„Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (1989)

Doreen Kaltenecker
  1. Oscarverleihung / 9 Nominierungen / 4 Auszeichnungen

Filmkritik: Das Feelgood-Movie „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (OT: „Driving Miss Daisy“, USA, 1989) aus der Hand von Bruce Beresford gewann  auf der 62. Oscarverleihung am 26. März 1990 vier der begehrten Trophäen. Darunter auch zwei der Big Five für die Beste Darstellerin – Jessica Tandy ist die bis dato älteste Schauspielerin, welche diesen Preis gewann – und für den ‚Besten Film‘ und setzte sich dabei gegen Filme wie „Der Club der toten Dichter“ (1989) und „Geboren am 4. Juli“ (1989) von Oliver Stone durch. Der Zweite galt lange Zeit als absoluter Oscarfavorit (vor allem auch nach „Platoon“ (1986)), bis sich „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ bei den Golden Globes hervortat, neun Nominierungen bei den Academy Awards erhielt und mit vier Oscars zum großen Sieger des Abends wurde.

Die resolute und exzentrische Daisy Werthan (Jessica Tandy) ist es gewohnt gut allein klar zu kommen und den Ton anzugeben. Als die reiche 72-jährige Witwe wieder einmal einen Unfall mit ihrem Wagen baut, beschließt ihr Sohn Boolie (Dan Akroyd), dass es so nicht weitergehen kann. Er engagiert Hoke (Morgan Freeman), einen ebenfalls in die Tage gekommenen schwarzen Fahrer, damit er Miss Daisy überall hinfährt. Ihr gefällt das gar nicht und so streitet sie sich liebend gern mit ihrem neuen Begleiter, doch irgendwann wird aus der Antipathie Freundschaft.

Morgan Freeman und Dan Aykroyd

Der amerikanische Spielfilm, den man mit seiner freundlichen Botschaft zu Recht als ein Feelgood-Movie bezeichnen kann, erzählt die Geschichte zweier gegensätzlicher Menschen, die sich aufgrund einer erzwungenen Zusammenarbeit besser kennenlernen und so Ressentiments überwinden. Hintergrund der Geschichte sind die gesellschaftlichen Veränderungen in den 50er und 60er Jahren im Süden der USA. Mit dem Erfolg des Films nahmen auch die Stimmen zu, welche das Thema Rassismus zu verharmlost fanden. Doch wenn man sich die Geschichte genauer anschaut, verheimlicht oder leugnet sie nichts, sondern betrachtet die Situation mit einem warmherzigen Blick und will ein Happy End ermöglichen. Die Zuschauer sollten den Film mit einem positiven Gefühl verlassen und trotzdem eine wichtige Botschaft mitnehmen. Das Drehbuch dazu hat Alfred Uhry (*1936) geschrieben, von dem auch die Vorlage stammt. Es handelt sich dabei um ein Off-Broadway-Stück, welches sogar den Pulitzer Preis gewann. Damit ist die Geschichte eines von zwei Werken, welche jemals sowohl mit einen Pulitzer-Preis als auch mit dem Oscar für den ‚Besten Film‘ ausgezeichnet wurden. Das andere war der Gewinner von 1939: „Lebenskünstler“ von Frank Capra. Inspiriert wurde Uhry von seiner eigenen Großmutter Lena Fox und ihrem Chauffeur Will Coleman. Das Stück ist ein Teil seiner Atlanta-Trilogie, zusammen mit „The Last Night of Ballyhoo“ (1996) und dem Musical „Parade“ (1998). Trotz seines kammerspielartigen Charakters eignete sich die Geschichte auch als eine Filmversion und so wurde 1989 mit den Dreharbeiten gestartet. Gedreht wurde vor allem in und um Atlanta auf 35mm-Film. Die Produktion kostete nur 12 Millionen Dollar und war damit ein kleiner Film. Auf der 62. Oscarverleihung, auf der Billy Crystal zum ersten Mal moderierte, gewann Uhry den Oscar für das ‚Beste adaptierte Drehbuch‘. Zudem wurde auch noch das ‚Beste Make-Up‘ ausgezeichnet, da es die Darsteller mit der Zeit überzeugend altern lässt. Ebenfalls waren die Kostüme, die Ausstattung und der Schnitt nominiert. Wer leider nicht nominiert war, war der deutsche Komponist Hans Zimmer, der den Score ohne Orchester und nur mit Synthesizern kreierte und die Geschichte damit gut untermalte. 

Morgan Freeman

Ebenfalls nicht nominiert war auch der Regisseur Bruce Beresford (*1940). Das kam in der Oscar-Geschichte sehr selten vor, aber  William A. Wellman („Wings“ (1927)) und Edmund Goulding („Menschen im Hotel“ (1932)), Ben Affleck („Argo“ (2012)) und Peter Farrelly („Green Book: Eine besondere Freundschaft“ (2018)) teilten sein Schicksal. Der 1940 in Sydney geborene Regisseur Beresford begann seine Filmkarriere mit Kurzfilmen und hatte 1972 sein Langfilmdebüt. Bekannt wurde er durch seine Nominierungen für das ‚Beste adaptierte Drehbuch‘ (1981) zum Film „Der Fall des Lieutnant Morant“ (1980), für die ‚Beste Regie‘ im Drama „Comeback der Liebe“ (1983), mit Robert Duvall und vor allem mit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (1989). Dass er für seinen größten Erfolg keine Nominierung bekam, veranlasste Billy Crystal, den Moderator, zu der Aussage, dass der Film sich wohl selbst inszeniert hat. Immer wieder wurde seine Regie dabei kritisiert, als zu arm und nichtssagend. Auch wenn sie nicht heraussticht, ist das Urteil zu hart, denn sie schafft das, was sie will, sie untermalt unauffällig die Geschichte dieser beiden Figuren.

Jessica Tandy

Aus diesem Grunde kann „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ vor allem als großes Schauspielerkino angesehen werden. Die beiden DarstellerInnen Jessica Tandy (1909-1994) und Morgan Freeman (*1937) erhielten dafür beide eine Oscarnominierung, nachdem sie auf der 40. Berlinale bereits einen Golden Globe und einen Silbernen Bären gewinnen konnten. Tandy, die zum Zeitpunkt des Films schon 80 Jahre alt war, konnte auch die Oscar-Trophäe gewinnen und sich so gegen Darstellerinnen wie Isabelle Adjani („Camille Claudel“), Jessica Lange („Music Box – Die ganze Wahrheit“) und Michelle Pfeiffer („Die fabelhaften Baker Boys“) durchsetzen. Bis 2012, als Christoph Plummer den Oscar für „Beginners“ (2011) gewann, stellte Tandy den Rekord als älteste Gewinnerin auf und stieß damit den Schauspieler George Burns von diesem Platz der 1976 als ‚Bester Nebendarsteller‘ in „Sunny Boys“ (1975) geehrt wurde. Ihre Schauspielkarriere begann bereits 1932 in Cecil Lewis’ „The Indiscretions of Eve“. Sie war ihr ganzes Leben lang immer mit dem Kino und Theater verbunden und konnte über die Zeit drei Tony Awards gewinnen. Eine ihrer bekanntesten Filmrollen hatte sie als herrschsüchtige Mutter in Hitchcocks Thriller „Die Vögel“ (1963). Noch im Jahr ihres Todes drehte sie ihren letzten Film an der Seite von Paul Newman: „Nobody’s Fool – Auf Dauer unwiderstehlich“ (1994). Für ihre Rolle in „Grüne Tomaten“ erhielt sie 1992 eine weitere Oscar-Nominierung, doch nur der 26. Kinofilm ihrer Karriere, „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ brachte ihr den einzigen Oscar ihrer Schauspielerkarriere ein und das obwohl sie im Vorfeld mit ihrem Agenten um 100 Dollar gewettet hatte, dass sie nicht gewinnen wird. 

Morgan Freeman

Den Gegenpart spielt Morgan Freeman (*1937) auf herzerfrischende Weise und hat sofort alle Sympathien auf seiner Seite. Er erhielt für diese Rolle ebenfalls eine Oscarnominierung, doch erst 2005 für „Million Dollar Baby“ konnte er die Trophäe, aber dort als ‚Bester Nebendarsteller’, mit nach Hause nehmen, nachdem er vorher bereits drei Mal nominiert gewesen war („Glitzernder Asphalt“ (1987), „Die Verurteilten“ (1994)). Der bisher oft gesehene und immer sympathische Darsteller Freeman hatte vorher bereits beim Off-Broadway-Stück mitgewirkt und wurde dafür mit dem Theaterpreis Obie ausgezeichnet. So war er natürlich der ideale Kandidat für diese Rolle und er belebt Hoke mit dem verschmitzten Lächeln und sanften Kontergeben wunderbar. Das Hin- und Her der beiden ist die größte Stärke des Films. Abgerundet wird das Ensemble von Dan Aykroyd (*1952), der für die Rolle des Sohns seine einzige Oscarnominierung erhielt. Der gebürtige Kanadier fing seine Schauspielkarriere beim Fernsehen an und gelangte durch die Comedy-Show „Saturday Night Life“, welche er selbst mit aufgebaut hatte, zu Bekanntheit. Mit John Belushi gründete er die Band Blues Brothers und der gleichnamige Film von John Landis aus dem Jahr 1980 ebnete ihm eine Karriere vor allem im Komödienfach mit Filmen wie „Ghostbusters“ (1984). Aber man sah ihn auch in ernsthafteren Rollen, beispielsweise in „My Girl“ (1991) und hier bei „Miss Daisy und ihr Chauffeur“. Hier zeigt er sein Können zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu changieren und bereichert das kleine Ensemble mit seiner Darstellung. Doch das reichte nicht aus, um Denzel Washington für „Glory“ (1989) in der Kategorie ‚Bester Nebendarsteller‘ zu schlagen.    

Morgan Freeman und Jessica Tandy

Am 13. Dezember 1989 startete der Film in nur drei Kinos und konnte schon dort einen Bruttogewinn von 73.745 US-Dollar erzielen. Schnell entwickelte sich der Film zu einem Erfolg bei Kritikern wie beim Publikum und konnte insgesamt weltweit über 145 Millionen US-Dollar Gewinn erzielen. Auch in Deutschland kam der Film gut an, nachdem er seine Premiere auf der Berlinale 1990 feierte. Auch wenn nicht alle Kritiken einverstanden waren, sicherte der enorme Erfolg des Films und seine drei Golden Globes sowie weitere Preise seinen Platz bei der Oscarverleihung. Dort wurde er neun Mal nominiert, die höchste Anzahl in diesem Jahr und schaffte es dann zum ‚Besten Film‘ des Jahres. Im Jahr 2019 gewann mit „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ ein ganz ähnlicher Film mit umgekehrten Verhältnissen, ebenfalls nach einer wahren Geschichte. Möglicherweise hat „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ ihm den Weg dafür geebnet.   

Fazit: Die Tragikomödie „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ ist ein waschechter Wohlfühl-Film und hat eine wichtige, wohltuende Botschaft parat. Geschrieben von Alfred Uhry, nach seinem Theaterstück, und inszeniert von Bruce Beresford ist es ein warmherziger, kammerspielartiger Film über Toleranz. Getragen wird der Film von den beiden großartigen Darstellern Jessica Tandy und Morgan Freeman, die dafür mehrfach ausgezeichnet wurde. Tandy erhielt auch den Oscar als ‚Beste Hauptdarstellerin’. Zudem bekam der Film drei weitere Oscars – darunter auch den Preis für den ‚Besten Film’. Kein Wunder, hat er doch alle Zutaten, die von einem Oscargewinner erwartet werden: Humor, eine Prise amerikanischer Geschichte, ein ernster Hintergrund und zwei wunderbare Darsteller und viel Herz. 

Bewertung: 7/10

Trailer zum Film „Miss Daisy und ihr Chauffeur“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

Diese Rezension ist als Teil der Oscar-Reihe der Testkammer erschienen.

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