Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
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Filmkritik: Der animierte Dokumentarfilm „Flee“, der seine Deutschlandpremiere auf dem 63. DOK Leipzig feierte und bei den Oscars 2022 in drei Kategorien nominiert war, ist das Portrait eines jungen Mannes, der jahrelang auf der Flucht war.
Während seiner Kindheit lebte Amin bereits länger in der Zeit von politischen Unruhen in seinem Heimatland Afghanistan. Als der Vater verschwindet, verschärft sich die Situation, so dass die Mutter mit ihm und seinen Brüdern fliehen musste. Die nächste Station auf ihrer Flucht in den Norden – ihr Ziel ist ein Verwandter in Schweden – ist Russland. Dort bleiben sie einige Jahre, in denen sich Amin immer mehr fragt, wer er eigentlich ist und wo seine Reise enden soll.
Der Animationsfilm „Flee“ war einer der großen Überraschungen auf der diesjährigen Oscarverleihung, denn er wurde gleich in drei Kategorien (‚Bester internationaler Film‘, ‚Bester Dokumentarfilm‘ und ‚Bester animierter Spielfilm‘) nominiert, ging aber leider leer aus. Bereits das Publikum des letztjährigen DOK konnte sich von dieser 86-minütigen Geschichte eines Geflüchteten überzeugen. Der Regisseur Jonas Poher Rasmussen (*1981) schrieb dabei ein Drehbuch nach dem Leben eines Freundes, den er bereits zu Schulzeiten kennengelernt hatte, der aber nie dazu bereit war, über seine Fluchterfahrung zu sprechen. Doch nun hat er sich ihm geöffnet und über seine jahrelange Flucht von Afghanistan über Russland, Estland, Schweden nach Dänemark berichtet. Wichtig war ihm, dass er dabei anonym blieb und so entschieden sie sich, seine Geschichte als Animationsfilm zu erzählen. Dieses Medium erlaubte es dem Film, die Ereignisse lebendig auszuschmücken, so dass man als Zuschauer:in schnell involviert ist und zusammen mit Amin die verschiedenen Stationen und die damit einhergehenden Gefühle und das spätere Coming-Out hautnah miterleben kann. So entstand ein warmherziger, authentischer Animationsfilm, der ein Gefühl dafür vermittelt, wie es sich anfühlt (vor allem auch als Kind und Jugendlicher) auf der Flucht zu sein und der dem Thema noch einmal eine Stimme gibt.
Fazit: „Flee“ ist ein bemerkenswerter Animationsfilm, der mit seiner Geschichte und der visuellen Ausschmückung das Publikum an die Geschichte des jungen Amins und seiner langjährigen Flucht bindet. Er macht deutlich, wie es sich anfühlt, als Kind so etwas zu erleben und wie man trotzdem schafft, zu sich selbst zu finden. Er hätte es wahrlich verdient gehabt, einen der drei Oscars zu erhalten.