„A Life Like Any Other“ (2022)

Doreen Kaltenecker
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Filmkritik: Die französische Regisseurin Faustine Cros erzählt in ihrer Dokumentation „A Life Like Any Other“ von ihrer Familie, insbesondere von ihrer Mutter und wie diese in ihrem Alltag festzustecken scheint. Dafür gewann sie auf dem 65. DOK Leipzig 2022 gleich zwei Preise, zum einen die Silberne Taube für den besten langen Dokumentar- oder Animationsfilm einer Nachwuchsregie im Internationalen Wettbewerb und den Preis der Interreligiösen Jury.

Der Filmemacher und Vater der Regisseurin und ihre Mutter Valérie führen in den 1980er Jahren ein selbstbestimmtes Leben. Die Kamera ist von Anfang an Teil ihrer Beziehung. Auch als Faustine und ihr Bruder zur Welt kommen, bleibt die Kamera stets an der Seite der Familie, deren Dynamik sich immer mehr verändert. So kehrt beispielsweise Valerie nicht mehr richtig in ihren geliebten Beruf als Maskenbildnerin zurück. Jetzt ist sie 60 Jahre alt und ihre Tochter ist selbst Regisseurin geworden, die nun das Leben ihrer Mutter beleuchtet und herausfinden will, ob sie ihr Glück in der Familie gefunden hat oder ein Leben lebt, was sie nie wollte.

In 66 Minuten porträtiert die französische Filmemacherin Faustine Cros das mittlerweile unaufgeregte Leben ihrer Mutter. Der Alltag der 60-Jährigen besteht aus sich ständig wiederholenden Routinen und bietet selbst kaum Schauwerte. Interessant ist das, was man nicht sieht. Durch einen Suizidversuch von Valerie wurde die Tochter auf das Unglück der Mutter aufmerksam. Doch wo liegt die Ursache dafür? Mit dem Archivmaterial, das der Vater selbst in den 1990er Jahren aufnahm, spürt sie ihrer Mutter nach und ergründet die Stellung der Frau in der damaligen Zeit und vor allem auch in der Ehe. Wie konnte der Mann die Traurigkeit nicht sehen, die in manchen Aufnahmen direkt greifbar ist? Warum hat Valerie nicht für ein anderes Leben gekämpft? Solchen Fragen spürt die Filmemacherin in ihrem Portrait nach, das über einen Zeitraum von fünf Jahren entstand, wobei sie die Archivaufnahmen mit aktuellen Bildern des Lebens der Eltern vereint. Dabei geht sie einfühlsam vor, stellt immer wieder Fragen, lässt aber auch mal den Alltag an sich wirken. Doch neben der dominierenden Melancholie, findet sie auch immer wieder Momente des Glücks und der Leichtigkeit, so dass der Film einen sofort auch involviert und auch zeigt, dass es eine Familie ist, die sich liebt. Kein Wunder also, dass der Film nicht nur bei der Jury gut ankam, sondern auch, trotz seines sehr persönlichen Ausgangspunktes, viele Menschen ansprechen kann, die sich mit dem ein oder anderen Aspekt bestimmt identifizieren können. 

Fazit: „A Life like any other“ ist ein berührendes Portrait einer Frau und Mutter. Ihre Tochter, die Regisseurin Faustine Cros, geht mit Archivmaterial und eigenen Aufnahmen den Fragen nach dem Glück und einem erfüllten Leben nach und traut sich auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen, so dass ein starker Film entstand, der eine persönliche wie auch universelle Geschichte erzählt.

Bewertung: 7,5/10

Trailer des Films „A Life Like Any Other“:

geschrieben von Doreen Kaltenecker

Quellen:

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