Kunstbesitz. Kunstverlust. in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

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Lucas Cranachs d. J. „Bildnis eines Mannes“ wird wieder in Empfang genommen (1959). Vorne links auf dem Foto: der damalige Generaldirektor der SKD Max Seydewitz. 1947-1952 war er Ministerpräsident Sachsens, fiel dann in Ungnade. Mit seiner Frau Ruth veröffentlichte er mehrere Bücher mit spannenden Geschichten zum Museumsbestand der SKD. Da sie vor sozialistischer Ideologie strotzen, sind vor allem die Vorworte mit Vorsicht zu genießen. © Archiv, SKD

Ausstellungsbericht: Was darf im Museum sein und was gehört dort nicht hin? Diese Frage stellt sich nicht nur im Angesicht Beuys’scher Fettecken, sondern auch im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Besitzanspruchs. Besonders durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs gingen Kulturgüter aus Museen verloren oder kamen über ethisch und rechtlich fragwürdige Wege in den Museumsbestand. Mit einer Ausstellung über Provenienzforschung machen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) darauf aufmerksam. Allein: Eine vollwertige Ausstellung ist es nicht.

 

Das liegt an der Präsentation. Statt einer zusammenhängenden Ausstellung finden sich kleine Info-Stationen innerhalb von vier großen SKD-Ausstellungen. Im Residenzschloss, den Neuen und den Alten Meistern sowie der Porzellansammlung sind einige Exponate durch zusätzliche Schildchen markiert, hie und da wurde eine Vitrine aufgestellt. Wer sich das alles anschauen will, hat einige Mühe, denn:

  • hier ist die Wanderung inklusive. Das Laufen zu den Ausstellungsteilen dauert in etwa so lange wie deren gründliche Inspektion.
  • das wird teuer. In jedem Museum zahlt man normalen Eintritt, es gibt kein extra Ticket für die Sonderausstellung. Dafür sieht man überwiegend die üblichen Exponate, bekommt nur neue Informationen zu ihnen.
  • dass man fragen und suchen muss, ist von den Ausstellungsmachern vielleicht sogar gewollt. So können die Besucher nachfühlen, wie es den Provenienzforschern ergeht. Doch das zehrt massiv an der Konzentration.

Eine Art Sammelpunkt der Ausstellung ist das dicke und sehr informative Begleitheft, das an allen Ausstellungsstationen gratis ausliegt. Leider bietet es wenig Hilfe auf der Suche nach den jeweiligen Ausstellungsstücken. Denn das Heft ist nicht nach den Museen geordnet, sondern nach den Themen Kriegsverluste, NS-Raubgut, Schlossbergungen, DDR-(Un)Recht und Sonderauftrag Linz.

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Carl Christian Vogel von Vogelstein: Junge Dame mit Zeichengerät– Gräfin Thekla, geb. Weyssenhoff © SKD

In den Neuen Meistern erfährt der Besucher die Herkunftsgeschichte des berühmten Bildes „Junge Dame mit Zeichengerät“. Anhand von Akten und Inventarlisten entfaltet sich die Geschichte der Wiener Schwestern Rosauer. Die drei alten jüdischen Damen wurden aus ihrer gemeinsamen Wohnung in ein Judenhaus gesteckt, ihr Besitz wurde ihnen entzogen. Die älteste der Schwestern starb noch in Wien. Die beiden anderen wurden in Treblinka ermordet. Aus bröseligen Akten rekonstruieren die Provenienzforscher diese emotionale Geschichte. Schade nur, dass die Vitrine das gitterartige Lampenmuster spiegelt, was das Lesen der alten Maschinenschriften erheblich erschwert.

Lohnenswerter und weniger deprimierend ist der Teil zum Thema Kriegsverluste, der in der zweiten Etage der Alten Meister zu finden ist. Zeitungsartikel aus den 1960er Jahren zeugen vom langanhaltenden Bestreben der DDR-Bevölkerung, Gemälde wiederzufinden, die in den Kriegswirren verloren gingen. Denn nicht allein die Russen nahmen Kunstwerke aus Deutschland mit – ursprünglich, um die von den Nazis zerstörten eigenen Kulturgüter zu ersetzen. Auch Anwohner bedienten sich an herrenlosem Gut oder bekamen von den Besatzern Kunst als Bezahlung. Eine Etage weiter unten rückt der Museumsbestand in den Fokus, dessen Herkunft bisher nicht sicher geklärt wurde.

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Rückseite von Bernardo Daddi: Enthauptung der heiligen Reparata. Nicht das Bild, das im Text besprochen wird. © SKD

Als Beispiel dient ein Gemälde, das über die Antiquitätenhandlung Goudstikker nach Dresden kam. Problematisch ist dabei nicht einmal, dass diese Handlung „arisiert“ wurde, also der rechtmäßige jüdische Betreiber aus dem Unternehmen gedrängt wurde. Sondern dass in den Aufzeichnungen der Firma Goudstikker kein Hinweis auf den Verkäufer des Bildes zu finden ist. Gut möglich, dass ein Nazi-Verfolgter seine Kunst zu Geld machte, vielleicht um die überhöhten Abgaben für die Ausreise zahlen zu können.

Die Porzellansammlung bietet mit ihren fünf gut sichtbaren Info-Tafeln die beste Präsentation. Einen Schwerpunkt setzt sie beim Thema DDR-Unrecht, einen anderen bei NS-Raubgut. Dafür zeichnet sie den Besitzverlauf einer Porzellansammlung der Bankiersfamilie von Klemperer nach. Die von Klemperers konnten rechtzeitig nach Südafrika ausreisen, mussten dafür aber ihre reichhaltige Kunstsammlung zurücklassen. Da auch Victor von Klemperer erwähnt wird, wäre ein kurzer Hinweis hilfreich gewesen, dass es sich dabei nicht um den Schreiber der LTI, den Philologen Victor Klemperer, handelt.

Im Residenzschloss hat „Kunstbesitz. Kunstverlust“ das winzige Studiolo bezogen. Was es dort zu sehen gibt (außer dem, wovon das Heft berichtet), weiß ich leider nicht. Der Renaissanceflügel des Schlosses war da leider für Restaurations- oder Reinigungsarbeiten geschlossen. Generell ist der weite Weg ins kleine Gelass aber nur selten lohnenswert.

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Ich finde das toll: Sitzender Tod mit Glaskugel von einem unbekannten Deutschen (16. Jh.) © SKD

Fazit: Die Ausstellung „Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft“ dient dazu, Besucher an das Thema Provenienz heranzuführen. Mit spannenden Informationen in kleiner Portionierung lenkt sie die Aufmerksamkeit auf das Forschungsfeld. Sie ist als Beifang zu den Dauerausstellungen konzipiert, nicht als vollwertige Sonderausstellung. Dadurch eignet sie sich aber kaum für jene, die schon etwas Vorwissen und Interesse am Thema Herkunftsermittlung haben. Diese Zielgruppe wurde mit einer Vortragsreihe bedient. Mit diesen Anstrengungen würdigen die SKD zwei Jubiläen. Vor 60 Jahren kehrten viele Gemälde aus Russland zurück. Und genau 20 Jahre ist es her, dass die Washingtoner Erklärung verabschiedet wurde, mit der sich Deutschland verpflichtet, nach Raubkunst und deren legitimen Besitzern zu forschen.

Allen Neugierigen empfehle ich, entweder die Porzellansammlung oder die Gemäldegalerie Alte Meister zu besuchen. Nehmt unbedingt das Begleitheft mit, weil es den ungesehen Rest dieser Sonderausstellung halbwegs ersetzt. Die Ausstellungsstationen finden sich noch bis 25. März in den genannten Museen.

Geschrieben von Katrin Mai

Quellen:

Seite der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zur Ausstellung Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft

Ausstellung und Begleitheft

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