„Physical“ (Staffel 1, 2021)

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Serienkritik: Die ‚Apple TV+‘-Serie „Physical“ von Annie Weisman schaut in den zehn Folgen der ersten Staffel hinter die Kulissen des Fitness-Kultes der 80er Jahre und ist gleichzeitig das eindringliche Portrait einer Frau, die unter extremen Selbsthass leidet.

Sheila (Rose Byrne) ist vor allem Mutter ihrer jungen Tochter Maya (Grace Kelly Quigley) und Ehefrau von Danny (Rory Scovel). Als dieser beschließt, in die Politik zu gehen und den konventionellen Betrieb aufzumöbeln, ist sie natürlich an seiner Seite. Doch wenn sie nicht gerade die Fassade einer guten Hausfrau aufrecht erhält, gibt sie sich ihren Gelüsten hin, wofür sie sich selbst kasteit. Eines Tages entdeckt sie Aerobic für sich, ist sofort davon begeistert und sieht darin einen Ausweg für sich. Doch das muss ihr Geheimnis bleiben.

Rose Byrne

Die amerikanische Serie „Physical“ aus der Hand der Serienmacherin Annie Weisman (u.a. Produzentin von „Desperate Housewives“ (2010-2012), „Suburgatory“ (2012-2014)) trifft ins Mark. Die 286 Spielminuten der ersten Staffel fangen nicht nur im schönsten Zeitkolorit die 80er Jahre (samt passender musikalischer Ausmalung) mit all ihren Veränderungen, Moden und politischen Strömungen ein, sondern beschäftigt sich mit einer ungesunden Beziehung genauso wie eine gestörte Persönlichkeit. Die Figur der Sheila, hervorragend und beängstigend verkörpert von Rose Byrne („Brautalarm“ (2011), „Peter Hase“ (2018)), ist dabei keine Sympathieträgerin. Sie ist fies und gemein und das nicht nur zu sich, sondern zu allen in ihrer Umgebung. Ihre Gedanken, die als Off-Kommentar die Serie begleiten, verschonen niemanden und bewerten jeden. Die Schonungslosigkeit, die sie sich selbst zukommen lässt, richtet sich auch auf ihre Mitmenschen. Neben ihrem Selbsthass hat sie weitere Eigenschaften wie Lügen und Verheimlichen, welche dazu führen, dass alles über ihr zusammenbricht.

Rory Scovel und Rose Byrne

Darin liegt insgeheim die Hoffnung der Zuschauer:innen, dass sie sich so aus der eigenen Selbstwahrnehmung ebenso befreien kann, wie aus der schädlichen Beziehung, in der sie immer wieder degradiert wird. So ist auch ihr ehrgeiziger Ehemann, gespielt von Rory Scovel („I feel Pretty“ (2018)) keinesfalls Anknüpfungs- oder Identifikationsfigur. Dazu dienen eher die Nebenrollen wie die pummelige Greta, die von Dierdre Friel mit so viel Sympathie verkörpert wird, oder die Fitnesstrainerin Bunny (wunderbar: Della Saba), die Sheila Aerobic näherbringt. Im Gesamten ist die Serie weit davon entfernt bequem oder sympathisch zu sein, stattdessen ist sie ein psychologisches Portrait und besticht mit ihrem wahren, schonungslosen Blick ebenso wie mit der gut erzählten Geschichte.

Fazit: „Physical“ ist eine Comedy-Serie aus der Hand von Annie Weisman, die auf Apple TV+ ausgestrahlt wird und uns ein Zeitportrait des Amerikas der 80er Jahre liefert, eine Bestandsaufnahme des Lebens damals, vor allem auch in Beziehungen, zeichnet und zugleich das Portrait einer Frau ist, die unter Zwangsstörungen und Selbsthass leidet. Durch und durch geht die Serie ins Mark, trifft die richtigen Töne und bindet die Zuschauer:innen an die Geschichte. 

Bewertung: 5/5

Trailer zur Staffel 1 der Serie „Physical“:

geschrieben von Doreen Matthei

Quellen:

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