„Simhall“ (2014)

Doreen Kaltenecker
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Kurzfilm / Schweden / Animation / 2014

Filmkritik: Die schwedische Filme­macherin und Kostüm­designerin Niki Lindroth von Bahr, welche mit „Min Börda“ auf dem 30. Filmfest Dresden 2018 den Preis für den ‚Besten Filmton‘ gewinnen konnte, hegt schon seit längerem eine Liebe für Stop-Motion und schuf zuvor den wunderbaren „Simhall“ (AT: „Bath House“).

In einer öffentlichen Badeanstalt trifft der Manager nicht nur auf ein etwas seltsames Pärchen, sondern auch auf eine Gruppe von dubiosen Gestalten.

„Simhall“ ist nach „En natt i Moskva“ (2006) und „Tord och Tord“ (2010) der dritte Kurzfilm der in Stockholm geborenen Animationskünstlerin Niki Lindroth von Bahr. Alles was man an ihrem neuesten Film „Min Börda“ schon lieb gewonnen hat (bis auf die Musik), findet sich auch in diesem älteren Werk wieder. Die Geschichte besticht durch das unspektakuläre Setting, einen längeren Atem und viel Unerwartetes. Fasziniert von den Badehäusern in Schweden, welche alle in den 60/70er Jahren gebaut wurden und mittlerweile recht heruntergekommen sind, dachte sie sich eine Geschichte aus, welche Tiere in menschlicher Alltäglichkeit zeigt. Dafür nimmt sie sich Zeit und lässt den Alltag einfach passieren. Das funktioniert eindringlich und ebnet den Boden für die zwielichtigeren Dinge, welche dann passieren. Hinzu kommen die pointierten Dialoge, welche so echt wirken und zum Schmunzeln geeignet sind. Interessant ist auch der Aspekt, dass sie komplett auf musikalische Untermalung verzichtet. Dies lässt dem Schweigen (bis hin zum unangenehmen Schweigen) viel Raum. Diese ‚Leerstellen‘ verleihen dem Film einen melancholischen Unterton. Der Zuschauer bleibt mit einem ambivalenten Gefühl zurück. Von Bahr schafft es so mit Alltag und Banalem zu faszinieren, was auch mit der Ausgestaltung des Films zusammenhängt.

Mit großer Detailverliebtheit wurde die Geschichte ausgestaltet. Alle Puppen und Sets sind handgemacht. Geschaffen wurde es aus Holz, Pappkarton, Air-X, Forex and Styrofoam und ähnlichen Materialien. Nur das Wasser wurde mit CGI hinzugefügt. Ihre Liebe für handgemachte Effekte und zum Film gehen bei der Stop-Motion-Technik Hand in Hand. Und das sieht man den Bildern an. Jedes einzelne ist bereichert mit Details und bevölkert mit seltsamen Tierwesen. Der Zuschauer kommt nicht umhin, zu rätseln, um was für Tiere es sich handelt. Als Vorlage dienten aber nur ausgestorbene Tiere, welche sie im Naturkundemuseum erforscht hat. Da sie fast alles in Eigenarbeit macht (das Wasser stammt aus der Hand Ola Schubert) dauerte die Fertigstellung des 15-minütiges Films mit einem vier-Mann starken Team zwei Jahre. Diese Arbeit hat sich gelohnt und es ist ein narrativ und handwerklich faszinierender Kurzfilm entstanden, der die Liebe zum Medium zeigt.

Fazit: Der schwedische Puppen-Animationsfilm „Simhall“ gehört mit seiner andersartigen, ruhig Erzählweise, den putzigen, aber nie kitschigen Figuren und seiner Detailverliebtheit zu den besten seiner Art. Die Regisseurin und Künstlerin Niki Lindroth von Bahr ist ein Ausnahmetalent, so dass man sich wünschen würde, auch einen Langfilm von ihr einmal auf der Leinwand zu erblicken.

Bewertung: 9/10

Schaut euch gleich den wunderbaren Kurzfilm „Simhall“ an (Schwedisch m. engl. UT)

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

 

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