„The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ (2019)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Der griechische Regisseur Yórgos Lánthimos hat sich in kürzester Zeit mit außergewöhnlichen Filmen wie „The Lobster“ und „The Killing of a sacred Deer“ international einen Namen gemacht. Nachdem bereits Colin Farrell und Nicole Kidman mit ihm zusammengearbeitet haben, galt sein siebenter Spielfilm „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ mit zehn Oscar-Nominierungen als extravaganter Kandidat für die Trophäen und so war man gespannt, welche er wirklich gewinnen würde.

England, frühes 18. Jahrhundert: Auf dem Thron sitzt Königin Anne (Olivia Colman), welche durch den Verlust ihrer Kinder schwer traumatisiert und durch diverse Leiden extrem angeschlagen ist. An ihrer Seite ist stets Lady Sarah Churchill, Herzogin von Marlborough (Rachel Weisz), welche ihr als inoffizielle Beraterin und vor allem Liebhaberin den Weg direkt in den spanischen Erbfolgekrieg weist und somit den Krieg mit Frankreich provoziert. Eines Tages nimmt Sarahs verarmte Cousine Abigail (Emma Stone), welche von ihrem Vater verkauft wurde, am Hof eine Stelle an und arbeitet sich schnell nach oben. Damit gewinnt sie die Gunst der Königin und macht sich am Hof einen Namen, sodass Neider wie der Politiker Robert Harley (Nicholas Hoult) sich an ihr und der Königin die Zähne ausbeißen.

Olivia Colman
© Fox Searchlight

Auf Grundlage realer Personen schuf die Autorin Deborah Davis ihr Debüt-Drehbuch, welches sie in den letzten 20 Jahre immer wieder überarbeitete. Herausgekommen ist eine lesbische Ménage-à-trois, die man so im englischen Königshaus noch nicht gesehen hat. Der griechische Regisseur Yórgos Lánthimos (*1973), der sich lange Zeit gewehrt hat wirklich richtig international zu arbeiten und die Drehbücher immer mit verfasste, übernahm den Stoff und fügte mit dem zweiten Autor Tony McNamara vermutlich die, sagen wir mal, typischen Lanthimos-Elemente hinzu. Denn genau wie in seinen anderen Filmen gibt es hier keine Sympathieträger oder Identifikationsfiguren. Nicht einmal die die Außenseiterin Abigail kann den Zuschauer auf ihre Seite ziehen, weil schnell klar wird, dass all ihr Tun Berechnung ist. So erzählt der Film ein Ränkespiel mit vielen dreckigen Intrigen, Einfällen und Abstrusitäten, die zu mannigfaltigem Kopfschütteln führen. Eine Geschichtsstunde sieht wahrlich anders aus. Doch wer sich an bösartigen Machtspielchen erfreuen kann, wird hier seine helle Freude haben. So ist auch nachvollziehbar, dass er für die Oscars in den Kategorien ‘Bester Film’, ‘Bestes Drehbuch’ und ‘Beste Regie’ nominiert war, die er, vermutlich war er dann doch zu sperrig, nicht gewinnen konnte.

Emma Stone, Olivia Colman und Rachel Weisz
© Twentieth Century Fox

Neben der ungewöhnlichen Historiengeschichte sticht der Film vor allem als großes Schauspielerkino hervor, bei dem sich die Darstellerinnen richtig austoben durften. Emma Stone („La La Land“ (2016) und „Maniac“ (2018)) und Rachel Weisz („Der ewige Gärtner“ (2005) und „The Light between the Oceans“ (2016), beide für den Oscar nominiert als ‘Beste Nebendarstellerin’, liefern sich hier, wenn man sich drauf einlässt, ein köstliches Duell, das viele unausgesprochene Drohungen besitzt und mit hässlichen Tricks aufwartet. Im Zentrum ihrer egoistischen Bemühungen steht Königin Anne, verkörpert von Olivia Colman (gesehen u.a. in „Broadchurch“ (2013-2017) und „Der Mord im Orientexpress“ (2017)). Sie liefert ein Bild einer englischen Monarchin ab, das einfach nur bemitleidenswert ist, bei dem man aber trotzdem das Gefühl hat, dass sie es verdient hat. Die Schlechtigkeit des Systems, wenn man will kann man das als ganze klare Kritik an der Monarchie sehen, wird durch sie verkörpert und entpuppt sich als erbärmlich und traurig. Ihr Spiel ist dabei mannigfaltig und zeigt so viele Facetten, dass es nicht wundert, dass sie den Oscar für die ‘Beste Hauptdarstellerin’ erhielt. Einziger Wermutstropfen ist, dass ihre Rolle eigentlich keine Hauptrolle war, und so Schauspielerinnen wie Glenn Close in „Die Frau des Nobelpreisträgers“ ausgespielt wurden, welche die Ehrung für ihr Spiel mehr verdient hätten.

Rachel Weisz
© Twentieth Century Fox France

Neben dem großen Schauspielkino konnte der Film vor allem mit seiner außergewöhnlichen Ästhetik begeistern. Bombastisch sind die Kostüme und das Szenenbild, beide waren für einen Oscar nominiert. In den weiten Räumen werden die Protagonisten mit einer außergewöhnlichen Kameraführung eingefangen. Der Kameramann Robbie Ryan (*1970) wählt mit extremen Weitwinkeln und einer fast Fischaugen-ähnlichen Optik einen kontrastierenden Blick auf das Monarchenhaus. Es stellt mit seinen oft entgegengesetzten Kamerafahrten die Nichtigkeit der Personen im großen Gefüge dar. Dass er den Preis für die ‘Beste Kamera’ nicht gewonnen hat, lag an der starken Konkurrenz von Alfonso Cuaróns Film „Roma“. Hand in Hand geht die Kameraarbeit hier mit dem Schnitt und der starken Farbsymbolik. So besitzen beispielsweise die beiden Seiten des Zweipartensystems – die Whigs und die Tories – weiße und schwarze Perücken, um sie farblich klar voneinander abzutrennen. Ebenfalls außergewöhnlich möchte die enervierende Musik von Komeil S. Hosseini sein. Doch leider schafft diese es eher, die Geduld der Zuschauer zu strapazieren, als die Dramatik oder Komik, wie man es auch sehen mag, zu betonen, da er zu viel auf schrille und wiederholende Elemente setzt. Doch die feingeschliffene Ästhetik des Films, mit großartigen Kleidern und eindringlicher Kameraführung führt schlussendlich, natürlich neben der Besetzung, zu seiner internationale Wirkung. So zeigt der Film wunderbar, dass sich die Oscars immer weiter Filmen öffnen, die nicht dem Mainstream entsprechen, auch wenn „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ schlussendlich nur einen von zehn Preisen, für die er nominiert war, gewinnen konnte.

James Smith, Nicholas Hoult
© Atsushi Nishijima

Fazit: Der ungewöhnlichste Film der 91. Oscarverleihung war der Quasi-Historienfilm „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ aus der Hand von Yórgos Lánthimos, der nicht viel von wahren Tatsachen hält, sondern sich lieber ein Ränkespiel mit vielen Unsympathen erdacht hat. Doch dank der großartigen Darsteller und der außergewöhnlichen, wenn auch etwas zu sehr gewollten Gestaltung zieht er die Zuschauer in seinen Bann, vor allem jene die Spaß an bösen Humor haben.

Bewertung: 6,5/10

Kinostart: 24. Januar 2019 / DVD-Start: 13. Juni 2019

Trailer zum Kurzfilm „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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