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Aus welcher Grundidee heraus entstand „Apfelmus“? Sehnsucht scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen.
Sehnsucht war definitiv ein Grundmotiv für den Film. Speziell der Wunsch nach einem anderen Leben, wenn man mit seiner aktuellen Situation unzufrieden ist. Sinnierende Vögel, die vielleicht gar keine richtigen Vögel sind, Wächter, die außer Sehnsüchte nichts bewachen, und Eisbären, die sich nach der rauen Scholle sehnen. Da „Apfelmus“ meine Abschlussarbeit für das Studium der Malerei (an der Universität für Angewandte Kunst in Wien war), blickte ich in diesem Film mit einem zwinkernden Auge auf die Zeit des Studiums zurück. Die Figuren und Dialoge sind stark von meinem damaligen Umfeld inspiriert. Ich hatte etwa einen Professor, der, um künstlerische Ernsthaftigkeit auszustrahlen, am liebsten einen roten Schal trug. Sein wortreiches Geschwurbel konnte zwar kaum jemand verstehen, beeindruckte mich als junger Student jedoch sehr. Ich trug dann eine Zeit lang selber einen roten Schal. Doch bald sehnte ich mich nach mehr Humor im Leben – und in meiner Kunst. Ich hinterfragte die Authentizität meines Vogelkostüms und überlegte, wie es wohl als Eisbär wäre.
Deine anthropomorphen Figuren sind wie aus dem Leben gegriffen. Wie oft haben sich Menschen in ihnen wieder erkannt und erkennst Du Dich auch selbst?
Wie würdest Du Deinen Film stilistisch in dein Oeuvre einordnen? Warum hast Du Dich diesmal für Farbe und Tiere entschieden?
Ich wollte an den Stil meiner bisherigen Filme anschließen und nur bestimmte Details verfeinern. Ich entschied mich wieder zu folgender Herangehensweise: Zu dem Zeitpunkt, als ich mit der Arbeit an „Apfelmus“ begann, hatte ich, wie auch in meinen früheren Filmen, noch keine eindeutige Vorstellung, welchen konkreten Handlungsverlauf der Film nehmen würde und was gesprochen wird. Ich habe bewusst darauf verzichtet, narrative Vorentscheidungen zu treffen, um die inhaltliche Improvisation nicht frühzeitig einzuschränken. Um mich frei bewegen zu können, ohne den Überblick zu verlieren, legte ich statt der Erstellung eines Storyboards lediglich einen formalen Rahmen fest (eine Gesamtdauer von etwa sieben Minuten mit drei gleichlangen Szenen in Farbe). Amelie, Boris und die beiden Vögel verhalten sich menschlich, obwohl sie ein tierisches Äußeres haben. Und da meine Idee war, Menschen zu zeigen, die sich verändern wollen, war es naheliegend, es auch mal als Vogel, hoch oben in einem Nest, zu probieren.
Hast Du visuell Vorbilder?
Erzähl mir noch ein bisschen was zur tonalen Ausgestaltung – sprichst Du die Dialoge selbst ein?
Die meisten Dialoge spreche ich selbst ein, meist in den eigenen vier Wänden, manchmal aber auch in der wilden Natur, um ein möglichst realistisches Ambiente aufzunehmen. Für die Szene der beiden Vögel im Nest fuhr ich eine Zeit lang in den Wienerwald. Einige Wanderer haben sich wohl schon gewundert, was ich da im Wald wild gestikulierend mit einem Mikrofon gemacht habe. Daheim in meiner Höhle dagegen wundern sich nur die Nachbarn, sie kennen mittlerweile alle Variationen und Betonungen von Amelies Frage: „Haben wir überhaupt einen Pürierstab?“.
Für einzelne Figuren, wie den singenden Wächter, hole ich mir gern Hilfe bei Johannes Forster, einem Sänger mit engelsgleicher Stimme. Er hat meinen Figuren auch schon in früheren Filmen seine Stimme verliehen (z.B. in Museumswärter).
Wie die Handlung entstanden der Dialog und die Animation schrittweise und parallel. Idee für Idee hangelte ich mich chronologisch vom ersten Satz der Vögel bis zum letzten Satz der Eisbären vor. Immer wieder ging ich kreisende Runden durch mein Zimmer, machte einen Mittagsschlaf und trank Espresso. Fiel mir tatsächlich einmal ein guter Satz ein, nahm ich ihn mit meinem Aufnahmegerät auf, überspielte ihn in mein Zeichenprogramm und animierte die Mundbewegung dazu. Dann ging ich wieder meine Runden und überlegte mir die passende Reaktion auf den vorherigen Satz. Diese Art der Improvisation hat für mich einen großen Vorteil: Statt im Voraus geplante Szenen abzuarbeiten, entsteht Platz für überraschende Momente, Wendungen und Einfälle.
Kannst Du mir am Schluss noch ein bisschen mehr von Dir erzählen?
Wenn ich wieder einmal eine Pause von meiner künstlerischen Tätigkeit brauche, beschäftige ich mich im Alltag viel mit der Kunst des Spielens. Ich mag Spiele aller Art, und so vergeht fast kein Tag ohne eine Partie Tischtennis, Darts oder Schach. Das Animieren von Figuren mag ich wahrscheinlich deshalb so gerne, weil es auch dabei um einen spielerischen Prozess geht.
Sind bereits neue Projekte geplant? Wirst Du dem Kurzfilm weiterhin treu bleiben?
Ich werde dem Kurzfilm wohl noch lange treu bleiben, denn diese Beziehung fühlt sich sehr gut an. Derzeit zeichne ich an meinem Diplomfilm für mein Animationsfilmstudium an der Moholy-Nagy Universität in Budapest.
Dieser Film basiert auf einer Erinnerung an meinen blinden Großvater, den ich als kleiner Bub einmal fragte, ob er nicht wissen möchte, wie ich aussehe. Er antwortete, „Ich weiß genau wie du aussiehst.” Der Humor, der in den Dialogen steckt, und der Stil der Zeichnungen erinnern sicherlich an meine früheren Filme. Doch hab‘ ich auch versucht, wieder ein paar Schritte weiter zu gehen: Unter anderem besteht der Film vergleichsweise vielen Szenen, die die Geschichte mit mehr Tempo und variierenden Kameraeinstellungen erzählen. Und das „Revolutionärste“ ist: Ich habe erstmals ein Storyboard gezeichnet. Mein Arbeitsprozess hat sich auch in anderer Weise verändert: Ich arbeite nun mit einem kleinen Team zusammen, darunter AnimateurInnen, KoloristInnen und einem Sound Designer. Endlich sind hier einmal Profis am Werk.
Die Fragen stellte Doreen Matthei
Lies auch die Rezension des Kurzfilms „Apfelmus“