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1958 / 30. Oscarverleihung / 8 Nominierungen / 7 Auszeichnungen
Während der Zweite Weltkrieg tobt, wird ein britisches Bataillon in einem japanischen Kriegsgefangenenlager im Dschungel zwischen Birma und Siam gefangen gehalten. Sie sollen dabei helfen eine strategisch wichtige Brücke über den Khwae-Yai-Fluss zu bauen. Doch ihr Oberst Colonel Nicholson (Alec Guinness) weigert sich, seine Offiziere solch eine niedrige Tätigkeit ausführen zu lassen. Dafür legt er sich regelmäßig mit Oberst Saito (Sessue Hayakawa) an, der das Lager leitet. Doch irgendwann nimmt sich Nicholson doch der Brücke an, vor allem um zu beweisen, was britische Wertarbeit bedeutet. Währenddessen rücken die Amerikaner unter Commander Shears (William Holden) immer näher, um die Fertigstellung zu verhindern.
Auch dieser Antikriegsfilm basiert auf einer Buchvorlage. Der französische Autor Pierre Boulle (1912-1994) schrieb im Jahr 1952 den Roman „Die Brücke am Kwai“ (OT: „Le Pont de la Rivière Kwaï“), der eine offensichtliche Satire auf den britischen Offiziersstand darstellt. Boulle, der auch schon die Idee für „Planet der Affen“ (OT: „La planète des singes“, 1963) lieferte, bezieht sich dabei auf wahre historische Ereignisse. In Kanchanaburi, 111 km westnordwestlich von Bangkok, wurden Kriegsgefangene gezwungen zwei Brücken zu bauen. Es entstand eine Holz- und eine Stahlbrücke, welche beide 1946 von den Alliierten zerstört wurden. Beim Bau dieser Eisenbahnbrücke, welche auch die Todesbahn genannt wurde, kamen zwischen Sommer 1942 und Herbst 1943 fast 69.000 Kriegsgefangene zum Einsatz. Als die Zeit immer knapper wurde, wurden noch weitere 100.000 Menschen aus den besetzten Gebieten China, Malaysia und Korea dazu eingeteilt. Auch wenn es keine offiziellen Zahlen gibt, kann man davon ausgehen, dass 16.000 Kriegsgefangene sowie fast 50.000 Asiaten ihr Leben bei diesem Bau ließen. Dieser Aspekt wird im Roman und im Film nur angedeutet und kommt bei dieser satirischen Fassung kaum zum Tragen. Als Sam Spiegel, der Produzent von „Lawrence von Arabien“ (1962), sich dafür entschied das Buch zu verfilmen und David Lean als Regisseur einzusetzen, beauftragte er auch die beiden Drehbuchautoren Carl Foreman (19´14-1984) und Michael Wilson (1914-1978). Diese hatten eigentlich wegen unamerikanischer Umtriebe ein Berufsverbot und so mussten sie unter einem Pseudonym, in dem Fall dem Namen des Romanautors, ihr Drehbuch verfassen Im Jahr zuvor hatte Dalton Trumbo unter dem Pseudonym Robert Rich seinen zweiten Oscar für die ‚Beste Originalgeschichte‘ für den Film „Roter Staub“ (1956) gewonnen, da er aus denselben Gründen nicht sein richtigen Namen angeben konnte. Die beiden Autoren nahmen der Story bei der Adaption etwas den Biss und fügten ein aufregendes Ende hinzu. Zudem wurde extra für die amerikanischen Zuschauer die Figur des amerikanischen Soldaten Shears geschaffen, der als Identifikationsfigur im Gegensatz zu den beiden unsympathischen Obersten dienen sollte. Außerdem sollte er die Attraktivität des Films auch für Frauen erhöhen. So sieht man den Darsteller William Holden, der bereits in dem Film „Stalag 17“ (1953) eine ähnliche Rolle spielte, oft mit freiem Oberkörper und von einem glänzenden Schweißfilm bedeckt. Abgeschlossen wird der 161 Minuten lange Film von einem Ende, das so im Buch nicht existiert. Es ist dabei kein Happy-End und gehört noch heute zu den spektakulärsten Enden der Filmgeschichte. Für David Lean war es undenkbar, dass der Film nicht mit einem großen Knall endet. Doch abgesehen davon, ist der Film keine Effekthascherei, sondern der ultimative Film über die abstruse Hybris des Krieges und der Kriegstreibenden sowie die dahinter steckende Unmenschlichkeit. So wurde der Film zum perfekten Abbild der Sinnlosigkeit des Krieges und sicherte sich damit seinen Platz in der Filmgeschichte.
Regie führte, wie bereits erwähnt, der britische Regisseur David Lean (1908-1991). Er erhielt auf der Oscarverleihung den Preis für die ‚Beste Regie‘, was sich noch einmal fünf Jahre später für „Lawrence von Arabien“ (1962) wiederholen sollte. Begonnen hat der in London geborene Filmemacher seine Karriere als Filmklappen-Assistent. Seine erste Regiearbeit war eine Gemeinschaftsarbeit mit Noël Coward: „In Which We Serve“ (1942). Ab 1946 entwickelte er seinen eigenen Stil, verfilmte sehr gern Charles Dickens-Romane u.a. „Oliver Twist“ (1948) und begann seine Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Alec Guinness, der in fast all seinen Filmen zu sehen sein wird. Ab den 50er Jahren etablierte er sich dann als Regisseur aufwendiger Filmepen. „Die Brücke am Kwai“ machte dabei den Anfang, es folgten Filme wie „Lawrence von Arabien“ und „Doktor Schiwago“ (1965). Diese hoch budgetierten Filme, welche teilweise jahrelang in den Kinos liefen, machten den Regisseur berühmt, so dass er auf keiner Liste der größten Regisseure aller Zeiten fehlt. Nach dem Film „Ryans Tochter“ (1970) beendete er zeitweise seine Regie-Karriere, kehrte 1984 nur kurz mit „Reise nach Indien“ zurück und verstarb 1991 bei den Vorbereitungen zur filmischen Umsetzung von Joseph Conrads Roman „Nostromo“. „Die Brücke am Kwai“ etablierte seinen Stil, bei dem er makellos konstruierte Schauplätze mit ausgefeilter Action füllt. Es war sein erster Wide-Screen-Film und er sollte als reiner Männerfilm genügend Schauwerte bieten. Vorher war er vor allem für kammerspielartige Filme bekannt und schuf sich hier neu. Auch wenn sich die Inszenierung vor allem um die menschlichen Charaktere dreht, besitzen die Bilder kompositorische Schönheit, die zeitweise den Schauspielern den Rang stehlen.
Doch trotzdem bleibt der Film in seinem Kern vor allem ein Schauspieler-Film, der trotz schöner Bilder und einem spektakulären Ende dem Sein des Menschen auf den Grund gehen will. Hier liegt die größte Stärke, vor allem im Zusammenspiel des britischen Darstellers Alec Guiness und des japanischen Mimen Sessue Hayakawa, der für diese Rolle seine einzige Oscarnominierung erhielt. Die Figur des Commander Shears, verkörpert von William Holden, welche als Identifikationsfigur hinzugefügt wurde, konnte vielleicht früher als Publikumsmagnet funktionieren, wirkt aber heute zu dröge und standardisiert. Die Figur ist nicht tiefgründig, sondern wird vom guten Patriotismus getrieben, dazu gehört auch die Sexisness eines typischen all-american-white-guy. So verwundert es auch nicht, dass William Holden (1918-1981) mit dieser Rolle nicht für einen Oscar nominiert wurde, sondern nur die beiden starken Figuren der Colonels Nicholson und Saito, welche wie zwei Seiten eines Charakters wirken, der zwischen militärischer Pflichterfüllung und Wahnsinn changiert, und die sich hier wunderbar die Bälle zuspielen.
Der britische Schauspieler Alec Guinness (1914-2000) gehört zu den bekanntesten Darstellern des letzten Jahrhunderts. Er wurde als ‚Mann der tausend Gesichter‘ berühmt, da er es meisterlich schafft in die verschiedensten Rolle zu schlüpfen. Seinen Durchbruch feierte er in der schwarzen Komödie „Adel verpflichtet“ (1949) von Robert Hamer. In seiner Karriere sollte er in über 50 Filmen mitspielen. Man kennt ihn dabei vor allem aus den großen Filmepen wie „Lawrence von Arabien“ oder den späteren Produktionen „Der kleine Lord“ (1980) oder „Star Wars“ (1977), wo er die Rolle von Obi-Wan Kenobi übernahm. In seinem Leben erhielt er zwei Oscars. 1980 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk und 1957 den Oscar als ‚Bester Hauptdarsteller‘ in „Die Brücke am Kwai“. Anfänglich sollte Charles Laughton („Rembrandt“ (1936)) die Rolle übernehmen. Dies ist heute fast undenkbar, denn Guinness erweckt den Colonel wunderbar zum Leben. Sein fein nuanciertes Spiel legt eine breite Palette an Interpretationsmöglichkeiten an den Tag. Vor allem fängt er einen Menschen wunderbar ein, der zwischen militärischer Selbstaufgabe und persönlicher Integrität gefangen zu sein scheint. Dieser Zwiespalt holte die Figur weg von einer reinen Parodie und gab ihr viel Tiefe. So ist der Film nicht nur ein Beispiel für einen Kriegsfilm, der keine große Schlachten braucht, um die Absurdität dessen deutlich zu machen, sondern es bietet für Alec Guinness’ grandiose Performance eine große Bühne, welche ihn vollends berühmt machen sollte.
Dass dies so wunderbar funktioniert, liegt auch an seinem Gegenpart – Colonel Saito, dargestellt von Sessue Hayakawa (1889-1973). Der in Japan geborene Darsteller befand sich zu den Dreharbeiten bereits im Ruhestand. Nachdem er für das Studium Ende der 1900er Jahre nach Chicago ging, entschied er sich nach Abschluss dessen nicht in seine Heimat zurückzukehren, sondern schloss sich einem Bühnen-Ensemble an. Dort wurde er für den Film entdeckt und spielte in den beiden Spielfilmen von Reginald Barker „The Wrath of the Gods“ und „The Typhoon“ (beide 1914) seine ersten Hauptrollen. Filme wie Cecil B. DeMilles „The Cheat“ (1915) machten ihn schnell zum Star und so war er der erste ostasiatische Schauspieler, der diesen Ruf in Amerika erlangte. Das verschaffte ihm in den 1910er Jahren Spitzengagen wie sie sonst nur weiße Topstars wie Douglas Fairbanks und Charlie Chaplin verdienten. In den 20er Jahren erreichte seine Karriere durch den erstarkten Rassismus, verursacht durch den Ersten Weltkrieg, einen Tiefpunkt. Erst in den 30er Jahren gelang ihm mit Filmen wie „Daughter of the Dragon“ (1931) und „Die Tochter des Samurai“ (1937) ein Comeback. „Die Brücke am Kwai“ steht ganz am Ende seiner Karriere nachdem er in den 50er Jahren noch einige Filme in Japan und Hollywood realisierte hat. Doch genau diese letzte große Filmrolle im Alter von 68 Jahren bescherte ihm seinen Platz in der Filmgeschichte.
Seine Premiere feierte „Die Brücke am Kwai“ am 2. Oktober 1957 in Großbritannien und dann am 14. Dezember in den USA. Sowohl Kritiker als auch Zuschauer nahmen den Film gut an, so dass er an der Spitze der Box-Office-Charts von 1958 stand und 18 Millionen Dollar an den Kinokassen eingespielt hat. Danach setzte er seinen finanziellen Erfolg in Europa fort. Neben den sieben Oscars, welche ihm verliehen wurde, gewann er weiterhin alle wichtigen amerikanischen und britischen Filmpreise. So erhielt er u.a. drei Golden Globes in den Kategorien ‚Bester Film – Drama‘, ‚Beste Regie‘ und ‚Bester Hauptdarsteller‘. Auch bei den British Film Academy Awards (BAFTA) räumte er ab und konnte vier Preise mit nach Hause nehmen. Auch das National Board of Review zeichnete ihn viermal aus, hier u.a. die Leistung von Sessue Hayakawa. Auch die beiden Autoren, welche zu dem Zeitpunkt auf der Schwarzen Liste standen, wurden 1984 noch nachträglich postum ausgezeichnet. Im Jahr 1997 wurde der Film in das National Film Registry des Library of Congress aufgenommen. Auch auf vielen Besten- und Must-See-Listen ist der Film immer oben dabei. So hat sich dieser Spielfilm durch seinen bissigen Kommentar zum Krieg, einen Spitzenplatz in der Filmgeschichte verdient, und begründete die Karriere des Regisseurs David Lean genauso wie die des Darstellers Alec Guinness.
Fazit: Der britische Spielfilm „Die Brücke am Kwai“, basierend auf dem Roman von Pierre Boulle, ist ein satirisches Kriegsstück, das die Unmenschlichkeit und die Abstrusität des Krieges in seiner ganzen Blüte einfängt. Das verdankt der Film zum einen der Inszenierung des Regisseurs David Lean, der sich für das ansonsten eher ruhige Kriegsstück ein spektakuläres Ende erdachte, und den beiden Darstellern Alec Guinness, der dadurch Weltruhm erlangte, und Sessue Hayakawa. Für dieses Zusammenspiel und die gelungene Adaption des Romans wurde der Film bei vielen Filmpreisen ausgezeichnet und erhielt auf der 30. Oscarverleihung ganze sieben Oscars u.a. für die ‚Beste Regie‘, ‚Bester Hauptdarsteller‘ und ‚Bester Film‘.
Bewertung: 7/10
Trailer zum Film „Die Brücke am Kwai“:
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über den Film „Die Brücke am Kwai“
- Wikipedia-Artikel über den Regisseur David Lean
- Wikipedia-Artikel über den Schauspieler Alec Guinness
- Wikipedia-Artikel über den Schauspieler Pierre Boulle
- Wikipedia-Artikel über den Schauspieler Sessue Hayakawa
- Wikipedia-Artikel über die Oscarverleihung 1958
- Monika Maier-Albang, ‚Die Brücke am Kwai in Thailand – Gegen den Strom – Reise – SZ.de‘, sueddeutsche.de, 2011
- Christian Schultz, ‚Die Brücke am Kwai‘, filmszene.de, 2010
- Kubiak, Hans-Jürgen: Die Oscarfilme, Schüren-Verlag GmbH, Marburg, 2007.
- Schneider, Steven Jay: 1001 Filme die sie sehen sollten bevor das Leben vorbei ist, Edition Olms AG, Zürich, 2013.
- Müller, Jürgen: Filme der 50er Jahre, Taschen, Köln, 2018.
- Krusche, Dieter: Reclams Filmführer, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2003.
- Koebner, Thomas: Filmregisseure, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2002.
- Klein, Thomas & Stiglegger, Marcus & Traber, Bodo: Filmgenres: Kriegsfilm, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 2006.
Diese Rezension ist als Teil der Oscar-Reihe der Testkammer erschienen.