days, but some days in between we didn’t shoot due to the weather condition or we only shot at dawn for a good natural lighting.
The film was shot in two indigenous villages in the North of Cambodia. One village is a compensation land, where a tribal community, called Bunong, moved in after a hydro-power dam flooded their ancestral land. Another village is their ancestral land, which was flooded by the dam’s reservoir. The locations are the actual places where the event happened.
Your film has an almost documentary quality. What was visually important to you?
For me, my approach was to make the story look and feel as natural as possible, as the story was based on a true event. The natural light was the key, and I had the actors improvised with different tasks that they would do in their daily life; so the film shoot was as if I shot their real life.
How and according to what criteria did you put together your cast?
I’ve been making a documentary for about five years on the locations where the film took place. Therefore, I know the villagers very well. I wanted the characters in the story to be played by real people, who could feel familiar with conflict they faced in real life, and with the locations they lived in. So, I decided to cast the actors from the village, where the actual event took place.
What will happen with your film after the Berlinale?
After Berlinale, “Further and Further Away” will have its USA premiere at Aspen Shortfest in early April 2022.
Can you tell me a bit more about yourself and how you got into film?
After I graduated high-school, I went to the city to pursue medical school. At the time, I had access to watch some independent films in a multimedia library at a French cultural center, where I studied French. My interest in independent cinema started to develop since then. I made my first short film a few years later, without any knowledge of filmmaking at all. There was no actual film school at all in the country. I didn’t even know what a film script was. My film was shot only from notes of actions that I wrote on a piece of paper– like a child play. But, I think I learned a lot from watching films and making films. Later on, I started to discover filmmaking more in depth through attending some short-term film courses and making more short films/documentaries. Until one point, where I was sure about my love for cinema, I decided to stop from medical school and ventured the path of filmmaking. Even nowadays, filmmaking is still a vast universe for me to explore.
Are there already new projects planned?
Since 2017, I have been working on my first feature-length documentary about an indigenous family, who resisted to live in their ancestral forest, after a hydro-power dam’s reservoir took over their village and forest land. The story was told through the journey of a single mother, who has gone through an up-and-down period of life in search of peace for her mind, her family, and for her land again.
Questions asked by Doreen Matthei
Read on the german review of the short film “Further and Further Away“