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Zwei befreundete Familien machen wie jedes Jahr am Strand der dänischen Insel Bornholm Urlaub. Auf den ersten Blick ist die Routine erkennbar, die Camper werden abgestellt und das Zelt für die drei Söhne aufgebaut. Doch nichts ist so, wie es einmal war. Bei Maya (Agnieszka Grochowska) und Hubert (Maciej Stuhr) hängt der Haussegen schief und Dawid (Grzegorz Damiecki) hat nach seiner Scheidung seine neue Freundin Nina (Jasmina Polak) mitgebracht. Als es zu einem Vorfall unter den Kindern kommt, bei dem der jüngste Sohn Eryk (Oliwier Grzegorzewski) schwer traumatisiert wurde, eskaliert die Situation immer mehr.
Die polnische Regisseurin Anna Kazejak (*1979), die auch das Drehbuch schrieb, realisierte mit „Fucking Bornholm“ ihren dritten Spielfilm. Ganz klar ins Zentrum der Geschichte rückt sie Maya und aus ihrer Sicht erlebt das Publikum den Urlaub mit all seinen Höhen und Tiefen mit. So sehen die Zuschauer:innen u.a. wie die Männer lieber Bier trinken und sich Sorgen um die neuen Räder als um ihre eigenen Kinder machen. Die Erziehung der Kinder wie die Organisation von allen obliegt dabei ganz allein den Frauen. Auch als ein Vorfall sich traumatisch auf den kleinsten Sohn auswirkt, bleiben die Männer distanziert und versuchen, das Problem auf ungeschickte Kumpelart zu lösen. Diese konsequent weibliche Sicht deckt Missstände in traditionellen Familienmodellen auf. So ist der Ausbruch aus diesem Konstrukt am Ende des Films wohltuend.
Doch trotz der vielen ernsten Themen und Realitätsbezüge kommt der Film keinesfalls schwer daher. Mit bissigem Humor, Situationskomik und pointierten Dialogen erzählt Kazejak ihre Geschichte. Die schöne Umgebung steht dabei am Anfang im Kontrast zum Seelenleben seiner Protagonist:innen. Doch so, wie sie die Landschaft anfänglich nicht wahrnehmen können, da sie den Campingplatz kaum verlassen, so erkennt man die ganze Schönheit auch erst am Ende des Films. Hervorragend mit einem überwiegend polnischen Cast besetzt, besticht der Film als Dramödie, die übertreibt und auf die Spitze treibt, dabei aber stets den wahren Kern nie außer Acht lässt und sich so ins Gedächtnis des Publikums einschreibt.
Fazit: „Fucking Bornholm“ ist ein bissiges Drama, das von Beziehungen und Rollenzuweisungen spricht. So beginnt der Film von Anna Kazejak harmlos und steigert sich immer mehr in eine explosive Auseinandersetzung. Dafür fand die Regisseurin die richtigen Worte und Bilder und beschränkte sich auf eine rein weibliche Perspektive auf die Geschichte, an deren Ende ein Neuanfang stehen könnte.
Bewertung: 7,5/10
Kinostart: 1. Juni 2023
Trailer zum Film „Fucking Bornholm“:
geschrieben von Doreen Kaltenecker
Quellen:
- 56. Internationale Hofer Filmtage 2022 – Katalog (Programm ‚Langfilme‘)
- 32. Filmfestival Cottbus 2022 – Katalog (Programm ‚Spectrum‘)
- Eintrag des Kurzfilms „Fucking Bornholm“ beim Zurich Film Festival
- Mike Rumpf, ‚„Frau am Rand des Nervenzusammenbruchs“ – Fucking Bornholm‘, filmmusik2000.de, 2022