Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
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Filmkritik:Vier Jahre nachdem der Roman “Tigermilch” von Stefanie de Velasco veröffentlicht wurde, wird er durch die bereits im Jugendfilm-Genre etablierte Regisseurin Ute Wieland (*1957) verfilmt. Dabei überträgt sie die Vorlage mit Respekt und macht “Tigermilch” (Deutschland, 2017) zu einer ansprechenden Coming-of-Age-Geschichte.
Nini (Flora Li Thiemann) und die irakische Jameelah (Emily Kusche) sind seit Jahren beste Freundinnen und wohnen in der gleichen Plattenbausiedlung in Berlin. Jetzt sind sie 14 Jahre alt und es soll der Sommer ihres Lebens werden. Dazu gehören selbstverständlich ihre Freunde wie Amir (David Ali) und Nico (Emil Belton), die Kurfürsten, die Jungs und immer eine ordentliche Portion Tigermilch (Mariacron, Milch, Maracujasaft). Doch eines Nacht werden sie Zeuge eines Mordes und ihr bisheriges Leben stürzt in sich zusammen.
Der Debütroman von Stefanie de Velasco hat bis jetzt nichts an Aktualität verloren. Ute Wieland (bekannt für “Freche Mädchen” (2008)), die Regie führte und den Stoff in ein Drehbuch umwandelte, schuf einen Film, der sehr nah an der Vorlage dran bleibt. Dabei übernimmt sie nicht nur die Rahmenhandlung, sondern auch die Charakterzeichnungen und stellenweise die exakten Dialoge. Auch im Film führt Nini durch die Geschichte und wir bekommen ständig Einblick in ihre Gedankenwelt. Die Story ist dabei nicht nur eine Coming-of-Age-Geschichte, sondern auch eine Milieustudie und ein Gesellschaftsstück. Zwar wird nicht jede Klippe und Klischee umschifft, aber der Film schafft es, schwierige Themen mit der richtigen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Leichtfüßigkeit zu behandeln und behält dabei ständig den Blick der beiden 14-jährigen Protagonisten bei. So spricht er nicht nur Gleichaltrige an, sondern gibt Einblick in eine fremde Welt für alle, die vergessen haben, wie es ist, jung zu sein. Dabei handeln die beiden Heldinnen stellenweise zwar sehr radikal, indem sie sich beispielsweise aus Spaß und zum Üben sich prostituieren, aber nicht unvorstellbar. Die beiden nutzen die Stadt Berlin mit all ihren Möglichkeiten aus und zeigen so, wie sich eine deutsche Jugend in der Hauptstadt, vor allem in einer ärmeren Gegend, anfühlt. Natürlich hat die Geschichte auch Schwächen, die aber vor allem aus der Vorlage stammen und übernommen wurden. Besser gelungen als im Roman ist dafür die Etablierung der beiden als Sympathieträger. Das liegt vor allem an den beiden exzellent ausgewählten Darstellerinnen. Flora Thiemann (bekannt aus “Nellys Abenteuer” (2016)) und Emily Kusche (u.a. “Das kleine Gespenst” (2013)) waren zum Zeitpunkt des Drehs im gleichen Alter wir ihre filmische Heldinnen. Dies gab dem Film zusammen mit dem stimmigen Look – hier wurde viel Wert darauf gelegt, sie passend einzukleiden und die zeitgemäße Sprache zu übernehmen – ein authentisches Bild, was zusätzlich durch die Wahl der Drehorte abgerundet wurde. Im Gesamten ist “Tigermilch” ein sympathischer, leichtfüßiger Film über die heutige Jugend, der zwar hier und da radikalisiert und Stereotypen folgt, der aber trotzdem die Zuschauer an seine unterhaltsame und spannende Geschichte binden kann.
Fazit: Der Spielfilm “Tigermilch” der Regisseurin Ute Wieland schafft es mit seiner stimmigen Adaption und seinen lebendigen Bildern alle Altersschichten anzusprechen. Die zeitgemäße, deutsche Coming-of-Age-Geschichte gibt einen mühelosen Blick auf heutige Jugendliche, Migrationsthemen und die Gefühlswelt von jungen Mädchen. Hinzukommen die zwei perfekt ausgewählten Hauptdarstellerinnen, die “Tigermilch“ zu einem rundum stimmigen Film machen.
Bewertung: 7/10
Kino-Start: 27. Juni 2017, DVD-Start: 27. November 2017
2 Gedanken zu ““Tigermilch” (2017)”