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Urplötzlich breitet sich eine tödliche Pandemie über die Welt aus und löscht beinahe die gesamte Menschheit aus. Die kleine Kirsten (Matilda Lawler) verschanzt sich zusammen mit Jeevan (Himesh Patel) und seinem Bruder Frank (Nabhaan Rizwan) in einer Wohnung und kann so die Seuche überleben. Zwanzig Jahre später hat sich die nunmehr erwachsene Kirsten (Mackenzie Davis) einer fahrenden Symphonie angeschlossen, die durch einen Teil von Amerika reist und mit Musik und Stücken von Shakespeare die verbliebenen Menschen, welche sich in kleinen Siedlungen zusammen getan haben, unterhalten. Doch seit einiger Zeit verbreitet ein selbst ernannter Prophet (Daniel Zovatto) seinen Schrecken und das alles aufgrund eines Comics, das vor dem Jahr Null entstanden ist.
Aus der Hand von Patrick Somerville (*1979) und inszeniert u.a. von Hiro Murai (*1983), auch als Regisseur der Serie „Atlanta“ (seit 2016) bekannt, entstand hier eine gelungene Adaption der gleichnamigen Roman „Station Eleven“ (2014) der kanadischen Autorin Emily St. John Mandel (*1979) im Serienformat. In zehn Folgen und 507 Spielminuten wird das Buch, das noch vor der Corona-Pandemie im Jahr 2014 erschienen ist, adaptiert und dabei Wert darauf gelegt, die Stimmung des Buches, ebenso wie die narrativen Eigenheiten, zu übernehmen. Dabei wechselt die Serie genauso zwischen den Zeitebenen, in einer Spanne von 20 Jahren, blickt von unterschiedlichen Standpunkten auf die Ereignisse, verlässt dafür sogar mehrere Folgen lang die vom Publikum als Hauptcharaktere ausgemachten Figuren. Dadurch wird eine komplexe Welt geschaffen, es ist eine ganz und gar post-pandemische Welt, die immer mal wieder auf die Ereignisse zurückblickt, die sie dahin gebracht hat, und die sich in ihrem Sein kaum von anderen Szenerien dieser Art unterscheidet. Aber in dieser Dystopie, in der nur wenige Menschen in kleinen Siedlungen beieinander wohnen, geht es nicht um übermächtige Feinde, sondern in jeder einzelnen Geschichte um das Menschliche und das Miteinander. Auch die Figur, die anfangs als Gegenspieler ausgemacht wird, ist schlussendlich nur ein gebrochener Mensch, ein traumatisiertes Kind. So geht es in der Serie nicht um das reine Überleben, sondern um das Zusammenleben. Was sollte man von der menschlichen Kultur erhalten? Was gilt es zurückzuholen? Wie funktioniert ein Leben ohne Technologie? Es schwingt in dieser Geschichte, in so wenigen Folgen, so Vieles mit, was auch lange nach dem Sehen noch im Kopf bleibt. All die Geschichten werden durch die alles durchdringende melancholische Stimmung zusammengehalten. Als Zuschauer:in ist man aufgrund der Traurigkeit der Ereignisse, der Niedergeschmettertheit der Figuren oft den Tränen nah und so spielen Gefühl und Herz ebenfalls eine große Rolle. Selten hat man Dystopie und Melancholie so perfekt verschmelzen sehen.
Gerade bei Dystopien ist die Ausgestaltung mehr als entscheidend. Hier schaffen es die Serienmacher, die Welt, die gerade in der Pandemie steckt, sehr gut einzufangen – vor allem das abgeschottete Leben in Franks Wohnung. Aber auch die post-pandemische Welt ist ihnen wunderbar gelungen. Die Natur hat fast überall die menschlichen Gebäude und Strukturen zurückerobert. Dazwischen befinden sich kleine Inseln, in denen sich die Menschen eingerichtet haben. Die Orte wurden aus rein pragmatischen Gründen gewählt. Besonders spannend ist, wie sie Elemente der früheren Welt integriert haben, die nun keine oder eine andere Bedeutung haben. Zudem wird immer wieder der Blick junger Menschen eingebaut, welche die alte Welt nicht mehr kennen. Allein in den Bildern selbst werden aufgeworfene Fragen schon beantwortet. Diese Welt auf visueller Ebene zu entdecken, zu erkennen, woraus die Kostüme bestehen oder welche Aspekte auf der Welt nun als schön wahrgenommen werden, ist eine wahre Freude. In diesem Universum bewegen sich die Darsteller:innen wie geschaffen dafür. Jede Rolle wird hier wunderbar gespielt, verleiht der Figur, und sei es noch so eine kleine Rolle, eine Präsenz und erzählt ihre eigene Geschichte. In den Hauptrollen, falls man sie so bezeichnen mag sieht man Himesh Patel („Yesterday“ (2019)), Mackenzie Davis („Terminator: Dark Fate“ (2019), „Blade Runner 2049“ (2017)), Daniel Zovatto („It Follows“ (2014), „Don’t Breathe“ (2016)), Nabhaan Rizwan („1917“ (2019)) und Gael García Bernal („Amores Perros“ (2000), „Old“ (2021)). So ist im Gesamten alles – die Ausgestaltung, die Besetzung und die Erzählung selbst, die auf allen Ebenen funktioniert – an dieser Serie stimmig.
Fazit: „Station Eleven“ ist eine kanadische Serie aus der Hand von Patrick Somerville nach einem Roman von Emily St. John Mandel. Die zehn Folgen entführen die Zuschauer:innen in eine post-pandemische Welt und zeigen, was danach bedeutend ist, wenn nur wenige Menschen auf diesem Planeten leben. In einer geschickt arrangierten Erzählstruktur, mit Auslassungen und zeitlichen Sprüngen, erschließt sich nach und nach die gesamte Geschichte, welche hervorragend inszeniert und besetzt ist. Das dominierende Gefühl dabei ist die Melancholie und der wohlwollende Blick auf das Schöne des Menschlichen. So entstand eine Serie, die einen lange nicht mehr los lässt und sich von vielen ihrer Dystopie-Kollegen drastisch unterscheidet.
Bewertung: 5/5
Trailer zur Staffel 1 der Serie „Station Eleven“:
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Wikipedia-Artikel über den Roman „Station Eleven“ (englisch)
- Wikipedia-Artikel über die Serie „Station Eleven“ (englisch)
- Oliver Kaever, ‚»Station Eleven«: Was bleibt, wenn die Welt zusammenbricht?‘, spiegel.de, 2022
- Thomas Abeltshauser, ‚Starzplay: »Station Eleven«‘, adp-film.de, 2022
Klingt echt gut aber ich hab kein Apfel – TV.