Sieben Fragen an Carmen Córdoba González

Doreen Kaltenecker
Letzte Artikel von Doreen Kaltenecker (Alle anzeigen)
GONZALVEZ (Carmen Gonzalez)

Interview: Im Gespräch mit der spanischen Regisseurin Carmen Córdoba González konnten wir mehr über Kurzfilm „Roped“ (OT: „Amarradas“), der u.a. im ‚Internationalen Wettbewerb‘ des 30. Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart 2023 (ITFS) lief, wie sie ihre eigenen Erfahrungen von Muttersein und Verlust mit einfließen ließ, was ihr bei der Figurenzeichnung am Herzen lag und warum sie sich diesmal für 2D-Animationen entschieden hat.

The original english language interview is also available.

Obwohl der Film sehr persönlich wirkt, ist er gleichzeitig auch sehr universell. Wie ist die Idee entstanden, über eine Mutter-Tochter-Beziehung zu erzählen?

Dieser Film war für mich eine Art Therapie, denn die Idee dazu entstand durch meine eigenen Erfahrungen. Meine ganze Welt veränderte sich, als ich vor vier Jahren Mutter (von Zwillingen) wurde, und nur drei Monate später erfuhr ich, dass meine Mutter Krebs im Endstadium hatte. Die folgenden Jahre waren sehr intensiv, wie du dir vorstellen kannst, und wir alle erlebten schwierige Zeiten, aber auch schöne Momente voller Lernen und Liebe. Ich habe meine Mutterschaft und meine Tochterschaft von einem ganz besonderen Ort aus gelebt und mich gleichzeitig mit Leben und Tod, Schmerz, Freude, der Idee des Vermächtnisses usw. auseinandergesetzt. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie sich die Beziehung zwischen meiner Mutter und mir im Laufe unseres Lebens entwickelt hat. „Roped“ entstand als eine Möglichkeit, all diese starken Gefühle und Gedanken zu teilen.

Dein erster Film war ein 3D-Animationsfilm – warum hast Du Dich hier für 2D entschieden?

Für mich ist das Wichtigste an einem Film die Geschichte, die ich erzählen will, und von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass diese Geschichte einen stilisierten und einfachen Stil braucht. Über so wichtige Themen wie das Leben, den Tod und die Mutterschaft zu sprechen, erschien mir sehr ehrgeizig, und ich wollte niemandem Lektionen erteilen, sondern nur meine eigenen Gedanken und Gefühle über einige Momente im Leben teilen. Deshalb dachte ich, dass wir einen sehr ehrlichen Stil ohne jegliche Artefakte brauchen. Außerdem haben wir in meinem ersten Film „Roberto“ einige 2D-Effekte eingebaut, und der Prozess hat mir wirklich Spaß gemacht.

Die Figuren sind wunderbarer Weise keine Standard-Abziehbilder, wie sie oft in Animationsfilmen noch gezeigt werden, sondern füllen sich wunderbar natürlich an. Auf was hast Du Dein Augenmerk bei der Figurenentwicklung gelegt?

Die nicht-kanonische Schönheit ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, da ich der Meinung bin, dass sie den Menschen viele Schmerzen und psychische Probleme bereitet, und in meinen beiden Filmen habe ich dem Design der Figuren besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Andererseits ist eines der schönsten Dinge an meiner Schwangerschaft und meiner Mutterschaft die Beziehung zu meinem eigenen Körper. Ich habe mich einfach in ihn verliebt, seit dieser ganze unglaubliche Prozess begonnen hat. Ich konnte die wahre Schönheit unseres Körpers spüren, der ein Wunder vollbringt, wenn er ein neues menschliches Wesen beherbergt, die außergewöhnliche Kraft, die er während der Geburt hat, die Fähigkeit, unsere Babys in den ersten Monaten nur mit unserem Körper zu ernähren. Das Erleben dieses unglaublichen Transformationsprozesses hat mich gestärkt, und ich musste das zeigen, ohne irgendetwas zu beschönigen, denn es ist einfach perfekt und schön, so wie es ist. Deshalb habe ich mich darauf konzentriert, die Verwandlung der Körper im Laufe der Zeit zu zeigen, die Narben, die das Leben auf ihnen hinterlässt, die die lebenden Beweise für unsere Liebe, unser Glück und unsere Opferbereitschaft sind.

Was lag Dir auf visueller Ebene noch am Herzen?

Ein weiterer Grundsatz, den ich von Anfang an im Kopf hatte, war die Verwendung einer hellen und farbenfrohen Palette, um die Energie des Lebens und die Gefühle unserer Figuren auszudrücken. Obwohl es in dem Film auch traurige Momente gibt, geht es um das Licht, die Freude und die Schönheit des Lebens, und ich denke, dass die Verwendung von Farben sehr wichtig ist, um das zu erreichen. 

Ich habe auch das Gefühl, dass die kosmischen Szenen des Films der Geschichte einen philosophischen Ansatz geben, was für mich sehr wichtig war, als zusätzliche Ebene über der eigentlichen Geschichte. Den Look des Universums zu finden, war auch ein angenehmer Teil der visuellen Entwicklung, bei der Hochtechnologie wie VR eine Rolle spielte.

Kannst Du mir auch etwas mehr zur Musik erzählen und warum Du auf Sprache verzichtet hast?

Ich habe mit Fryluka Musical in „Roberto“ gearbeitet und ich habe nicht gezögert, mit ihm in „Roped“ wieder zusammenzuarbeiten, da er ein sehr talentierter Komponist ist und auch eine wunderbare Person, mit der man zusammenarbeiten kann. Für diesen Film suchten wir etwas Minimalistisches, das den visuellen Stil begleitet, und wir wollten auch die Stille oft nutzen, um der Geschichte mehr Dramatik und Realitätssinn zu verleihen. Ich mag es sehr, in Kurzfilmen keine Dialoge zu verwenden, weil man so mehr Zeit hat, die Geschichte zu erzählen, und weil man so gezwungen ist, kreativere und kraftvollere Kommunikationswege zu finden. Natürlich ist es schwieriger, das Publikum dazu zu bringen, das Geschehen ohne Worte zu verstehen, aber wenn man einen Weg findet, dann glaube ich, dass die Ideen und vor allem die Emotionen direkt zu den Menschen gelangen. Es geht darum, poetische und symbolische Wege zu finden, um die Konzepte und Gefühle auszudrücken, und in der Animation haben wir die Möglichkeit, alles zu zeichnen, so dass es sich wie eine natürliche Übereinstimmung anfühlt.

Kannst Du mir noch etwas mehr von Dir erzählen und wie Du zum Film gekommen bist?

Ich hatte gerade meinen ersten Kurzfilm “Roberto” fertiggestellt, als sich all die Emotionen, die mich in diesem Moment erschütterten, in der Idee zu „Roped“ herauskristallisierten. Dieser Film entstand aus all den Gefühlen und Gedanken, die meine kürzliche Mutterschaft und die Krankheit meiner Mutter auslösten, und er war mein persönlicher Weg, all das, was mich emotional belastete, künstlerisch zu verarbeiten, meine Therapie.

Als ich mit dem Projekt begann, waren meine Kinder noch keine zwei Jahre alt, so dass es für mich und den Rest der Familie eine große Anstrengung war, Elternschaft und Arbeit miteinander zu verbinden. Dank meiner Mutter, die uns half, solange sie konnte, und meines Mannes konnte ich genug Zeit finden, um diesen Film zu entwickeln, aber die Produktion war noch schwieriger, da meine Mutter in die letzte Phase ihrer Krankheit eintrat. Für mich war es sehr schwer, nach ihrem Tod die Energie für den Arbeitstag aufzubringen. Die Unterstützung durch das Team und das Wissen, dass wir diesen Kurzfilm als Hommage an sie machen, haben mir sehr geholfen.

Sind bereits neue Projekte geplant?

In der Tat arbeite ich derzeit an zwei Spielfilmen. Der erste mit dem Titel “A world of their own” ist ein reizvoller Film über eine junge Frau, die im Jahr 1929 Malerin werden will, und ich bin die Regisseurin des Projekts. Wir haben die visuelle Entwicklung und das Drehbuch bereits abgeschlossen und erwarten, dass wir den finanziellen Teil dieses Jahr abschließen, so dass wir Anfang nächsten Jahres mit der Produktion beginnen können. 

Außerdem schreibe ich mein erstes Spielfilmdrehbuch, diesmal mit Dialogen, über das gleiche Thema wie in „Roped“, nämlich den Prozess des Erwachsenwerdens einer jungen Frau und das Finden ihres Platzes in der Welt. Ich erforsche auch die Beziehung zu ihrer Mutter, natürlich, und auch zu ihrem Vater und einigen Männern, die sie auf ihrer persönlichen Reise trifft.

Die Fragen stellte Doreen Kaltenecker
Übersetzung von Michael Kaltenecker

Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Roped


Interview: In our conversation with Spanish director Carmen Córdoba González, we were able to learn more about short film “Roped” (OT: “Amarradas”), which screened in the ‘International Competition’ of the 30th Stuttgart International Animated Film Festival 2023 (ITFS), among others, how she incorporated her own experiences of motherhood and loss, what was at the heart of her character drawing, and why she chose 2D animation this time.

Although the film seems very personal, it is also very universal. How did the idea to tell about a mother-daughter relationship come about?

This film has been a sort of therapy for me because the idea came about my own experiences. All my world changed when I became a mother (of twins) four years ago, and just three months later, my own mother told me she had terminal cancer. The following years were very intense, as you can imagine, and we all came through difficult times but also beautiful moments full of learning and love. I lived my motherhood and my daughterhood from a very special place, dealing at the same time with life and death, pain, joy, the idea of legacy,… I reflected a lot about how the relationship between my mother and I had evolved along our lifes. “Roped” arose as a way of sharing all these powerful feelings and thoughts.

Your first film was a 3D animated film – why did you choose 2D animation this time?

For me the most important thing in a film is the story I want to tell, and since the very beginning I felt that this story needed a stylized and simple style. Talking about such important topics as life, death and motherhood seemed to me very ambitious, and I didn’t want to give lessons to anybody, just to share my own thoughts and emotions about some moments in life. That’s why I thought that we needed a very honest style without any artifacts. In addition, in my first film “Roberto” we included some 2D effects and I really enjoyed the process.

The characters are not as stereotypical, as they are often shown in animated films, they look and feel wonderfully natural. What did you focus on when developing the characters?

The non canonical beauty is an issue I really care about, since I feel it causes lots of pain and psychological problems to people, and in both of my films I had put special attention to the character’s design. On the other hand, one of the greatest things about my pregnancy and my motherhood is the relationship with my own body. I just fell in love with it since all this incredible process began. I could feel the real beauty of our body, making a miracle when it hosts a new human being, the extraordinary strength it has during the birth, the capacity of feeding our babies just with our body during the first months… Living this incredible process of transformation has empowered me and I needed to show this without edulcoring anything because it¡s just perfect and beautiful the way it is. That’s why I focused on showing the transformation of the bodies along the time, the scars that life leaves on them, which are the living proofs of our love, happiness and aldo sacrifice.

What else was important to you on a visual level?

Another of the axioms I had in mind since the beginning was to use a bright and colorful palette to express the energy of life and the feelings of our characters. Although there are sad moments in the film, it talks about all the light, joy and beauty of life and I think the use of colors is very important for achieving that. 

Also I feel that the cosmic scenes of the film give the story a philosophical approach, which was very important for me, as an additional layer over the story itself. Finding the look of the universe was also an enjoyable part of the visual development, in which high technology such as VR was involved.

Can you also tell me a bit more about the music and why you did not use language?

I worked with Fryluka Musical in Roberto and I didn’t hesitate to repeat with him in “Roped, since he is a very talented composer and also a wonderful person to work with. For this film we were looking for something minimalist that accompanied the visual style, and also to use the silence quite often to give the story more drama and reality feeling. I really like not to use dialogues in short films because in that way you have more time for telling the story, and also it forces you to find more creative and powerful ways of communication. Of course it’s harder to get the audience to understand what’s happening without words, but if you find the way I think the ideas and mostly the emotions go straight to people. It’s all about finding poetic and symbolic ways to express the concepts and feelings, and in animation we have the possibility of drawing anything so it feels like a natural match.

Can you tell me a bit more about yourself and how you came to make the film?

I just finished my first short film “Roberto” when all the emotions that were shaking me like that moment crystallized in the idea of “Roped“. This film raised from all these feelings and thoughts that my recent motherhood and the illness of my mother caused, and it was my personal way to process thought art all that was beyond me emotionally, my therapy.

When I started the project my kids were still under two years old, so it was a huge effort for me and for the rest of the family to combine parenting and working. Thanks to my mother, who helped us while she could, and my husband, I could get enough time to develop this film, but the production was even harder since my mum entered the final phase of her illness. For me it was very tough finding the energy for the workday after she died. The team’ support and knowing we were making this short film as a tribute to her helped me a lot.

Are there any new projects already planned?

Indeed, I’m working now on two feature films. The first one, titled “A world of their own” is a delightful movie about a young woman who wants to become a painter in 1929 and I’m the director of the project. We already finished the visual development and the script and we expect to complete the financial part this year so we can start production early next year. 

In addition I’m writing my first feature film script, this time there are dialogues, about the same topic addressed in “Roped“, which is the process of growing up of a young woman and finding her place in the world. I’m also exploring the relationship with her mother, of course, and also with her father and some men she meets along her personal journey.

Questions asked by Doreen Kaltenecker

Read on the german review of the short film “Roped

Kommentar verfassen