„Auf einem Sonnenstrahl“ von Tilli Walden (2021)

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544 Seiten / ab 0 Jahren / Reprodukt / 29 €

Buchkritik: Die amerikanische Graphic Novel „Auf einem Sonnenstrahl“ (OT. „On a Sunbeam“) von Tilli Walden verbindet Coming-of-Age mit Science-Fiction und fügt dem Genre ganz unaufdringlich neue Elemente hinzu.

Nach ihrem Schulabschluss kommt Mia an Bord des Schiffes von Charlotte und Alma. Sie führen eine kleine Crew an, die im gesamten Weltraum Restaurierungsarbeiten an verfallener Architektur durchführt. Mia wird schnell ein Teil des Teams und fühlt sich bald zuhause an Bord. Fünf Jahre zuvor in der Schule war sie nur mit Grace vertraut, die aber von einem auf den anderen Tag verschwunden ist. 

Auf 544 Seiten erzählt uns die amerikanische Autorin Tillie Walden (*1996), die bisher bereits sechs Graphic Novels u.a. „West West Texas“ (2019) veröffentlicht hat, eine Coming-of-Age-Geschichte und ein Weltall-Abenteuer. Dabei versetzt sie die Leser:innen unmittelbar in eine Welt, in der die Menschen über den Weltraum verteilt leben, auch dort atmen können und in der es keine Männer gibt. Diese (zukünftige) Welt und wie sie sich dazu entwickelt hat, wird nur angedeutet. Stattdessen spielt die Handlung im Hier und Jetzt. In zwei Zeitebenen erzählt das Buch sowohl die Geschichte von Mia und Grace und ihrer ersten Liebe als auch von ihrer Zeit als Restauratorin an Bord des Schiffes. Zum Ende hin werden beide Stränge zusammengeführt und auch nochmal der Action-Anteil erhöht. 

Die Welt zieht einen sofort in den Bann. Dabei greift sie Elemente wie den Umgang mit historischen Hinterlassenschaften und Umweltbewusstsein genauso auf wie das menschliche Miteinander und queere Themen. In dieser Welt voller Frauen, gibt es aber auch Elliot, die sich selbst als nicht-binär sieht und auf das Pronomen ‚xier‘ besteht. Der Umgang damit wird dabei immer wieder zum Thema. Die Bilder, die Walden für ihre Geschichte findet, sind schlicht und mit wenigen Farben ausgemalt, beflügeln aber trotzdem die Fantasie. Die Zeichnungen fangen wunderbar auch die melancholische Grundstimmung ein. Man merkt ihrer Arbeit auch eine Vorliebe für japanische Kultur wie das Studio Ghibli oder den Schriftsteller Haruki Murakami an. Natürlich ist Waldens Arbeit auch von den großen Science-Fiction-Vorbildern wie den Filmen von Stanley Kubrick geprägt, aber sie erfindet einen neuen, eigenen Kosmos. So entstand eine lesenswerte Graphic Novel, die die Leser:innen in eine andere Welt entführt, von Abenteuern und gesellschaftlichen Strukturen sowie Beziehungen erzählt und damit wunderbar in den Bann ziehen kann.

Fazit: „Auf einem Sonnenstrahl“ von Tilli Walden ist eine Graphic Novel, die in einer Welt angesiedelt ist, in der ausschließlich Frauen leben und deren Zuhause der Kosmos ist. Die Liebe zur großen Science-Fiction-Klassiker sowie zahlreiche Stilanleihen sind erkennbar. Trotzdem schuf die Autorin eine erfrischend neue Geschichte, bei der sie zwar nicht alles erklärt, aber die Leser:innen mit einem starken Plot und auch einem melancholischen Gefühl sofort in den Bann gezogen werden. 

Bewertung: 5/5

geschrieben von Doreen Kaltenecker

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