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© 2017 Loving Vincent Sp.z.o.o. & Loving Vincent Ltd.
Filmkritik: Bei den Oscars 2018 ist der britisch-polnische Animationsfilm “Loving Vincent” einer der Anwärter auf den Besten Animationsfilm. Wie unwahrscheinlich der Gewinn bei Gegnern wie dem Pixar-Film “Coco – Lebendiger als Leben” (2017) und dem Blue-Sky-Studios-Film “Ferdinand – Geht STIERisch ab” (2017) auch sein mag, hätte “Loving Vincent” ihn als erster vollständig gemalter Film mehr als verdient.
Ein Jahr nach Vincent van Goghs (Robert Gulaczyk) überraschendem Selbstmord, wird ein Brief des Malers an seinen Bruder Theo gefunden. Der Postmeister Joseph Roulin (Chris O’Dowd) bittet seinen Sohn Armand (Douglas Booth) ihn zu überbringen. Da Theo ebenfalls verstorben ist, aber Armands Neugierde geweckt wurde, begibt er sich nach Auvers-Sur-Oise, wo van Gogh seine letzten Tage verbrachte. Sein Ziel ist es den Brief Vincents Arzt Dr. Gachet (Jerome Flynn) zu überreichen. Doch in der Zeit, die er dort verweilt, lernt er auch Gachets Tochter Marguerite (Saoirse Ronan), die Gasthaus-Besitzerin Adeline Ravoux (Eleanor Tomlinson) und viele weitere Bewohner des Ortes kennen und langsam kommen ihm Zweifel, ob Vincents Tod wirklich ein Unfall war.
Der Film erzählt in Rückblenden von den wichtigsten Stationen in Vincent van Goghs Leben und vor allem von seiner letzten Zeit in Auvers-Sur-Oise (Nordfrankreich). Das Drehbuch dafür schrieb die polnische Künstlerin und Filmemacherin Dorota Kobiela. Als Absolventin der Akademie der Bildenden Künste in Warschau hatte sie sich bald in das Medium Film verliebt und schuf bisher fünf Kurzfilme. “Loving Vincent” sollte eigentlich ihr sechster Kurzfilm werden, für den sie auch selbst die Gemälde anfertigen wollte. Doch nachdem sie Hugh Welchmann kennengelernt hatte und die beiden ein Paar wurden, überzeugte dieser die Regisseurin davon, dass die Geschichte genug Material für einen Langfilm bietet. So entstand über sechs Jahre hinweg unter den beiden Regisseuren Kobiela und Welchmann ein Animationsfilm, der mit seiner Geschichte nah an der Realität bleibt. Dafür recherchierten sie lange Zeit, lasen den gesamten Briefverkehr von Vincent und Theo, besuchten 19 Museen in sechs verschiedenen Ländern und konnten so 400 Gemälde des Malers betrachten. Sie kreierten eine Detektivgeschichte, die es so nicht gab, aber bauten die bekannten Fakten um das Mysterium seines Selbstmords ein. Mit nur 37 Jahren soll sich der angeblich von den Depressionen geheilte Künstler eine Schusswunde zugefügt haben, welche ihn zwei Tage später mit seinem Bruder an seiner Seite tötete. Kobiela war nicht nur von dem Künstler van Gogh, der in den letzten 10 Wochen in Auvers-Sur-Oise 70 Gemälde schuf, angetan, sondern auch von der leidgeplagten Person. Um die persönliche Probleme des Malers genauer zu beleuchten, entschieden sich die Filmemacher einige Rückblenden zu verwenden, welche passend zu alten Fotografien in schwarz-weiß gehalten wurden. So schufen sie trotz Fokussierung auf die letzte Tage ein Portrait eines Künstlers, das nicht nur wissende Kunsthistoriker begeistert, sondern viele Menschen berühren und ansprechen kann.
Diese spannende Geschichte wurde in eine wunderbares Gewand verpackt. In den sechs Jahren ist ein Film entstanden, der komplett aus gemalten Ölbildern besteht. Dafür arbeiteten 125 Künstler aus aller Welt (darunter auch Kobiela selbst) unablässig daran und schufen 377 Gemälde. 130 davon sind fast exakte Kopien von Vincent van Goghs Gemälden oder stellen Erweiterungen zu vorhandenen Werken dar. Mit einem Motion-Capture-Verfahren wurden zunächst die Darsteller vor Kulissen oder Green Screens gefilmt. Dabei haben sie wunderbar die bekannten Gesichter den Figuren der Gemälde angepasst. Die lustigste Wandlung erfuhr vermutlich Chris O’Dowd (bekannt aus “IT Crowd” (2006-2013)), der mit einem langen Rauschebart den Postmeister Roulin spielt. Anschließend wurden die Bilder in Gemälde umgewandelt. So entstanden für eine Sekunde Film 12 Ölbilder und für das ganze Werk 65.000 Einzelbilder, welche am Computer zusammengefügt wurden. Die Rückblenden wurden dabei in schwarz-weiß gemalt, um einerseits einen angenehmen Kontrast für die Zuschauer Augen zu schaffen und zweitens, da es keine Gemälde von Vincent aus dieser Zeit gab, es auch optisch abzugrenzen. Im Gesamten sind die Filmaufnahmen, die wunderbar gemalten Ölgemälde, nicht nur eine Hommage an einen großen Künstler, sondern eine Wohltat für die Augen. So schön war Kino schon lange nicht mehr.
Fazit: Der Animationsfilm “Loving Vincent” gehört zu den schönsten Filmen, welche jemals das Licht der Leinwand erblickten. Dabei wurden die Bilder des Malers Vincent van Gogh zum Leben erweckt und mit einer spannenden, zwar fiktiven, aber trotzdem informativen Geschichte verknüpft. Dies bereitet nicht nur Freunden des Malers und Kunsthistorikern Freude, sondern der Film kann alle Zuschauer mit seinem Farbrausch und seiner Schönheit verzaubern. Vielleicht hat dies auch die Academy erkannt und ehrt den Film als besten Animationsfilm bei der diesjährigen Oscar-Verleihung am 4. März 2018.
Bewertung: 9/10
Kinostart: 28. Dezember 2017, DVD-Start: unbekannt
Der Trailer zum Film “Loving Vincent”:
geschrieben von Doreen Matthei
Quellen:
- Pressematerial von Weltkino Filmverleih
- Website des Films “Loving Vincent”
3 Gedanken zu ““Loving Vincent” (2017)”