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1943 / 15. Oscarverleihung / 12 Nominierungen / 6 Auszeichnungen
Mrs. Kay Miniver (Greer Garson) lebt zusammen mit ihrem Ehemann, dem Architekten Clem (Walter Pidgeon), in einer Vorstadt von London. Im Jahr 1939 dreht sich bei ihr alles um ihren Sohn Vin (Richard Ney), der in Oxford studiert, und um ihre Rosenzucht. Im diesjährigen Rosen-Wettbewerb hat sie die Möglichkeit, ihre Nachbarin Lady Beldon (May Whitty) zu besiegen. Doch bevor dieser stattfindet, bricht der zweite Weltkrieg über England herein. Vin, der sich kurz vorher in Lady Beldons Enkeltochter Carol (Teresa Wright) verliebt hat, beschließt in den Krieg zu ziehen. Doch nicht nur das, ein abgestürzter Kampfpilot bringt auch den Krieg direkt in die kleine Vorstadt und in Dünkirchen sitzen die britische Truppen fest, so dass auch die Minivers sich einmischen wollen.


Greer Garson, Richard Ney, Walter Pidgeon, Clare Sandars, Christopher Severn, Teresa Wright
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Auf der 15. Oscarverleihung, welche am 8. Februar 1943 im Ambassador Hotel in Los Angeles stattgefunden hat, war der Gewinn von sechs Oscar die zweitbeste Ausbeute der noch jungen Academy-Geschichte. Nur „Vom Winde verweht“ (1939) konnte mit acht Gewinnen mehr Oscars abstauben. Hätte „Mrs. Miniver“ auch den Preis für den ‘Besten Hauptdarsteller’ gewinnen können, wäre der Film einer der wenigen gewesen, welcher die Big Five erhalten haben. Hand in Hand gehen die Oscars für den ‚Besten Film‘ (Sidney Franklin vom MGM Studio), ‚Beste Regie‘ und ‚Bestes adaptiertes Drehbuch‘. Als Vorlage für den Film diente der britische Roman „Mrs. Miniver erlebt die Vorkriegszeit” von Jan Struther (1901-1953). Die Romanautorin erzählt unter dem Pseudonym Struther vom Leben der fiktiven Familie Miniver im Zweiten Weltkrieg. 1939 entstand der Roman aus einer Sammlung von Erzählungen, die vorher in der Tageszeitung ‚The Times‘ veröffentlicht wurde. Da dieser Stoff für ideal gehalten wurden, um einen aufrüttelnden Propagandafilm zu machen, beauftragte der Produzent Sidney Franklin (1893-1972) aus dem Haus MGM die Autoren George Froeschel (1891-1979), James Hilton (1900-1954), Claudine West (1890-1943) und Arthur Wimperis (1874-1953) damit ein Drehbuch aus dem Stoff zu machen. Sie entschieden sich dafür, die Geschichte des Films dort anzusiedeln, wo die Vorlage aufhört, nämlich im Jahre 1939 als England Deutschland den Krieg erklärt. So ist die Story gänzlich neu, nur die bekannten Charaktere wurden übernommen. Für diese Neuschöpfung, die genau den Nerv der Zeit traf, erhielten die vier Autoren auf der Oscarverleihung die Trophäe für das ‚Beste adaptierte Drehbuch‘.


Aubrey Mather, Richard Ney, Walter Pidgeon
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Im November 1941 begannen die Dreharbeiten zu dem Spielfilm. MGM hatte für diesen notwendigen Beitrag zur Kriegseinstimmung, so dass die Amerikaner sich berufen fühlten, den Briten zu helfen, eine relativ hohe Produktionssumme von 1.344.000 Dollar frei gemacht. Nachdem Präsident Franklin D. Roosevelt den Film bei einer Probeaufführung gesehen hatte, war er so begeistert davon, dass er MGM davon überzeugte, den Start vorzuverlegen. Am 4. Juni 1942 fand die Weltpremiere in der New York Radio City Music Hall statt, wo der Film anschließend noch stolze zehn Wochen lang lief. Der Film wurde ein absoluter Kassenerfolg und laut einer Umfrage zum ‚Film des Jahres 1942‘ gewählt. Auch das Einspielergebnis von über acht Millionen Dollar (und ein späterer Gesamtprofit von 4.831.00 Dollar) bestätigte die Beliebtheit und machten ihn zum finanziell erfolgreichsten Film des Jahres. Der Regisseur William Wyler wählte für die Zuschauer den ansprechenden Mittelweg zwischen Kriegs- und Familiendrama. Sein Kameramann Joseph Ruttenberg setzte dies souverän um, und erhielt dafür den Oscar für die ‚Beste Kamera‘.


Greer Garson, Richard Ney, Walter Pidgeon, Christopher Severn, May Whitty
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Der 1902 als Willi Wyler im damals deutschen Mülhausen geborene William Wyler gehörte zu den erfolgreichsten Regisseuren jener Zeit. Nachdem er 1923 nach Hollywood ging, verwirklichte er anfänglich für Universal Low-Budget-Western, ab 1930 setzte er die Prestigeprojekte von Universal um. Mit der Zeit bekam er einen Ruf, der ihn als schwierigen Regisseur auszeichnete. Als 90-Take-Wyler machten er und sein Perfektionismus die Runde. Er schaffte es damit regelmäßig Schauspieler in den Wahnsinn zu treiben. Besonders bekannt war die Geschichte von der Schauspielerin Merle Oberon, die durch endlose Wiederholungen am Set von „Infame Lügen“ (OT: „These Three“, 1936) einen Nervenzusammenbruch erlitt. Diese Angewohnheit legte er bis zum Ende seiner Karriere nicht ab und machte, wie die drei Regie-Oscars für „Mrs. Miniver“ (1943), „Die besten Jahre unseres Lebens“ (OT: „The Best Years of Our Lives“, 1946) und „Ben Hur“ (1960) belegen, damit aber eine gute Arbeit.


Greer Garson, Walter Pidgeon
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Vor allem wird „Mrs. Miniver“ als Schauspielerkino in Erinnerung bleiben. Er wurde in diesen Kategorien fünfmal nominiert und Greer Garson (1904-1996) konnte den Oscar für die ‚Beste Hauptdarstellerin‘ sowie Teresa Wright (1918-2005) als ‚Beste Nebendarstellerin’ gewinnen. Zudem waren noch Walter Pidgeon, Henry Travers und Dame May Whitty nominiert. Dieser Rekord an Schauspieler-Nominierungen wurde erst von „Alles über Eva“ (1950) gebrochen. Bei der Entwicklung der Geschichte war nicht sofort klar, wer die Hauptrolle spielen sollte. Im Gespräch waren Norma Shearer, die aber ablehnte, weil sie nicht die Mutter erwachsener Kinder spielte wollte, und Irene Dunne. Auch Greer Garson (1904-1996), zu dem Zeitpunkt schon ein bekanntes MGM-Gesicht, wollte anfänglich aufgrund der Mutterrolle und Wylers Ruf ablehnen, konnte aber mit Sonderkonditionen überzeugt werden. Die Darstellerin, die ihren Durchbruch 1939 mit „Auf Wiedersehen, Mr. Chips“ (OT: „Goodbye, Mr. Chips“, 1939) samt Oscar-Nominierung und „Blüten im Staub“ (OT: „Blossoms in the Dust“, 1941) hatte, wurde durch „Mrs. Miniver“ zur First Lady von MGM und brachte es in den 40er Jahren insgesamt auf sieben Oscarnominierungen. Zusammen mit Bette Davis hält sie den Rekord an Nominierungen an fünf aufeinanderfolgenden Oscarverleihungen. Ihre Rede, die sie bei der 15. Verleihung hielt, war länger als fünf Minuten und gilt heute als Grund warum die Redezeit eingeschränkt wurde.
Seit „Blüten im Staub“ galten Greer Garson und Walter Pidgeon (1897-1984) als Traumpaar und wurden oft zusammen besetzt. So auch bei „Mrs. Miniver“ und dem späteren „Madame Curie“ (1943). Seinen Durchbruch feierte der Schauspieler Pidgeon mit dem 20th-Century-Fox-Film „Schlagende Wetter“ (OT: „How Green Was My Valley“, 1941), der auch den Oscar für den ‚Besten Film‘ erhielt. Bis in die 70er Jahre sah man ihn weiterhin in vielen Produktionen, aber trotz zweier Oscar-Nominierungen konnte er nie einen Oscar gewinnen. Im Gegensatz zu der heute unbekannten Darstellerin Teresa Wright, die im Jahr 1942 gleich als ‚Beste Hauptdarstellerin‘ im Film „Der große Wurf“ (OT: „The Pride of the Yankees“, 1942) nominiert war und für „Mrs Miniver“ den Oscar für die ‚Beste Nebendarstellerin‘ erhielt und das zu Recht. Sie liefert ein wunderbar nuanciertes Spiel und hat alle Sympathien auf ihrer Seite. Bekannt geworden ist sie durch den Film „Die kleinen Füchse“ (OT: „The Little Foxes“, 1941) und war danach noch in einigen Produktionen zu sehen, u.a. Alfred Hitchcocks „Im Schatten des Zweifels“ (OT: „Shadow of a Doubt“, 1943). Doch sie lehnte das herrschende Studiosystem ab und so kam es Ende der 40er Jahre zu einem Bruch der zum Ende ihrer Filmkarriere führte. Seitdem konnte man sie nur noch in Fernseh- und Broadway-Stücken sehen. Im Gesamten war der Cast gut ausgewählt, außer Richard Ney, der den Sohn Vin spielt. Sein Charakter gehört zu den größten Schwächen des Films. So dass man eher in Erinnerung behielt, dass Garson mit dem zwölf Jahre jüngeren Schauspieler eine turbulente Liebschaft anzettelte. Doch der Rest des Cast trägt viel zur souveränen Wirkung des Films bei, welcher sich viel darauf verlässt, denn vor allem durch die Schauspieler, nicht nur die Drehorte und Ereignisse wird der Film erzählt.
Der Film machte nicht nur bei den normalen Kinogängern Eindruck, sondern erhielt auch Lob von höheren Stellen wie Franklin D. Roosevelt, Winston Churchill und auch Joseph Goebbels, Hitlers Propagandaminister. Letzterer sah in dem Film alles in Vollendung, was er vom deutschen Film selbst erwartete. Denn „Mrs. Miniver“ ist ein starker Propagandafilm, um die Zuschauer davon zu überzeugen, in einen weltweiten Krieg einzugreifen. Sogar der Regisseur Wyler selbst meldete sich nach der Oscarverleihung 1943 freiwillig bei der United States Army. Zwar blieben weitere Filmpreise für „Mrs. Miniver“ aus, aber 2009 wurde der Film ins National Film Registry aufgenommen und brachte 1950 auch noch eine Fortsetzung hervor. „Ihr Geheimnis“ (OT: „The Miniver Story“, 1950) konnte aber nicht die gleiche Sogwirkung erreichen, wie es damals zu Kriegszeiten der Oscargewinner getan hat.
Fazit: Der große Oscar-Gewinner von 1942 war der Propagandafilm „Mrs. Miniver“. Der MGM-Film brachte es auf zwölf Nominierungen und konnte die sechs Kategorien ‚Bester Film‘, ‚Beste Regie‘, ‚Beste Hauptdarstellerin‘, ‚Beste Nebendarstellerin‘, ‚Beste Kamera‘, und ‚Bestes adaptiertes Drehbuch‘ gewinnen. Dabei überzeugte er als Kriegs- und Familiendrama und erhielt vor allem als klassisches Hollywood-Schauspielerkino Aufmerksamkeit. Zusätzlich verfehlt er seine Wirkung als erfolgreichster Film des Jahres nicht und stellte, wie manche behaupten, einen wichtigen Schritt zum Kriegseintritt Amerikas dar.
Bewertung: 6/10
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Wikipedia-Artikel zum Film „Mrs. Miniver“
- Wikipedia-Artikel über den Regisseur William Wyler
- Wikipedia-Artikel über die Schauspielerin Greer Garson
- Wikipedia-Artikel über die Schauspielerin Teresa Wright
- Wikipedia-Artikel über den Schauspieler Walter Pidgeon
- Crowther, Bosley: ‚Excellent Picture of England at War‘, New York Times, 5. Juni 1942.
- Andre Soares, ‚William Wyler: Oscar Top Actors Director‘. altfg.com, 2012
- Website über die Schauspielerin Greer Garson
- Eintrag der Schauspielerin Greer Garson auf dem Portal Reel Classics
- Kubiak, Hans-Jürgen: Die Oscarfilme, Schüren-Verlag GmbH, Marburg, 2007.
- Koebner, Thomas: Filmregisseure, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2002.
Diese Rezension ist als Teil der Oscar-Reihe der Testkammer erschienen.
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