Studium der Kunstgeschichte - Schwerpunkt: Filmgeschichte (Abschluss 2010 mit der Arbeit "Rembrandt im Spielfilm") Nebenfächer: Philosophie und Alte Geschichte
- seit 2012: Filmkritikerin bei movieworlds (Kino, DVD, BD, Festivalberichte)
- seit 2015: Blog 'Testkammer' online
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Am 12. März 2023 fand im Dolby Theatre in Los Angeles die 95. Oscarverleihung (Academy Awards) statt. In knapp vier Stunden führte der Moderator Jimmy Kimmel, der bereits zweimal die Oscars moderiert hatte, durch den Abend. Etwas gestrafft, aber mit allen wichtigen Elementen wie Showeinlagen, Memoriam-Galerie und Anmoderationen im Programm wurden an diesem Abend zehn Langfilme und drei Kurzfilme mit insgesamt 23 Oscar-Statuen ausgezeichnet.
„Everything Everywhere All at Once“
Der klare Siegerfilm in diesem Jahr war der amerikanische Spielfilm „Everything Everywhere All at Once“ von den Daniels, hinter denen sich Daniel Kwan und Daniel Scheinert verbergen. Bereits im letzten Jahr beim Erscheinen war er ein Publikumsliebling und wurde vor den Oscars mit vielen Preisen (u.a. den Golden Globes und den BAFTAs) ausgezeichnet. So verwundert es auch nicht, dass er von seinen elf Nominierungen gleich sieben Auszeichnungen mit nach Hause nehmen konnte. Darunter waren auch die Oscars für den Besten Film, die Beste Regie und das Beste Originaldrehbuch. Er setzte sich damit gegen die starke Konkurrenz von „The Banshees of Inisherin“ von Martin McDonagh, „Tar“ von Todd Field, „The Fabelmans“ von Steven Spielberg und „Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund durch, die in keiner Kategorie gewinnen konnten. Zudem erhielten der Film und sein Editor Paul Rogers den Oscar für den Besten Schnitt. Doch auch die schauspielerische Leistung des Films wurde prämiert. So gewann Michelle Yeoh den Oscar als Beste Hauptdarstellerin und setzte sich dort gegen Cate Blanchett durch, die in „Tar“ eine ihrer stärksten Performances ihrer Karriere ablieferte, und glücklicherweise auch gegen Ana de Armas, welche in „Blonde“ leider eine erbärmliche Rolle spielt. Der Oscar für den Besten Nebendarsteller ging an Ke Huy Quan, der für „Everything Everywhere All at Once“ extra zurück auf die Leinwand kam und eine großartige Performance zeigte. In dieser Kategorie waren auch Brian Tyree Henry („Causeway“) und Barry Keoghan („The Banshees of Inisherin“) mit einer Nominierung berechtigterweise gewürdigt. Zudem konnte Jamie Lee Curtis als Beste Nebendarstellerin ihren ersten Oscar erhalten und hielt eine herzerwärmende Rede auf die Liebe zum Genrefilm. Der einzige Wermutstropfen, der blieb, ist, dass Stephanie Hsu, die als Nebendarstellerin für „Everything Everywhere All at Once“ nominiert war, diesen trotz ihres einfühlsamen Spiels nicht gewinnen konnte.
„Im Westen nichts Neues“
Der deutsche Spielfilm „Im Westen nichts Neues“ des Regisseurs Edward Berger, eine Buchadaption des gleichnamigen Romans (1929) von Erich Maria Remarque, wurde mit neun Oscar-Nominierungen bedacht und konnte davon vier gewinnen. Zum einen erhielt er den Oscar für den Besten Internationalen Film und setzte sich damit gegen die Beiträge aus Polen („EO“), Belgien („Close“), Irland („The Quiet Girl“) und Argentinien („Argentina, 1985“) durch. Zudem konnte er mehr als verdient die Preise für die Beste Filmmusik, den aber auch „Babylon“ verdient hätte, und die Beste Kamera gewinnen. In letzterer Kategorie gab es mit Filmen wie „Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ von Alejandro G. Iñárritu sowie „Empire of Light“ von Sam Mendes starke Konkurrenz. Auch der Preis für das Beste Szenenbild ging an den Film: Er baute auf mehreren Fußballfelder-großen Flächen den Kriegsalltag in den Schützengräben nach und setzte sich damit gegen die bunten und lebensfrohen Settings von „Babylon“ und „Elvis“, der trotz acht Nominierungen bei den diesjährigen Oscar ebenfalls komplett leer ausgegangen ist, und die künstliche Welt von „Avatar 2 – Shape of Water“ durch. James Camerons Fortsetzung des Spielfilms aus dem Jahr 2009 konnte den Preis für die Besten Visuellen Effekte gewinnen und gewann damit das vorher ausgerufene Battle zwischen CGI-Effekte und handgemachten Effekten à la „Top Gun: Maverick“. Auch dieser zweiten Teil konnte trotz sechs Nominierungen nur den Preis für den Besten Ton mit nach Hause nehmen. Trotz seiner gelungenen Romanadaption konnte der Film „Im Westen nichts Neues“ den Oscar für das Beste adaptierte Drehbuch nicht gewinnen. Diesen gewann Sarah Polley für ihr Drama „Die Aussprache“, die nach einer wahren Begebenheit von Frauen erzählt, die eine schwere Entscheidung treffen müssen.
„The Whale“, „Black Panther: Wakanda Forever“ und „RRR“
Das Drama „The Whale“, das erst Ende April in den deutschen Kinos startet, konnte zwei der drei Nominierungen gewinnen. Zum einen wurde der Hauptdarsteller Brendan Fraser als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet und setzte sich gegen Darsteller-Kollegen wie Bill Nighy („Living“), Paul Mescal („Aftersun“) und Austin Butler, der Elvis großartig zum Leben erweckte, durch. Auch gewann er den Oscar für Bestes Make-Up und beste Frisuren, vor allem für die überzeugende Verwandlung Frasers in einer schwer übergewichtigen Mann. Den Oscar für die Besten Kostüme gewann der Film „Black Panther: Wakanda Forever“, der ebenfalls in der Kategorie Bester Song nominiert war. Doch in dieser Kategorie gewann der fröhliche Song „Naatu Naatu“ aus dem indischen Film „RRR“.
Animationsfilme
Als Bester Animationsfilm wurde „Guillermo del Toros Pinocchio“ ausgezeichnet, die mittlerweile dritte Verfilmung des Stoffes in den letzten zwei Jahren, der aber einen anderen Stil und Ansatz als seine Vorgänger wählt. Er setzte sich so gegen den großartigen Coming-of-Age-Film „Rot“, den liebenswürdigen „Marcel the Shell with Shoes on“ und den sehr amüsanten „Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“ durch. Als Bester animierter Kurzfilm wurden die Regisseure Charlie Mackesy und Matthew Freud für ihren Film „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ ausgezeichnet. Trotz wunderschöner Optik machte es der Film einem nicht leicht, die vielen platten Botschaften zu verdauen, auch wenn der Kuchen liebende Maulwurf vieles wettmachte. In dieser Kategorie hätten es trotzdem Filme wie der melancholische „Ice Merchants“ von João Gonzalez oder der Stop-Motion-Film „An Ostrich Told Me the World Is Fake and I Think I Believe It“ mehr verdient gehabt diesen Trophäe zu gewinnen.
Dokumentarfilme
Der Preis für den Besten Dokumentarfilm ging an den Film „Nawalny“, der einzige wirklich politische Film in diesem Jahr, der ausgezeichnet wurde, was sich auch in der Rede des Filmteams niederschlug. Dagegen hatten Dokumentationen wie der berührende „Fire Love“ von Sara Dosa keine Chance. Als Bester Dokumentar-Kurzfilm wurde erschreckenderweise der Kurzfilm „Die Elefantenflüsterer“ gewählt. Der Film propagiert einen komplett falschen Umgang mit Tieren und hatte schon unter den Nominierten nichts zu suchen. Stattdessen hätte man lieber die klassische Dokumentation „The Martha Mitchell Effect“, oder den sehr persönlichen Film „How to Measure a Year“ oder den großartigen „Haulout” von Jewgenija Germanowna Arbugajewa und Maxim Germanowitsch Arbugajew zum Sieger wählen sollen.
Kurzfilme
Die Wahl des Besten Kurzfilms fiel auf den irisch-britischen Kurzfilm „An Irish Goodbye“ von Tom Berkeley und Ross White und ist ein schöner Feelgood-Movie mit einer wohltuenden Botschaft. Auch in diesem Bereich gab es eine starke Konkurrenz, sei es das Zwangsheirat-Drama „The Red Suitcase“ oder der inszenatorisch sehr künstlerische Märchen „Le Pupille“, der u.a. von Alfonso Cuarón produziert wurde.
Fazit: Die 95. Oscarverleihung war eine eskapadenfreie Veranstaltung. Souverän inszeniert, gut moderiert und mit einigen amüsanten Sequenzen versehen, war es eine Preisverleihung, die aus einem Topf von vielen Filmen ihren klaren Favoriten ausgezeichnet hat, so dass die insgesamt 23 Preise nur an 13 Filme vergeben wurden.